BGH, I ZR 76/11 – Wagenfeld-Leuchte II

BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 76/11 – Wagenfeld-Leuchte II

Amtliche Leitsätze:

a) Wer seine Werbung für den Erwerb von Vervielfältigungsstücken eines Werkes auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und diese Mitglieder der Öffentlichkeit durch ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungsstücke des Werkes liefern zu lassen, bringt die an diese Mitglieder der Öffentlichkeit gelieferten Vervielfältigungsstücke des Werkes in diesem Mitgliedstaat im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 2 UrhG in Verkehr.

b) Der Testamentsvollstrecker, dem der Urheber gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 UrhG durch letztwillige Verfügung die Ausübung des Urheberrechts übertragen hat, bleibt neben einem Dritten, dem der Urheber ein ausschließliches urheberrechtliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, berechtigt, selbst Ansprüche wegen Rechtsverletzungen geltend zu machen, soweit er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der rechtlichen Verfolgung dieser Ansprüche hat.

Eingeschränkte Klarheitsprüfung im DE-Verfahren

In der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband, deren Leitsätze bereits früher in diesem Blog berichtet wurden, befasste sich der X. Senat unter anderem mit der Frage, ob in einem Rechtsbestandsverfahren geänderte Patentansprüche auf Klarheit zu prüfen sind. Zum Leitsatz erhebt der X. Senat, dass eine Klarheitsprüfung jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (Leitsatz a).

Der X. Senat begründet dies damit, dass eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen sei. Der Patentinhaber habe mit dem erteilten oder dem im Einspruchsverfahren geänderten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (§§ 21, 22 PatG, Art. II § 6 IntPatÜG, Art. 100 EPÜ, Artt. 138, 139 EPÜ) ganz oder teilweise aberkannt werden kann, wobei mangelnde Klarheit nicht zu den Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründen gehört. Nach Auffassung des X. Senats folge daraus, „dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. EPA, Entsch. vom 24. März 2015 G 3/14.)“

Soweit der X. Senat in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband ausdrücklich auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 Bezug nimmt, sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die rechtlichen Grundlagen der Klarheitsprüfung im deutschen nationalen Patentverfahrensrecht und EPÜ unterschiedlich sind. So stützt sich die Argumentation in G 3/14 maßgeblich darauf, dass zwar Artikel 84 EPÜ, nach dem die Patentansprüche deutlich abgefasst sein müssen, im Erteilungsverfahren vor dem EPA eine wichtige Rolle spielt und eine Zurückweisung unklarer Ansprüche im Erteilungsverfahren ermöglicht, mangelnde Klarheit jedoch nicht als Widerrufs- oder Nichtigkeitsgrund vorgesehen ist (G 3/14, Ziffern 55, 66-72).

Im Gegensatz zum EPÜ-Verfahrensrecht wird für das deutsche Verfahrensrecht derzeit von mehreren BPatG-Senaten die Auffassung vertreten, dass mangelnde Klarheit eines Anspruchs selbst im Erteilungsverfahren kein Zurückweisungsgrund ist (vgl. BPatG, Beschluss v. 24. Juni 2015, 15 W (pat) 9/13 – Polyurethanschaum). Die Präsidentin des DPMA, die dem Verfahren BPatG 15 W (pat) 9/13 – Polyurethanschaum beigetreten war, hatte die zugelassene Rechtsbeschwerde nicht eingelegt, obwohl der erkennende BPatG-Senat ihrer Auffassung, dass eine Zurückweisung einer Anmeldung wegen unklarer Patentansprüche im Erteilungsverfahren statthaft sei, nicht gefolgt war. Nach Auffassung von Schneider (Mitt. 2016, 49, 52) impliziert dieses Verhalten der dem Verfahren beigetretenen DPMA-Präsidentin eine Bindung der DPMA-Prüfungsstellen dahingehend, dass jedenfalls bis zu einer etwaigen anderweitigen Entscheidung des BGH die mangelnde Klarheit von Patentansprüche kein Zurückweisungsgrund im DPMA-Erteilungsverfahren sein kann.

