BGH, X ZR 85/14 – Sektionaltor II

BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – X ZR 85/14 – Sektionaltor II

Amtliche Leitsätze:

BGB § 745 Abs. 2

a) Ob einem Mitberechtigten für die Nutzung einer Erfindung durch einen anderen Mitberechtigten im Rahmen der Billigkeit ein Ausgleich in Geld zusteht, kann auch von den Gründen abhängen, aus denen der Anspruchsteller von einer eigenen Nutzung der Erfindung abgesehen hat.

b) Der Gläubiger eines solchen Anspruchs verfügt nicht erst dann über den für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderlichen Kenntnisstand, wenn ihm rechtskräftig eine Mitberechtigung an angemeldeten oder erteilten Schutzrechten zugesprochen wurde oder die Höhe seines ideellen Anteils geklärt ist.

BGB § 259 Abs. 1

a) Gemäß § 259 Abs. 1 BGB hängt der Anspruch auf Vorlage von Belegen grundsätzlich nicht davon ab, ob die Vorlage von Belegen im Rahmen der geschuldeten Rechnungslegung üblich ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Erteilung von Belegen bei demjenigen Vorgang üblich ist, den der Beleg dokumentieren soll.

b) Wenn sich der Anspruch auf Rechnungslegung aus § 242 BGB ergibt, besteht ein Anspruch auf Vorlage von Belegen aber grundsätzlich nur dann, wenn in vergleichbaren vertraglichen Beziehungen üblicherweise Belege vorgelegt werden.

BGH, I ZR 152/13 – Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle II

BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 – I ZR 152/13 – Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle II

UWG § 3a; Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika Erwägungsgrund 19, Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Art. 9 und 11; ZPO § 33 Abs. 1, § 256 Abs. 2, § 542 Abs. 2 Satz 1, §§ 802, 927 Abs. 2 Halbs. 2

a) Der Parallelimporteur eines Produkts zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das die CE-Kennzeichnung trägt und von einer benannten Stelle einer Konformitätsbewertung unterzogen worden ist, ist nicht verpflichtet, eine neue Bewertung vornehmen zu lassen, mit der die Konformität der Kennzeichnung und der Gebrauchsanweisung dieses Produkts wegen ihrer Übersetzung in die Amtssprache des Einfuhrmitgliedstaats bescheinigt werden soll (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – C-277/15, GRUR Int. 2016, 1149 Rn. 52 = WRP 2017, 161 – Servoprax/RDD; Aufgabe von BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 185/07, GRUR 2010, 756 Rn. 11 = WRP 2010, 1020 – One Touch Ultra).

b) Unterlassungsansprüche, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sowie Ansprüche auf Abmahnkostenersatz hängen nicht in einer Weise voneinander ab, die die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässt (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 2. Mai 2002 – I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 383 – Faxkarte; Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 36 = WRP 2012, 1086 – Missbräuchliche Vertragsstrafe).

c) Gegenüber einer nach vorausgegangenem Verfügungsverfahren erhobenen Hauptsacheklage kann im Wege der Widerklage ein Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung verfolgt werden.

d) Bei einer nach Erlass einer einstweiligen Verfügung erhobenen Hauptsacheklage liegt der für die Zulässigkeit einer Hilfswiderklage auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung im Falle der Abweisung der Hauptsacheklage gemäß § 33 Abs. 1 ZPO erforderliche Sachzusammenhang regelmäßig vor.

e) Mit der Revision kann die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung im Wege der (Eventual-)Widerklage nicht begehrt werden.

