BGH, I ZR 46/12 – Die Realität: Öffentliche Wiedergabe durch „Framing“

BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 – I ZR 46/12 – Die Realität

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG [§ 15 (2) UrhG -> Recht zur öffentlichen Wiedergabe] dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?

Aus der Beschlussbegründung:

Die Beklagten werden bei der Einbindung des Films in ihre Internetseiten zwar in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens – also absichtlich und gezielt – tätig, um den Nutzern ihrer Internetseiten einen Zugang zu dem Film zu verschaffen, den sie ohne ihr Tätigwerden nicht hätten. Die Nutzer der Internetseite der Beklagten sind für die Wiedergabe des Films auch aufnahmebereit und werden nicht bloß zufällig „erreicht“, da sie sich durch Anklicken des elektronischen Verweises bewusst für die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten entscheiden. Die Wiedergabe ist ferner öffentlich, da die Nutzung der Internetseite der Beklagten sämtlichen Internetnutzern und damit einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen offensteht. Die Wiedergabe des Films dient schließlich Erwerbszwecken, da sie den Absatz der von den Beklagten vertriebenen Produkte fördern soll.

Die Beklagten geben den Film jedoch nicht für ein neues Publikum wieder. Der Film ist bereits durch das Einstellen auf der Videoplattform „YouTube“ für alle Internetnutzer öffentlich zugänglich geworden. Durch die Verknüpfung des Films mit ihrer Internetseite erweitern die Beklagten den Kreis der potentiellen Adressaten nicht. Die Wiedergabe des Films über die Internetseite der Beklagten erfolgt auch nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unter-scheidet. Der Film wird bei einem Abruf über die Internetseiten der Beklagten technisch auf dieselbe Weise von der Plattform „YouTube“ an die Nutzer über-mittelt, wie wenn diese Nutzer den Film über das Angebot von „YouTube“ abrufen würden.

Es stellt sich daher die Frage, ob die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie hier vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet (vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen des schwedischen Svea hovrätt in der Rechtssache C-466/12, juris). Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu bejahen.

BGH: Beweislast für Inhaberschaft an nicht eingetragenem Gemeinschaftsgeschmacksmuster

In dem Urteil in der Sache I ZR 23/12 – Bolerojäckchen hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof entschieden, dass derjenige, der Rechte aus einem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass er Inhaber des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist. Die Partei muss somit beweisen, dass sie Entwerferin oder Rechtsnachfolgerin des Entwerfers oder, falls der Entwerfer in einem Arbeitsverhältnis stand, Arbeitgeberin des Entwerfers ist.

Die Tatsache, dass die Klägerin ein Geschmacksmuster erstmalig der Öffentlichkeit innerhalb der Union zugänglich gemacht hat, begründet keine Vermutung dahingehend, dass sie auch die Inhaberin des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist.

Einheitliches Patentgericht und mittelbare Patentverletzung – ein echter Mehrwert

1. Mittelbare Patentverletzung und doppelter Inlandsbezug

Die Vorschrift des deutschen Patentgesetztes zur mittelbaren Patentverletzung (§ 10 PatG), die (derzeit noch) auch für den deutschen Teil europäischer Patente gilt, weist einen doppelten Inlandsbezug auf. Nicht nur die Handlung des mittelbaren Verletzers muss im Inland erfolgen, sondern das Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht (im Folgenden: erfindungswesentliches Mittel), muss auch zur Benutzung in Deutschland angeboten oder geliefert werden. Das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland stellt dann keine mittelbare Verletzungshandlung dar, wenn es zur Benutzung der Erfindung im Ausland erfolgt. Dies gilt selbst dann, wenn dort ein anderer Teil des europäischen Patents in Kraft steht.

Ähnliche Regelungen der mittelbaren Patentverletzung, die einen doppelten Inlandsbezug erfordern, finden sich auch in den Patentgesetzen anderer EPÜ-Mitgliedsstaaten (z.B. Section 60(2) UK Patents Act; Art. 613-4 CPI).