Zusammenfassend führt die Argumentation des X. Senats in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband zu der etwas misslichen Situation, dass im Rechtsbestandsverfahren nationaler deutscher Patente eine bereits in den erteilten Ansprüchen enthaltene Unklarheit der Aufrechterhaltung nicht entgegenstehen kann, obwohl die Unklarheit – anders als im Verfahrensrecht für das Erteilungsverfahren nach dem EPÜ – nach derzeitiger Praxis kein Zurückweisungsgrund im DPMA-Erteilungsverfahren ist.

Offen gelassen hat der BGH in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband, ob eine Änderung von Ansprüchen im Rechtsbestandsverfahren, die zu einer in den erteilten Ansprüchen noch nicht enthaltenen neuen Unklarheit führt (z.B. aufgrund einer Einschränkung auf Basis der Beschreibung des Patents), der beschränkten Aufrechterhaltung entgegenstehen kann.

BGH, I ZR 225/13 – Eizellspende

BGH, Urteil vom 8. Oktober 2015 – I ZR 225/13 – Eizellspende

Amtliche Leitsätze:

a) Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG geregelten Straftatbestände fallen als Bestimmungen hinsichtlich der guten Sitten im Sinne von Erwägungsgrund 7 Satz 3 der Richtlinie 2005/29/EG nicht in deren Anwendungsbereich.

b) Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG geregelten Straftatbestände stellen keine Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar.

c) Bei dem in den ärztlichen Berufsordnungen verankerten Verbot der Mitwirkung an einer Eizellspende handelt es sich nicht um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.

d) Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche Normen, die keine Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG sind, sind nicht allein wegen ihrer Gesetzeswidrigkeit als unlauter im Sinne von § 3 UWG anzusehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 – I ZR 152/07, GRUR 2010, 654 Rn. 25 = WRP 2010, 876 – Zweckbetrieb; Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 157/08, GRUR 2011, 431 Rn. 11 = WRP 2011, 444 – FSA-Kodex).

BGH, I ZR 61/14 – Wir helfen im Trauerfall

BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 61/14 – Wir helfen im Trauerfall

Amtliche Leitsätze:

a) Aus einer an Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken orientierten Auslegung von § 1 Abs. 6 PAngV ergibt sich, dass bei einer Werbung unter Angaben von Preisen für Dienstleistungen, bei denen der Gesamtpreis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung für aufwandsabhängige Kosten mitzuteilen ist.

b) Ein Bestattungsunternehmer, der für seine Dienstleistungen unter Angabe von Preisen für einzelne Bestattungsarten wirbt, hat im Hinblick auf die bei jeder Beerdigung anfallenden, entweder in Form von Entfernungspauschalen oder anhand eines Kilometerpreises berechneten Überführungskosten die hierfür maßgeblichen Berechnungsparameter und deren Höhe anzugeben.

c) Die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 neu eingeführte Bestimmung des § 3a UWG entspricht in ihrem Halbsatz 1 inhaltlich § 4 Nr. 11 UWG aF und ist in ihrem Halbsatz 2 um die Spürbarkeitsschwelle nach § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG aF ergänzt worden. In der Sache hat sich durch die Gesetzesänderung für den Tatbestand des Rechtsbruchs nichts geändert.

BGH, I ZR 69/14 – Exklusivinterview

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 – I ZR 69/14 – Exklusivinterview

Amtliche Leitsätze:

Die Sendung von Teilen eines zuvor durch ein anderes Sendeunternehmen ausgestrahlten Interviews stellt eine Verletzung der Rechte des erstausstrahlenden Sendeunternehmens dar, seine Sendungen aufzuzeichnen und später zu verbreiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, § 96 Abs. 1 UrhG).

Eine solche Verwendung von Interviewteilen ist keine Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG, weil die Bestimmung zwischen dem Tagesereignis und der im Verlauf dieses Ereignisses wahrnehmbar werdenden urheberrechtlich geschützten Leistung unterscheidet. Das übernommene Bildmaterial ist keine urheberrechtlich geschützte Leistung, die im Verlaufe eines Tagesereignisses, über das berichtet worden ist, wahrnehmbar geworden ist.

