BGH, I ZR 214/11 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion

BGH, Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 214/11 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion

Amtliche Leitsätze:

a) Weist ein Zeichen Ähnlichkeiten mit einer bekannten oder gar berühmten Marke auf, kann das Publikum wegen der Annäherung an die bekannte Marke zu dem Schluss gelangen, zwischen den Unternehmen, die die Zeichen nutzten, lägen wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen vor.

b) Eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV kann bereits vorliegen, wenn die Werbung dem Publi-kum suggeriert, dass zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht.

c) Der Bekanntheitsschutz einer Marke nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV kommt nur in dem Gebiet der Europäischen Union in Betracht, in dem die Gemeinschaftsmarke die Voraussetzungen der Bekanntheit erfüllt.

BGH, X ZB 8/12 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren: Zulässigkeit funktioneller Anspruchsmerkmale

BGH, Beschluss vom 11. September 2013 – X ZB 8/12 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren

Amtliche Leitsätze:

a) Dem Patentanmelder ist es grundsätzlich unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen, sofern dies dem berechtigten Anliegen Rechnung trägt, die Erfindung in vollem Umfang zu erfassen.

b) Ob die Fassung eines Patentanspruchs, die eine Verallgemeinerung enthält, dem Erfordernis einer ausführbaren Offenbarung genügt, richtet sich danach, ob damit ein Schutz begehrt wird, der nicht über dasjenige hinausgeht, was dem Fachmann unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre erscheint, durch die das der Erfindung zugrundeliegende Problem gelöst wird.

c) Einer Umschreibung einer Gruppe von Stoffen nach ihrer Funktion in einem Verwendungsanspruch steht weder entgegen, dass eine solche Fassung des Patentanspruchs neben bekannten oder in der Patentschrift offenbarten Stoffen auch die Verwendung von Stoffen umfasst, die erst zukünftig bereitgestellt werden, noch dass die Bereitstellung erfinderische Tätigkeit erfordern kann.

BGH, I ZR 201/11 – Markenheftchen II: Vertragliche Unterlassungsverpflichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts

BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 – I ZR 201/11 – Markenheftchen II

Amtliche Leitsätze:

a) Besteht eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, haften ihre Gesellschafter regelmäßig allein auf das Interesse und nicht persönlich auf Unterlassung, falls die Gesellschaft das Unterlassungsgebot verletzt.

b) Wird eine Unterlassungserklärung für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgegeben, nachdem sie vom Gläubiger abgemahnt worden ist, ist es grundsätzlich nicht treuwidrig, wenn sich ihre Gesellschafter darauf berufen, dass für sie keine vertragliche Unterlassungspflicht begründet worden ist.

BGH, X ZR 36/12 – Mischerbefestigung: Zum Hinweis des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 Pat

BGH, Urteil vom 8. August 2013 – X ZR 36/12 – Mischerbefestigung

Amtliche Leitsätze:

a) Wird die Nichtigkeitsklage nach einem Hinweis des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG erweitert und werden zur Begründung der erweiterten Klage Entgegenhaltungen vorgelegt, ist das Patentgericht grundsätzlich nicht gehalten, noch vor der mündlichen Verhandlung dazu einen weiteren Hinweis gemäß § 83 PatG zu geben.

b) Unter diesen Voraussetzungen reicht der Umstand allein, dass der Kläger erst im Verhandlungstermin erfährt, wie das Patentgericht die nachgereichten Entgegen-haltungen einschätzt, ohne Weiteres nicht aus, um die Zulassung neuer Angriffsmittel im Berufungsrechtszug zu rechtfertigen.

BGH, I ZR 9/12 – SUMO: Zum Schutzumfang eines Sammelwerks

BGH, Urteil vom 27. März 2013 – I ZR 9/12

Amtliche Leitsätze:

a) Bei der Bestimmung des Schutzumfangs eines Sammelwerks ist zu beachten,
dass der Schutzgrund des § 4 Abs. 1 UrhG in der eigenschöpferischen
Auswahl oder Anordnung der Elemente liegt.

b) Eine Verletzung des Urheberrechts an einem Sammelwerk kann deshalb nur
angenommen werden, wenn das beanstandete Werk diejenigen Strukturen
hinsichtlich der Auslese und Anordnung des Stoffs enthält, die das Sammelwerk
als eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 4 UrhG ausweisen.
Der übernommene Teil muss deshalb so weitgehend Ausdruck der
individuellen Auswahlkonzeption des Urhebers des Sammelwerks sein, dass
er noch einen gemäß § 4 UrhG selbständig schutzfähigen Teil seines Sammelwerks
darstellt (Bestätigung von BGHZ 172, 268 Rn. 25 f. Gedichttitelliste
I).