Das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland, das zur Benutzung der Erfindung in England oder Frankreich erfolgt, ist (derzeit) keine mittelbare Patentverletzung, selbst wenn ein europäisches Patent in allen drei Staaten in Kraft ist. Ähnlich ist das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in England oder Frankreich, das zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt, keine mittelbare Verletzung des englischen oder französischen Teils des Patents (da es zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt), aber auch keine mittelbare Verletzung des deutschen Teils (da der mittelbare Verletzer nicht in Deutschland handelt).

2. Änderung durch das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht

Das geplante Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (im Folgenden: das Übereinkommen) wird einen besseren Schutz gegen mittelbare Verletzungen bieten. Zwar weist auch Artikel 26 des Übereinkommens einen doppelten Bezug auf das Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedsstaaten des Übereinkommens, in denen das Patent Wirkung hat, auf:

Art. 26 (1): Ein Patent gewährt seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen dieses Patent Wirkung hat, anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in diesem Gebiet anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder hätte wissen müssen, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Da „dieses Gebiet“ (also das Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen das Patent Wirkung hat) regelmäßig – und im Fall eines Einheitspatents immer – mehr als das Territorium nur eines Staates umfasst, bietet Artikel 26 (1) des Übereinkommens einen besseren Schutz gegen mittelbare Patentverletzungen als die derzeitigen nationalen Vorschriften, nämlich dann, wenn das Liefern oder Anbieten des erfindungswesentlichen Mittels in einem anderen Staat erfolgt als demjenigen, in dem die Benutzung der Erfindung beabsichtigt ist.

Für ein Einheitspatent oder ein europäisches Patent, das in Deutschland, Frankreich und England in Kraft ist, würde nach Art. 26 des Übereinkommens gelten: Das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland, das zur Benutzung der Erfindung in England oder Frankreich erfolgt, ist eine mittelbare Verletzungshandlung, wenn die weiteren Voraussetzungen des Art. 26 des Übereinkommens erfüllt sind. Ähnlich ist die das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in England oder Frankreich, das zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt, eine mittelbare Verletzung nach Art. 26 des Übereinkommens.

Der Schutz des Art. 26 des Übereinkommens geht also weiter als der Schutz, den die nationalen Verletzungsvorschriften in ihrer Summe derzeit gegen mittelbare Verletzungshandlungen gewähren.

3. Probleme

Da die Regelungen über die Verletzungshandlungen (einschließlich der Regelung der mittelbaren Verletzung) in der letzten Phase der Beratungen aus der Verordnung Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes in das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht überführt wurden, gelten diese Vorschriften auch für herkömmliche europäische (Bündel-)Patente, für die keine einheitliche Wirkung eingetragen ist (vgl. Legaldefinition in Art. 2 lit. g) des Übereinkommens).

Dies bringt zum einen das Problem mit sich, dass der deutsche Teil eines europäischen Patents – entgegen der Verpflichtung des Art. 2(2), 64 (1) EPÜ – nicht mehr die gleiche Wirkung hat und dieselben Rechten verleiht wie ein deutsches nationales Patent. Dies könnte möglicherweise durch eine Änderung von § 10 PatG behoben werden.

Kritischer könnte sein, dass Art. 26 des Übereinkommens auch außerhalb der verstärkten Zusammenarbeit, nämlich bei Anwendung des Art. 26 des Übereinkommens auf europäische (Bündel-)Patente, zu einer Ungleichbehandlung verschiedener EU-Mitgliedsstaaten führt. Denn während beispielsweise dem Patentinhaber Schutz gegen das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland gewährt wird, das zur Benutzung der Erfindung in einem anderen Vertragsmitgliedsstaat des Übereinkommens erfolgt, wird ein solcher Schutz versagt, wenn das Liefern oder Anbieten zur Benutzung der Erfindung in einem EU-Mitgliedsstaat erfolgt, der nicht Vertragsstaat des Übereinkommens ist. Dies gilt selbst dann, wenn das entsprechende europäische (Bündel-)Patent auch für diesen EU-Mitgliedsstaat in Kraft steht.