Die Anwendung der Schutzschranke gemäß § 51 UrhG setzt nicht voraus, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt.

BGH, X ZR 111/13 – Telekommunikationsverbindung

<a href="http://juris.bundesgerichtshof redirected here.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=X%20ZR%20111/13&nr=73927″>BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – X ZR 111/13 – Telekommunikationsverbindung

Amtliche Leitsätze:

a) Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz kann regelmäßig nicht als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden, wenn der Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte.

b) Ein Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung in der ersten Instanz kann sich daraus ergeben, dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.

c) Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel, wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft.

BGH, I ZR 231/14 – MeinPaket.de

BGH, Vorlagebeschluss vom 28. Januar 2016 – I ZR 231/14 – MeinPaket.de

Amtliche Leitsätze:

1. Müssen die Angaben zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG schon in der nzeigenwerbung für konkrete Produkte in einem Printmedium gemacht werden, auch wenn die Verbraucher die beworbenen Produkte ausschließlich über eine in der Anzeige angegebene Website des werbenden Unternehmens erwerben und die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erforderlichen Informationen auf einfache Weise auf dieser oder über diese Website erhalten können?

2. Kommt es für die Antwort auf Frage 1 darauf an, ob das in dem Printmedium werbende Unternehmen für den Verkauf eigener Produkte wirbt und für die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG erforderlichen Angaben direkt auf eine eigene Website verweist, oder ob sich die Werbung auf Produkte bezieht, die von anderen Unternehmen auf einer Internetplattform des Werbenden verkauft werden, und die Verbraucher die Angaben nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erst in einem oder mehreren weiteren Schritten (Klicks) über eine Verlinkung mit den Internetseiten dieser anderen Unternehmen erhalten können, die auf der in der Werbung allein angegebenen Website des Plattformbetreibers bereitgestellt wird?

BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 – I ZR 36/14 – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir

BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 – I ZR 36/14 – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir

Amtliche Leitsätze:

a) Die Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 und § 3a UWG dar, die einen besonderen Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken regelt und deshalb gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken der in Art. 6 dieser Richtlinie enthaltenen Regelung über irreführende Handlungen vorgeht.

b) Nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass einem kosmetischen Mittel Merkmale oder Funktionen fehlen, über die es nach seiner Aufmachung oder nach der dafür betriebenen Werbung verfügen soll, grundsätzlich bei demjenigen, der dies geltend macht. Abweichendes gilt, wenn der mit der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher die Werbung dahin versteht, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert ist.

c) Die Belegbarkeit von Werbeaussagen über kosmetische Mittel erfordert im Hinblick auf die in Nr. 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 enthaltenen Regelungen nicht, dass die Aussagen als wissenschaftlich gesichert anzusehen sind.

BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – I ZB 69/1 – GLÜCKSPILZ

BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – I ZB 69/1 – GLÜCKSPILZ

Amtlicher Leitsatz:

Der Umstand, dass eine Marke gegen rein dekorative Verwendungsformen ins Feld
geführt wird, begründet nicht den Vorwurf einer böswilligen Anmeldung (§ 8 Abs. 2
Nr. 10 MarkenG), wenn nicht weitere Anhaltspunkte für rechtsmissbräuchliches Verhalten hinzutreten.

BGH, I ZR 194/14 – Fressnapf

BGH, Urteil vom 4 check this. Februar 2016 – I ZR 194/14 – Fressnapf

Amtliche Leitsätze:

a) Ein Handeln eines Unternehmers für einen anderen Unternehmer im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG, bei dem die Identität und Anschrift des anderen Unternehmers mitzuteilen ist, für dessen Waren oder Dienstleistungen sich
der Verbraucher auf der Grundlage des ihm gemachten Angebots entscheiden kann, setzt weder voraus, dass das Angebot bereits eine vertragliche Bindung vorsieht, noch auch, dass ein Fall der offenen Stellvertretung oder
eine vergleichbare Fallgestaltung vorliegt.

b) Wesentliche Informationen werden auch dann im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG aF vorenthalten, wenn sie zwar bereitgestellt werden, dies aber auf unklare, unverständliche oder zweideutige Weise geschieht.