BGH, I ZB 71/12 – Aus Akten werden Fakten: Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens

BGH, Beschluss vom 18. April 2013 – I ZB 71/12 – Aus Akten werden Fakten

Amtlicher Leitsatz:

Für die im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Satz 1 MarkenG) und im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) vorzunehmende Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, ist auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen (Aufgabe von BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 – I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 = WRP 2009, 439 – STREETBALL; Beschluss vom 9. Juli 2009 – I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 = WRP 2010, 260 Rocher- Kugel; Anschluss an EuGH, Beschluss vom 23. April 2010 C332/09, MarkenR 2010, 439 HABM/ Frosch Touristik [FLUGBÖRSE]).

Aus der Beschlussbegründung:

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind Marken, denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt, von der Eintragung ausgeschlossen. Ist die Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintra-gung ausgeschlossen, wird die Anmeldung gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen und die Marke nach § 41 Satz 1 MarkenG nicht in das Register eingetragen. Ist die Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden, wird die Eintragung gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings sowohl im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Satz 1 MarkenG) als auch im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) bei der Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen ist oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens als Marke abzustellen (zum Eintragungsverfahren BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 14 = WRP 2009, 439 – STREETBALL; zum Nichtigkeitsverfahren BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 – I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 Rn. 48 = WRP 2010, 260 – Rocher-Kugel, mwN; vgl. zum Warenzeichengesetz BGH, Beschluss vom 13. Mai 1993 I ZB 8/91, GRUR 1993, 744, 745 MICRO CHANNEL, mwN; vgl. weiter zum absoluten Schutzhindernis der bösgläubigen Markenanmeldung BGH, Beschluss vom 27. April 2006 – I ZB 96/05, BGHZ 167, 278 Rn. 42 – FUSSBALL WM 2006; Beschluss vom 2. April 2009 I ZB 8/06, GRUR 2009, 780 Rn. 11 = WRP 2009, 820 – Ivadal; vgl. ferner Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 15 und 18; Kirschneck in Ströbele/Hacker aaO § 37 Rn. 3, § 50 Rn. 5; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rn. 32; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 37 MarkenG Rn. 18; Kramer in Ekey/Klippel/Bender, Markenrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 37 MarkenG Rn. 4; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, 2. Aufl., Rn. 574; Bingener in Fezer, Handbuch der Markenpraxis, 2. Aufl., Markenverfahren DPMA Rn. 282).

Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens statt auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens wird vor allem damit begründet, dass es sich bei dem Eintragungsverfahren um ein auf schnelle Erledigung einer Vielzahl von Anmeldungen gerichtetes Registrierungsverfahren handelt, in dessen Rahmen für eingehende, langwierige Ermittlungen kein Raum ist (BGH, GRUR 1993, 744, 745 – MICRO CHANNEL; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Mai 1984 – I ZB 6/83, BGHZ 91, 262, 270 – Indorektal). Zwischen der Anmeldung des Zeichens und der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens könnten – insbesondere wenn gegen die Eintragungsentscheidung Rechtsbehelfe eingelegt würden – mehrere Jahre liegen. Wäre der Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens maßgeblich, müssten bei der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens oft schwierige Ermittlungen zum Vorliegen von Schutzhindernissen am Anmeldetag angestellt werden. Komme es dagegen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens an, könne das Vorliegen von Schutzhindernissen schneller und zuverlässiger festgestellt werden (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 8 Rn. 15).

Der Anmelder muss nach dieser Ansicht sowohl im Eintragungsverfahren als auch im Nichtigkeitsverfahren nach der Anmeldung des Zeichens und vor der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens entstandene Eintragungshindernisse – wie hier den Verlust der Unterscheidungskraft des Zeichens – gegen sich gelten lassen.

Nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Gemeinschaftsmarkenverordnung ist dagegen für die Prüfung eines auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV aF (Art. 52 Abs. 1 Buchst. a GMV nF) gestützten Antrags auf Nichtigerklärung allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich (EuGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 C-192/03, Slg. 2004 I8993 Rn. 37 bis 41 – Alcon/HABM [BSS]; Beschluss vom 23. April 2010 C332/09, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 bis 46 – HABM/Frosch Touristik [FLUGBÖRSE]). Nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV aF (Art. 52 Abs. 1 Buchst. a GMV nF) wird die Gemeinschaftsmarke auf Antrag beim Amt für nichtig erklärt, wenn sie entgegen den Vorschriften des Art. 7 GMV eingetragen worden ist. Gemäß Art. 7 Buchst. b GMV sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

Nach Ansicht des Gerichtshofs lässt sich nur mit dieser Auslegung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV aF (Art. 52 Abs. 1 Buchst. a GMV nF) vermeiden, dass ein Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke umso wahrscheinlicher wird, je länger das Eintragungsverfahren dauert (EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 47 bis 54 – HABM/Frosch Touristik [FLUGBÖRSE]). Daraus folgt, dass auch für die Prüfung, ob die Anmeldung einer Marke gemäß Art. 38 Abs. 1 GMV aF (Art. 37 Abs. 1 GMV nF) zurückzuweisen ist, weil sie nach Art. 7 GMV und insbesondere wegen Fehlens der Unterscheidungskraft nach Art. 7 Buchst. b GMV von der Eintragung ausgeschlossen ist, allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich ist. Denn nur mit dieser Auslegung von Art. 38 Abs. 1 GMV aF (Art. 37 Abs. 1 GMV nF) lässt sich vermeiden, dass ein Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke umso wahrscheinlicher wird, je länger das Eintragungsverfahren dauert.

Der Anmelder muss danach weder im Eintragungsverfahren noch im Nichtigkeitsverfahren eine nach dem Zeitpunkt der Anmeldung eingetretene nachteilige Veränderung der Marke, wie den Verlust ihrer Unterscheidungskraft oder ihre Umwandlung in eine gebräuchliche Bezeichnung, gegen sich gelten lassen (vgl. EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 53 – HABM/Frosch Touristik [FLUGBÖRSE]).

Der Senat hält im Blick auf diese Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Für die im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Satz 1 MarkenG) und im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) vorzunehmende Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, ist auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen. Dafür spricht nicht nur das Interesse des Anmelders, durch die Dauer des Eintragungsverfahrens keine Nachteile zu erleiden. Hinzu kommt das Interesse der Allgemeinheit an einer grundsätzlich einheitlichen Auslegung dieser miteinander übereinstimmenden Regelungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung einerseits und des Markengesetzes andererseits (vgl. Bölling, GRUR 2011, 472, 477). Diese Interessen des Anmelders und der Allgemeinheit sind jedenfalls in ihrer Gesamtheit – höher zu bewerten als das Interesse an einer schnellen Erledigung einer Vielzahl von Anmeldungen.

Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 173/2013: Bundesgerichtshof legt Europäischem Gerichtshof Frage zur Auskunftspflicht von Bankinstituten über Kontodaten bei Markenfälschungen vor

Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 173/2013: Bundesgerichtshof legt Europäischem Gerichtshof Frage zur Auskunftspflicht von Bankinstituten über Kontodaten bei Markenfälschungen vor

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob ein Bankinstitut eine Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist.

Die Klägerin ist Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb von Davidoff-Parfüms. Im Januar 2011 bot ein Verkäufer auf der Internetplattform eBay ein Parfüm unter der Marke „Davidoff Hot Water“ an, bei dem es sich um eine Produktfälschung handelte. Als Konto, auf das die Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte, war bei eBay ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto angegeben. Die Klägerin ersteigerte das Parfüm und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto. Nach Darstellung der Klägerin konnte sie nicht in Erfahrung bringen, wer Verkäufer des gefälschten Parfüms war. Sie hat deshalb die beklagte Sparkasse nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG auf Auskunft über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankgeheimnisses zur Verweigerung der Auskunft berechtigt.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt der Vertrieb des gefälschten Parfüms eine offensichtliche Rechtsverletzung dar. Die beklagte Sparkasse hat durch die Führung des Girokontos, über das der Verkäufer den Zahlungsverkehr abgewickelt hat, auch eine für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht. Damit liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG an sich vor. Die beklagte Sparkasse braucht die begehrte Auskunft aber nicht zu erteilen, wenn sie nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Verweigerung des Zeugnisses im Prozess berechtigt ist. Da § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG Art. 8 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umsetzt, muss das Recht zur Verweigerung der Auskunft durch die Richtlinie gedeckt sein. In Betracht kommt insoweit Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie, der den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen und die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Im Streitfall stellt sich die Frage, ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie unterfallen und – wenn dies der Fall sein sollte – ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Markenverletzungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss. Da die Frage die Auslegung von Unionsrecht betrifft, hat der Bundesgerichtshof sie dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Bundesgerichtshof hat in dem Vorlagebeschluss erkennen lassen, dass aus seiner Sicht das Interesse an einer effektiven Verfolgung einer Schutzrechtsverletzung den Vorrang vor dem Interesse der Bank haben sollte, die Identität des Kontoinhabers geheimzuhalten.