Teilanmeldungen beim EPA – Möglichkeiten zur Gebühreneinsparung

Die Einreichung einer europäischen Teilanmeldung kann sich schon aufgrund der Amtsgebühren als kostspielige Angelegenheit erweisen. Noch ärgerlicher ist dies, wenn vor Einreichung der Teilanmeldung auch noch Kosten für die Stammanmeldung aufgewandt werden müssen, damit überhaupt eine vor dem EPA anhängige Anmeldung vorliegt, aus der geteilt werden kann.

Ein typisches Szenario für einen solchen Fall ist eine PCT-Anmeldung, bei der das EPA internationale Recherchenbehörde war, aber (wegen unterbliebener Zahlung zusätzlicher Recherchegebühren im internationalen Verfahren) der internationale Recherchenbericht nur für einen Teil der Ansprüche erstellt wurde. Häufig wird der Anmelder Interesse haben, (nur) die in der internationalen Phase der PCT-Anmeldung nicht recherchierten Ansprüche weiterzuverfolgen. Dazu ist die Einreichung einer Teilanmeldung erforderlich (G 2/92).

Nach der Beschwerdekammerentscheidung J 18/09 kann eine Teilanmeldung zu einer PCT-Anmeldung erst dann eingereicht werden, wenn die PCT-Anmeldung wirksam in die regionale europäische Phase eingetreten ist. Wartet der Anmelder bis kurz vor Ablauf der 31-Monats-Frist zu, müssen insbesondere regelmäßig die Prüfungsgebühr und die Benennungsgebühr (und, falls keine Priorität beansprucht wurde, die Jahresgebühr für das dritte Jahr) gezahlt werden. Nur dann existiert überhaupt eine anhängige europäische Anmeldung, die die Möglichkeit zur Teilung eröffnet. Dies gilt auch dann, wenn die Stammanmeldung gar nicht weiterverfolgt werden soll. Da mit der Einleitung der europäischen Phase die Anmeldung unmittelbar in die Zuständigkeit der Prüfungsabteilung übergeht, kann die Prüfungsgebühr auch allenfalls teilweise nach Art. 11 b) GebO zurückerstattet werden.

In der Mitteilung des EPA vom 21.2.2013 über den Antrag auf vorzeitige Bearbeitung stellt das EPA die Amtspraxis zur vorzeitigen Bearbeitung einer europäischen Phase aus einer PCT-Anmeldung dar. Danach müssen für die wirksame Aufhebung des Bearbeitungsverbots neben der Stellung des entsprechenden Antrags nach Art. 23(2) oder Art. 40(2) PCT nur diejenigen der in Regel 159 (1) EPÜ genannten Erfordernisse erfüllt werden, für die bei Einleitung der europäischen Phase oder bei Stellung des Antrags auf vorzeitige Bearbeitung (je nachdem, was später erfolgt) die entsprechende Frist bereits abgelaufen ist.

Um die Kosten für die Einreichung einer Teilanmeldung zu reduzieren, wenn an der Weiterverfolgung der Stammanmeldung sowieso kein Interesse besteht, muss der Anmelder folglich vor Ablauf von sechs Monaten ab Veröffentlichung des internationalen Recherchenberichts und vor Fälligkeit der Jahresgebühr für das dritte Jahr (also frühestens 24 Monate nach dem Prioritätstag) die europäische Phase einleiten und einen Antrag auf vorzeitige Bearbeitung nach Art. 23(2) oder Art. 40(2) PCT stellen. Dies führt zur Anhängigkeit einer europäischen Patentanmeldung, die geteilt werden kann, ohne dass für die Stammanmeldung die Prüfungsgebühr, die Benennungsgebühr und die Jahresgebühr für das dritte Jahr entrichtet werden muss. Bei Weiterverfolgung der Stammanmeldung müssen die Gebühren natürlich später entrichtet werden, nicht aber, wenn die Stammanmeldung nach Einreichung der Teilanmeldung sowieso nicht weiterverfolgt werden soll.