BGH, I ZR 33/16 – Anwaltsabmahnung II

BGH, Urteil vom 6. April 2017 – I ZR 33/16 – Anwaltsabmahnung II

Amtlicher Leitsatz:

a) Bei dem in § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 PBefG geregelten Verbot, Taxen außerhalb behördlich zugelassener Stellen für Beförderungsaufträge bereitzuhalten, handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung, die der Wahrung der Chancengleichheit der Taxiunternehmer beim Wettbewerb um Fahraufträge dient. Die Regelung ist deshalb gemäß § 3a UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

b) Ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung der in seinem Gebiet auftretenden Wettbewerbsverstöße gehört, muss in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt. Die Kosten für eine anwaltliche Abmahnung, mit der typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße geltend gemacht werden, sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn ein Fachverband nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche verfolgt (Festhaltung BGH, Urteil vom 12. April 1984 – I ZR 45/82, GRUR 1984, 691 – Anwaltsabmahnung).

BGH, X ZR 120/15 – Abdichtsystem

BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – X ZR 120/15 – Abdichtsystem

Amtliche Leitsätze:

ZPO § 521 Abs. 2 Satz 2, § 277 Abs. 2, § 524 Abs. 3 Satz 2

Die Wirksamkeit einer Frist zur Berufungserwiderung hängt nicht davon ab, ob der Berufungsbeklagte darüber belehrt wurde, dass auch eine Anschlussberufung nur innerhalb dieser Frist zulässig ist.

PatG § 140a Abs. 3 Satz 1

a) Die in § 140a Abs. 3 Satz 1 PatG vorgesehenen Ansprüche auf Rückruf und auf endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen können nebeneinander geltend gemacht werden.

b) Ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verpflichtete im Ausland ansässig ist.

PatG § 9 Nr. 1, § 139; BGB § 840

a) Ein im Ausland ansässiger Lieferant eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses, der einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer beliefert, ist nicht ohne weiteres verpflichtet, die weitere Verwendung der gelieferten Ware durch den Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen.

b) Der Lieferant ist in der genannten Lage zu einer Überprüfung des Sachverhalts verpflichtet, wenn für ihn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es als naheliegend erscheinen lassen, dass seine Abnehmer die gelieferte Ware ins Inland weiterliefern oder dort anbieten.

c) Die pflichtwidrige und schuldhafte Ermöglichung oder Förderung einer fremden Patentverletzung kann Ansprüche aus §§ 139 ff. PatG nur dann begründen, wenn es zu einer Patentverletzung durch den Dritten gekommen ist oder wenn zumindest Erstbegehungsgefahr besteht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 30. April 1964 – Ia ZR 224/63, GRUR 1964, 496, 497 – Formsand II).

d) Die pflichtwidrige und schuldhafte Förderung oder Ermöglichung einer fremden Patentverletzung begründet nicht ohne weiteres einen uneingeschränkten Anspruch auf Unterlassung von Handlungen, die für sich gesehen noch keine Patentverletzung darstellen.

e) Sofern ein Abnehmer zumindest eine Verletzungshandlung begangen hat, ist der Lieferant, der dies pflichtwidrig und schuldhaft mitverursacht hat, grundsätzlich verpflichtet, über alle Lieferungen an diesen Abnehmer Rechnung zu legen.

BGH, I ZR 92/16 – Mart-Stam-Stuhl

BGH, Urteil vom 23. Februar 2017 – I ZR 92/16 – Mart-Stam-Stuhl

Amtlicher Leitsatz:

Allein aus der Präsentation eines Produkts auf einer Messe im Inland folgt nicht ohne weiteres, dass der Aussteller das Produkt damit gezielt bewirbt, um die Messebesucher zu dessen (späteren) Erwerb im Inland anzuregen. Von einer solchen gezielten Werbung ist nicht auszugehen, wenn der Aussteller die Messebesucher deutlich darauf hinweist, dass sie das ausgestellte Produkt nicht erwerben oder bestellen können, weil er sich Änderungen des Produkts vorbehält. Auch wenn das ausgestellte Produkt in den Schutzbereich eines urheberrechtlich geschützten Werkes eingreift, verletzt der Aussteller in einem solchen Fall durch die Präsentation des Produkts nicht das Verbreitungsrecht des Urhebers dieses Werkes und begründet dadurch auch keine entsprechende Erstbegehungsgefahr (Fortführung von BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – I ZR 133/13, GRUR 2015, 603 Rn. 21 bis 24 = WRP 2015, 717 – Keksstangen).