BGH, X ZR 83/1 – Nichtigkeitsstreitwert II: „Streitwertaufteilung“ im Nichtigkeitsverfahren

BGH, Beschluss vom 27. August 2013 – X ZR 83/1 – Nichtigkeitsstreitwert II

Amtlicher Leitsatz:

Wird das Streitpatent von mehreren Klägern in demselben Umfang angegriffen, ist für eine Aufteilung des Streitwerts auf die einzelnen Klagen und eine gesonderte Wertfestsetzung für den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des einzelnen Klägers kein Raum.

BGH, I ZB 68/12: Verfahrensgebühr bei Kostenwiderspruch

BGH, Beschluss vom 15. August 2013 – I ZB 68/12

Amtlicher Leitsatz:

Wendet sich der anwaltlich vertretene Antragsgegner mit dem Kostenwiderspruch gegen die im Verfügungsverfahren gegen ihn ergangene Kostenentscheidung, fällt auf seiner Seite keine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziffer 1 VV RVG aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens an (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 22. Mai 2003 – I ZB 38/02, WRP 2003, 1000; Beschluss vom 26. Juni 2003 – I ZB 11/03, BGHReport 2003, 1115).

BGH, X ZR 19/12 – Tretkurbeleinheit: Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren

BGH, Urteil vom 27. August 2013 – X ZR 19/12 – Tretkurbeleinheit

Amtliche Leitsätze:

a) Ein neues Angriffsmittel, das aus im zweiten Rechtszug neu eingeführten technischen Informationen einer Entgegenhaltung hergeleitet werden und das Klagevorbringen stützen soll, ist im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren unabhängig davon nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, ob Vorveröffentlichung und technischer Inhalt der Entgegenhaltung außer Streit stehen. Für Dokumente, die eine von der Erfindung wegführende technische Entwicklung belegen könnten und daher als Verteidigungsmittel des Beklagten in Betracht kommen, gilt Entsprechendes.

b) Beruft sich der Kläger darauf, eine Entgegenhaltung erst durch eine nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils durchgeführte Recherche aufgefunden zu haben, ist das hierauf gestützte Angriffsmittel nur dann nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen, wenn der Kläger dartut, dass die Entgegenhaltung mit einem sachgerecht gewählten Suchprofil bei der für die Begründung der Patentnichtigkeitsklage durchgeführten Recherche nicht aufgefunden werden konnte.

Aus der Urteilsbegründung:

Im Übrigen setzt die Darlegung mangelnder Nachlässigkeit bei der Ermittlung des für die Begründung des Klageangriffs relevanten Standes der Technik voraus, dass der Kläger konkret dartut, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt hat, warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat, und dass bei dem gewählten Suchprofil der in zweiter Instanz vorgebrachte Angriff gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents in erster Instanz nicht geführt werden konnte. Erst durch eine solche – im Streitfall fehlende – Darlegung wird der Beklagte in die Lage versetzt, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die erstinstanzliche Recherche sorgfältiger Prozessführung entsprochen hat, und dem Bundesgerichtshof die Prüfung ermöglicht, ob die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO für die Zulassung des neuen Vorbringens vorliegen. Nach § 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c PatG gehören die Tatsachen, aufgrund deren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 PatG zuzulassen sind, deshalb auch zu den Berufungsgründen, die bereits die Berufungsbegründung enthalten muss, wenn sie die Zulässigkeit der Berufung tragen sollen. Es war erklärtes Regelungsziel des Reformgesetzgebers, das Nichtigkeitsberufungsverfahren zu einem Instrument der Fehlerkontrolle und -beseitigung umzugestalten (Begründung zum Entwurf zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BlPMZ 2009, 307, 316). Dem reformierten Patentgesetz liegt das gesetzgeberische Bekenntnis zu einem Patentnichtigkeitsverfahren zugrunde, in dem der Streitstoff in erster Instanz prinzipiell abschließend festgelegt wird und der später nur unter den Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung der §§ 529 bis 531 ZPO erweitert werden kann. Mit dieser Zielsetzung wäre die Gestattung eines unter den Vorbehalt subjektiver Zweckmäßigkeit gestellten, prinzipiell zwischen den beiden Instanzen des Nichtigkeitsverfahrens unterscheidenden Patentrechercheaufwands unvereinbar.