Durch die Einleitung der Phase vor dem Ablauf von 24 Monaten nach dem Prioritätstag kann der Anmelder in einem Fall, wie er der Entscheidung J 18/09 zugrunde lag, somit Amtsgebühren von derzeit insgesamt EUR 2565 (mit einer erwarteten Steigerung um ca. 5% im Jahr 2014) sparen. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist eine gegenüber der Frist der Regel 159(1) EPÜ um maximal sieben Monate vorgezogene Entscheidung über die Einleitung der europäischen Phase.

Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich im Verfahren X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe mit den Formerfordernissen für die Übertragung des Prioritätsrechts zu befassen, wenn die Priorität einer nationalen Erstanmeldung für eine europäische Nachanmeldung in Anspruch genommen wird.

Nach der BGH-Entscheidung sind die Formerfordernisse, denen die Übertragung des Prioritätsrechts unterliegt, nach dem Forderungsstatut (Art. 33 Abs. 2 EGBGB in der bis zum 17.12.2009 geltenden Fassung bzw. nunmehr Art. 14 Abs. 2 Rom-I-VO) zu bestimmen. Dies führt dazu, dass die Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts dem Recht des Staats der Erstanmeldung unterliegen. Entsprechend ist die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung auch dann nicht formbedürftig, wenn die Priorität für eine europäische Patentanmeldung in Anspruch genommen werden soll (Leitsatz 1).

Die Entscheidung X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe grenzt sich dezidiert von der Beschwerdekammer-Entscheidung T 62/05 ab. In der Entscheidung T 62/05 hatte die Beschwerdekammer für den Fall einer europäischen Nachanmeldung gefordert, dass die Übertragung des Prioritätsrechts den Formerfordernissen des Art. 72 EPÜ genügen muss, also der Schriftform unterliegt und von beiden Vertragsparteien unterschieben sein muss. Die Beschwerdekammer-Entscheidung T 62/05 führt zur Anwendbarkeit der Formerfordernisse des Rechts, dem die Nachanmeldung unterliegt, und nicht – wie nunmehr die BGH-Entscheidung X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe – zur Anwendbarkeit des Rechts, dem die Erstanmeldung unterliegt. Die in der Beschwerdekammer-Entscheidung T 62/05 aufgestellten Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts hatten sich insbesondere im Einspruchsverfahren zu einer scharfen Waffe für den Einsprechenden entwickelt, da beispielsweise die nach US-Recht nur vom Erfinder als Zedenten zu unterschreibende Übertragungserklärung regelmäßig nicht der Formvorschrift des Art. 72 EPÜ genügt und eine Heilung nach Einreichung der Nachanmeldung nicht mehr möglich war. Die Beschwerdekammer-Entscheidung T 62/05 wurde in der Literatur auch stark kritisiert (vgl. T. Bremi: ‚Traps when transferring priority rights, or When in Rome do as the Romans do: A discussion of some recent European and national case law and its practical implications.‘ In: epi Information, 1/2010).

Der Patentanmelder wird dennoch gut beraten sein, das Prioritätsrecht auch weiterhin so zu übertragen, dass die Übertragung den Formvorschriften des Art. 72 EPÜ genügt. So lange das Risiko besteht, dass eine Beschwerdekammer ein europäisches Patent im Einspruchsbeschwerdeverfahren wegen nicht wirksamer Inanspruchnahme der Priorität widerruft, ist es nur ein schwacher Trost, dass der BGH in einem etwaigen Nichtigkeitsverfahren basierend auf den in der Entscheidung X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe aufgestellten Grundsätzen anders entschieden hätte.

EuGH zur rechtserhaltenden Markenbenutzung (Stofffähnchen)

Der EuGH hat im Urteil in der Rechtssache C-12/12 zur rechtserhaltenden Benutzung von Marken Stellung genommen und damit die in der Vorlageentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH I ZR 206/10 – Stofffähnchen II) gestellten Vorlagefragen beantwortet.

