BPatG 5 ZA (pat) 103/14: Erstattungsfähigkeit der Kosten für mehrere Anwälte

BPatG Urteil v. 1. Dezember 2015 – 5 ZA (pat) 103/14 – Erstattungsfähigkeit der Kosten für mehrere Anwälte

Amtliche Leitsätze:

1. Erheben mehrere Kläger gegen dasselbe Streitpatent eine gemeinsame Klage mit demselben Klageantrag und demselben Nichtigkeitsgrund, ist nur eine Klagegebühr zu zahlen (Aufgabe von BPatGE 53, 182 – Bitratenreduktion; Anschluss an BPatGE 53, 147 – Verfahrensgebühr bei Klageverbindung). Die danach zuviel entrichteten Gerichtsgebühren sind mangels rechtlicher Grundlage niederzuschlagen und zurückzuzahlen.

2. Ob der Kostenerstattungsberechtigte im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens Kosten für mehrere Anwälte – hier: für Patent- und Rechtsanwalt – erstattet verlangen kann, hängt nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO davon ab, ob sie dem Kostenerstattungsberechtigten „erwachsen“ sind. Beauftragt der Erstattungsberechtigte mit seiner Prozessvertretung eine Anwaltssozietät, liegt dabei grundsätzlich ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) mit nur einem einzigen Auftragnehmer – nämlich der Sozietät – vor. Etwas Anderes ist aber anzunehmen, wenn der Erstattungsberechtigte mehrere Anwälte entweder ausdrücklich einzeln beauftragt hat oder sich aus den Gesamtumständen eindeutig ergibt, dass nicht nur die Sozietät als solche, sondern – insbesondere bei gemischten, aus Patent- und Rechtsanwälten bestehenden Sozietäten – mehrere bei ihr tätige Anwälte gesondert beauftragt werden sollen. Bei gemischten Sozietäten liegt die Beauftragung sowohl eines Patent- als auch eines Rechtsanwalts dabei vor allem dann nahe, wenn neben dem Nichtigkeitsverfahren auch ein Verletzungsverfahren anhängig war (vgl. hierzu BGHZ 196, 52; GRUR 2013, 427; Mitt. 2013, 145 – Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren) oder zumindest eine mit den Besonderheiten des Verletzungsverfahrens vergleichbare Situation vorliegt. Letzteres ist aber nicht bereits zu bejahen, wenn sich die Parteien hinsichtlich der streitigen Verletzung geeinigt und die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen nur noch vom Bestand des Streitpatents abhängig gemacht haben. Auch die bloße Vereinbarung eines Zeithonorars reicht für die Annahme der Beauftragung von mehreren Anwälten noch nicht aus.

3. Besondere juristische Probleme, die sich während des Nichtigkeitsverfahrens ergeben (hier: kostenrechtliche Fragen), können die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Doppelvertretungskosten jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn objektive Umstände nicht vorliegen, aus denen sich eine Tätigkeit des Rechtsanwalts zu diesen besonderen Rechtsfragen ergibt, insbesondere wenn die hierzu eingereichten Schriftsätze allein vom Patentanwalt unterzeichnet worden sind und die zur Klärung dieser Rechtsfragen erforderlichen Kenntnisse kraft seiner Ausbildung auch von einem Patentanwalt erwartet werden können.

BPatG 4 Ni 4/14 (EP): Systeme zur Platzierung von Material in Knochen

BPatG Urteil v. 19. Juni 2015 – 4 Ni 4/14 (EP) – Systeme zur Platzierung von Material in Knochen

Amtliche Leitsätze:

1. Eine Klageänderung im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht nach § 263 ZPO, hier die Geltendmachung eines weiteren Nichtigkeitsgrundes im Rahmen angegriffener Patentansprüche, kann nicht ausschließlich von einer der Klägerin beigetretenen streitgenössischen Nebenintervenienten geltend gemacht werden und ist unzulässig, da diese zur Verfügung über den Streitgegenstand nicht berechtigt ist (Fortführung von BPatG BlPMZ 2014, 323 – Abdeckung; GRUR 2010, 218 – Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren;
GRUR 2010, 50 – Cetirizin).
2. Scheidet ein Richter nach Verkündung des Urteils, an dem er im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht i.S.v. § 309 ZPO mitgewirkt hat, aus dem Richterdienst aus, hier Wechsel zum Deutschen Patent- und Markenamts, so liegt eine Verhinderung aus rechtlichen Gründen nach § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor.

BGH, I ZB 102/14 – Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung

BGH, Beschluss vom 20. Januar 2016 – I ZB 102/14 – Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung

Wenn die Parteien bei einer Unterlassungsklage die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Gericht bei der gemäß § 91a Abs. 1 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung grundsätzlich keinen Anlass zu prüfen, ob die Erledigungserklärung des Gläubigers auch auf die Vergangenheit bezogen war, wenn die Parteien keine gegenteiligen Anträge stellen.

BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 – I ZR 250/12 – Piadina-Rückruf

BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 – I ZR 250/12 – Piadina-Rückruf

Amtliche Leitsätze:

a) Bestehen nach dem Wortlaut des Verbotstenors einer einstweiligen Verfügung Unklarheiten, bedarf es einer objektiven Auslegung anhand der Antragsschrift und der ihr beigefügten Anlagen.

b) Die Verpflichtung des Lebensmittelunternehmers nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 178/2002 (Lebensmittel-Basis-VO) jede Person festzustellen, von der er ein Lebensmittel erhalten hat, beschränkt sich darauf, den direkten Lieferanten zu ermitteln.

c) Ein bei einem Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO zu berücksichtigendes Mitverschulden nach § 254 Abs. 2 BGB liegt grundsätzlich nicht deshalb vor, weil ein Handelsunternehmen dem durch eine einstweilige Verfügung ausgesprochenen Vertriebsverbot sofort nachkommt und nicht zuwartet, bis schriftliche Informationen oder eine eidesstattliche Versicherung des Herstellers vorliegen.

d) Eine Irreführung durch eine geographische Herkunftsangabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist in der Regel wettbewerbsrechtlich relevant, weil es sich um ein wesentliches werbliches Kennzeichnungsmittel handelt.

BGH, I ZB 56/14 – BioGourmet

BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 – I ZB 56/14 – BioGourmet

Amtliche Leitsätze:

Ist Widerspruch gegen eine Markeneintragung aus mehreren Zeichen erhoben, jedoch nur eine Widerspruchsgebühr innerhalb der Widerspruchsfrist eingezahlt worden, so kann der Widersprechende nach Ablauf der Widerspruchsfrist noch klarstellen, auf welchen Widerspruch sich die Gebührenzahlung bezieht.

Im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist die Ähnlichkeit von Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller Faktoren zu beurteilen, die das Verhältnis zwischen ihnen kennzeichnen. Hierzu gehören Art und Zweck der Dienstleistungen sowie ihr Nutzen für den Empfänger sowie die Frage, ob sie nach Auffassung des angesprochenen Verkehrs regelmäßig unter gleicher unternehmerischer Verantwortung erbracht werden.

Zwischen Einzelhandelsdienstleistungen, die auf nicht substituierbare Waren (einerseits Lebensmittel, andererseits Drogerieartikel oder Haushaltswaren) bezogen sind, kann eine Ähnlichkeit bestehen, wenn der Verkehr wegen Gemeinsamkeiten im Vertriebsweg, etwa Überschneidungen in den jeweiligen Einzelhandelssortimenten, davon ausgeht, dass die jeweiligen Einzelhandelsdienstleistungen unter gleicher unternehmerischer Verantwortung erbracht werden.

BGH, X ZR 11/13 – Fugenband

BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – X ZR 11/13 – Fugenband 

Amtliche Leitsätze:

Im Falle einer Selbstbeschränkung durch den Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren ist eine Prüfung der Klarheit des beschränkten Patentanspruchs jedenfalls insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war.

Ist eine Patentnichtigkeitsklage von mehreren Klägern erhoben oder sind mehrere Klageverfahren, die dasselbe Patent zum Gegenstand haben, zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden, sind die Kläger notwendige Streitgenossen gemäß § 62 ZPO.

BGH, I ZR 18/14 – Treuhandgesellschaft

BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 – I ZR 18/14 – Treuhandgesellschaft

Amtliche Leitsätze:

a) Enthält die Firma einer Rechtsanwaltsgesellschaft inhaltlich zutreffend einen Hinweis auf eine von der Gesellschaft ausgeübte Treuhandtätigkeit, wird eine Irreführung der beteiligten Verkehrskreise nicht dadurch hervorgerufen, dass diese Tätigkeit in der Satzung der Gesellschaft als Unternehmenszweck nicht genannt wird.

b) Da die Treuhandtätigkeit seit jeher zum Berufsbild der Rechtsanwälte gehört, kann eine untergeordnete Treuhandtätigkeit auch ohne ausdrückliche gesetzliche Gestattung Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein.

BGH, X ZR 149/12 – Kfz-Stahlbauteil

BGH, Urteil vom 20. Oktober 2015 – X ZR 149/12 – Kfz-Stahlbauteil

Amtlicher Leitsatz:

Ob ein Berechtigter die Übertragung einer Patentanmeldung oder die Einräu-mung einer Mitberechtigung daran verlangen kann bzw. ob ein Anspruch auf Nennung als (Mit)Erfinder besteht, erfordert einen prüfenden Vergleich der zum Patent angemeldeten Lehre mit derjenigen, deren widerrechtliche Entnah-me geltend gemacht wird. Dazu ist in erster Linie zu untersuchen, inwieweit beide Lehren übereinstimmen. Ob eine widerrechtliche Entnahme vorliegt, lässt sich in der dafür vorzunehmenden Gesamtschau zuverlässig nur auf der Grund-lage festgestellter Übereinstimmungen zwischen der als entnommen geltend gemachten und der angemeldeten Lehre beurteilen (Weiterführung von BGH, Urteil vom 11. November 1980 X ZR 58/79, BGHZ 78, 358 ff. Spinnturbine II und Urteil vom 17. Januar 1995 X ZR 130/93, Mitt. 1996, 16, 18 – Gummielas-tische Masse I).