Über die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents entscheidet, ob der Stand der Technik die unter Schutz gestellte technische Lehre vorwegnimmt oder dem Fachmann hinreichende Anregungen vermittelt, bekannte technische Lösungen zu dieser technischen Lehre abzuwandeln oder weiterzuentwickeln. Der Stand der Technik besteht dabei aus der regelmäßig unüberschaubaren Vielzahl von Druckschriften und sonstigen Entgegenhaltungen, aus der sich Bausteine für die dem Kläger des Patentnichtigkeitsverfahrens obliegende Darlegung ergeben können, dass und inwiefern der Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich getroffen oder dem Fachmann nahegelegt gewesen sei. Von den eher seltenen Fällen abgesehen, in denen relevante Bestandteile des Standes der Technik aus einer vom Kläger behaupteten Offenkundige Vorbenutzung|offenkundigen Vorbenutzung bestehen oder der Zeitpunkt streitig ist, zu dem eine bestimmte technische Lehre der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, besteht der im Rechtsstreit erörterte Stand der Technik im Wesentlichen aus amtlich veröffentlichten Patentdokumenten oder anderen Veröffentlichungen feststehenden Datums und ist daher in aller Regel als solcher unstreitig. Ein Angriffsmittel wird aus dem typischerweise ebenso unbegrenzten wie unüberschaubaren Stand der Technik jedoch erst durch die Darlegung des Klägers, welchen konkreten Beitrag welche Bestandteile welcher Entgegenhaltung zu der geltend gemachten mangelnden Patentfähigkeit leisten sollen((BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 99/11, BGHZ 194, 290 Rn. 36 – Fahrzeugwechsel-stromgenerator)). Obwohl über die Patentfähigkeit letztlich die rechtlichen Schlussfolgerungen entscheiden, die aus den (potentiell) relevanten Beiträgen zur Beurteilung der Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit zu ziehen sind, ist das Patentgericht weder verpflichtet noch auch nur berechtigt, von sich aus zu ermitteln, worin diese relevanten Beiträge liegen könnten. Andernfalls könnte sich der Kläger darauf beschränken, eine Vielzahl von Entgegenhaltungen vorzulegen oder auch nur aufzulisten, und es dem Patentgericht überlassen, deren Inhalt auszuwerten und zu prüfen, ob und inwiefern sich hieraus Anhaltspunkte für eine mangelnde Patentfähigkeit ergeben. Damit würde das Patentgericht jedoch seine Aufgabe verfehlen, unparteiisch zu wägen, ob der Klagevortrag das Klagebegehren rechtfertigt, und sich in die Rolle eines Klägerhelfers begeben; dafür bietet indes auch der Amtsermittlungsgrundsatz keine Grundlage. Dies erhellt, dass im Patentnichtigkeitsverfahren die unstreitige Zugehörigkeit einer bestimmten Entgegenhaltung zum Stand der Technik keinen tauglichen Maßstab für die Qualifikation als (neues) Angriffsmittel bilden kann. Angriffsmit-tel ist vielmehr die Darlegung des Klägers, welche bestimmten technischen Informationen, die der Fachmann einer bestimmten Entgegenhaltung oder be-stimmten Entgegenhaltungen entnehmen kann, das Klagebegehren rechtfertigen sollen. Für Entgegenhaltungen, die eine von der Erfindung wegführende technische Entwicklung belegen könnten und daher als Verteidigungsmittel des Beklagten in Betracht kommen, gilt Entsprechendes.