Nach der Entscheidung des EuGH kann eine eingetragene Marke (hier: das rote Stofffähnchen an einer Hosentasche, das als Positionsmarke eingetragen ist) auch dann rechtserhaltend benutzt werden, wenn sie nur in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird (hier: Wortmarke „LEVI’S“), die ihrerseits eingetragen ist. Dasselbe gilt für eine eingetragene Marke (hier: rotes Stofffähnchen als Positionsmarke), die durch die Verwendung als Bestandteil einer zusammengesetzten Marke (hier: rotes Stofffähnchen mit Aufschrift „LEVI’s“) Unterscheidungskraft erlangt hat. Auch in diesem Fall kann die eingetragene Marke durch die Benutzung der zusammengesetzten Marke rechtserhaltend benutzt werden.

Die Stofffähnchen-Entscheidung ergänzt somit die erst vor Kurzem ergangene Proti-Entscheidung. Nach der Proti-Entscheidung steht der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke nicht entgegen, wenn die abgewandelte Form, in der die Marke benutzt wird, ebenfalls als Marke eingetragen ist. Nach der Stofffähnchen-Entscheidung steht der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke nicht entgegen, wenn sie nicht in abgewandelter Form, sondern als Bestandteil eines zusammengesetzten Zeichens verwendet wird, selbst wenn das zusammengesetzte Zeichen und/oder die zusätzlichen Bestandteile des zusammengesetzten Zeichens selbst als Marke eingetragen sind.

BPatG, 4 Ni 13/11 – Dichtungsring

BPatG, Entscheidung v. 15. Januar 2013 – 4 Ni 13/11 – Dichtungsring

Amtliche Leitsätze:

1. Erschöpft sich die patentgemäße Lösung nur in der handwerklichen Maßnahme, eine bekannte, technisch weniger anspruchsvolle Lösung – hier einer Querschnittsverringerung des Dichtungsrings – hinzunehmen bzw. der technisch anspruchsvolleren Lösung hinzuzufügen, so begründet ein solcher in Kauf genommener „handwerklicher Rückschritt“ ebenso wenig eine erfinderische Tätigkeit wie eine nur handwerkliche Weiterbildung des Standes der Technik.

2. Der Sachprüfung eines im Nichtigkeitsverfahren angegriffenen Unteranspruchs bedarf es nur – was vorrangig zu klären ist und wofür in der Rechtsprechung Auslegungsregeln entwickelt worden sind – wenn der Wille des Patentinhabers auf dessen (isolierte) Verteidigung gerichtet ist.

3. Anders als bei der Verteidigung des Streitpatents durch Neuformulierung eines Patentanspruchs mittels Aufnahme von Merkmalen aus verfahrensgegenständlichen Patentansprüchen, welche immer oder jedenfalls dann einer eigenständigen Sachprüfung bedürfen, wenn der Patentinhaber sie isoliert verteidigt, bietet die mögliche Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung keinen Anlass für eine vorsorgliche Beschäftigung und Recherche durch die Klägerin. Eine derartige Forderung würde die der Klägerin obliegende Prozessförderungspflicht auch vor dem Hintergrund des von § 83 PatG intendierten besonderen Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erheblich überspannen und andererseits die Beklagte über Gebühr von ihrer entsprechenden Verpflichtung entlasten.

BGH, Beschluss vom 22. November 2012 – I ZB 72/11 – Kaleido

BGH, Beschluss vom 22. November 2012 – I ZB 72/11 – Kaleido

Amtliche Leitsätze:

a) Dem Zeichen „Kaleido“ fehlt für die Ware „Spielzeug“ nicht jegliche Un-terscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Insbesondere wird der Verkehr das Zeichen nicht stets als verkürzte Beschreibung der Ware „Kaleidoskop“ verstehen.

b) Abstrakte sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, die auf der Annahme einer assoziativen Ergänzung von als Abkürzung erkannten Begriffen in einem vom Kontext vorgegebenen Sinn beruhen, können nicht ohne weiteres für die als Rechtsfrage zu beantwortende Beurteilung der Unterscheidungskraft herangezogenen werden. Bei dieser sind vielmehr die Umstände der konkret zu beurteilenden Bezeichnung und die Kennzeichengewohnheiten der maßgebenden Branche in den Blick zu nehmen.

BGH, I ZR 46/12 – Die Realität: Zum Framing

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 90/2013 zu BGH, I ZR 46/12 – Die Realität: Zum Framing:

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob der Betreiber einer Internetseite eine Urheberrechtsverletzung begeht, wenn er urheberrechtlich geschützte Inhalte, die auf anderen Internetseiten öffentlich zugänglich sind, im Wege des „Framing“ in seine eigene Internetseite einbindet.

Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar.

Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie den Besuchern ihrer Internetseiten, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Video im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten das Video damit unberechtigt im Sinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht. Sie hat die Beklagten daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € an die Klägerin verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hat zwar – so der Bundesgerichtshof – mit Recht angenommen, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Eine solche Verknüpfung könnte jedoch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe verletzen. Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union daher die – auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zweifelsfrei zu beantwortende – Frage vorgelegt, ob bei der hier in Rede stehenden Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt.

BGH, I ZR 162/11 – Covermount: Mindestvergütungsregel

BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – I ZR 162/11 – Covermount

Amtliche Leitsätze:

a) Eine Mindestvergütung ist zum Schutz der Urheber vor einer möglichen Entwertung ihrer Rechte nicht nur dann erforderlich, wenn mit einer wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke keine geldwerten Vorteile erzielt werden, sondern auch dann, wenn damit nur so geringfügige geldwerte Vorteile erzielt werden, dass eine prozentuale Beteiligung am Erlös des Verwerters unzureichend wäre (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Mai 1955 – I ZR 8/54, BGHZ 17, 266 – Grundig-Reporter; Urteil vom 28. Ok-tober 1987 – I ZR 164/85, GRUR 1988, 373 – Schallplattenimport III; Ur-teil vom 1. Dezember 2010 I ZR 70/09, GRUR 2011, 720 = WRP 2011, 1076 – Multimediashow; Urteil vom 27. Oktober 2011 – I ZR 125/10, GRUR 2012, 711 = WRP 2012, 945 – Barmen Live; Urteil vom 27. Okto-ber 2011 – I ZR 175/10, GRUR 2012, 715 = WRP 2012, 950 – Bochumer Weihnachtsmarkt).

b) Eine Mindestvergütung darf allerdings nicht so hoch sein, dass die sich aus dem Beteiligungsgrundsatz ergebenden Erfordernisse zu Lasten des Verwerters in einem unangemessenen Verhältnis überschritten werden. Hiervon kann aber nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil die Mindestvergütung den vom Verwerter mit der Verwertung des Werkes erzielten Erlös zu einem erheblichen Teil aufzehrt (Fortführung von BGH, GRUR 1988, 373 – Schallplattenimport III; Urteil vom 29. Januar 2004 – I ZR 135/00, GRUR 2004, 669 = WRP 2004, 1057 – Musikmehrkanaldienst; GRUR 2011, 720 – Multimediashow; GRUR 2012, 711 – Barmen Live; GRUR 2012, 715 – Bochumer Weihnachtsmarkt).

c) Wer die Rechte eines Urhebers verletzt, kann sich nicht damit entlasten, die Verwertungsgesellschaft habe ihm nach § 10 UrhWG die Auskunft erteilt, sie nehme die Rechte dieses Urhebers nicht wahr, wenn er damit rechnen musste, dass die Rechte vom Urheber selbst oder von einem Dritten wahrgenommen werden.

d) Erteilt eine Verwertungsgesellschaft einem Auskunftsberechtigten die unzutreffende Auskunft, sie nehme die Rechte eines bestimmten Urhebers nicht wahr, kann dies zwar zu Schadensersatzansprüchen des Auskunftsberechtigten gegen die Verwertungsgesellschaft (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB), nicht aber zu einem Wegfall der von der Verwertungsgesellschaft wahrgenommenen Rechte des Urhebers führen.