BGH, I ZB 41/16 – Anwaltskosten im Gestattungsverfahren

BGH, Beschluss vom 26. April 2017 – I ZB 41/16 – Anwaltskosten im Gestattungsverfahren

Amtlicher Leitsatz:

Die Kosten anwaltlicher Vertretung, die ein Urheberrechtsinhaber im Verfahren nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 9 Satz 1 UrhG zur Erlangung der Auskunft über IP-Adressen aufwendet, sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO im nachfolgend gegen eine Person geführten Rechtsstreit, die für eine über eine dieser IP-Adressen begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, soweit die Kosten anteilig auf diese Person entfallen. Dies gilt auch dann, wenn das urheberrechtsberechtigte Unternehmen über eine Rechtsabteilung verfügt und dem Auskunftsverfahren vorgelagerte Ermittlungen selbst ausgeführt hat (Fortführung von BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 – I ZB 71/13, GRUR 2014, 1239 Rn. 10 = WRP 2014, 1468 – Deus ex; Beschluss vom 11. Dezember 2014 – I ZB 7/14, ZUM-RD 2015, 214 Rn. 9).

BGH, I ZR 42/15 – PC mit Festplatte II

BGH, Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 42/15 – PC mit Festplatte II

Amtlicher Leitsatz:

Der Umstand, dass mehrere Verwertungsgesellschaften für die Wahrnehmung von Vergütungsansprüchen gemäß § 54 Abs. 1 UrhG aF zuständig sind, steht dem Eingreifen der von § 13c Abs. 1 UrhWG bestimmten und zugunsten der in der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften wirkenden Vermutung nicht entgegen.

BGH, I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I

BGH, Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I

Amtliche Leitsätze:

a) In den Jahren 2002 bis 2005 in Verkehr gebrachte PCs mit eingebauter Festplatte, die über eine Festplattenkapazität von wenigstens 10 GB, Prozessoren (CPUs) mit einer Rechenleistung von wenigstens 300 MHz und einen Arbeitsspeicher (RAM) von wenigstens 128 MB verfügen, zählen zu den nach § 54 Abs. 1 UrhG (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung vom 25. Juli 1994, aF) vergütungspflichtigen Geräten oder
Tonträgern.

b) Bei der Prüfung der Geeignetheit und erkennbaren Bestimmtheit eines Geräts zur Vornahme vergütungspflichtiger Vervielfältigungen im Sinne von § 54 Abs. 1 UrhG aF ist eine generalisierende Betrachtungsweise zulässig, wenn davon auszugehen ist, dass die konkret in Rede stehenden Geräte nicht anders beschaffen sind als andere Geräte einer Gattung (im Anschluss an BGH, GRUR 2012, 705 Rn. 14 f. – PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät).

c) Der vom Hersteller oder Händler im Rahmen der Konzeption der Produkte und deren Verkaufsstrategie in den Blick genommene Kundenkreis („Business-PC“) steht der Annahme einer erkennbaren Zweckbestimmung zur Herstellung auch privater Vervielfältigungen ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die weit überwiegende Anzahl der fraglichen Geräte nicht an private Endnutzer veräußert wird.

d) Ruft der Verhandlungsführer einer Verwertungsgesellschaft bei den Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Gesamtvertrags zu einem Gerätetyp den Eindruck hervor, beim Abschluss des Gesamtvertrags zu den verlangten Vergütungssätzen werde für einen vorübergehenden Zeitraum eine Geräteabgabe für einen anderen Gerätetyp nicht beansprucht und schließt daraufhin die Nutzervereinigung den Gesamtvertrag ab, können entsprechende Ansprüche wegen des anderen Gerätetyps gegen die Mitglieder der Nutzervereinigung aufgrund Verwirkung ausgeschlossen sein.

BGH, I ZR 197/15 – Bodendübel

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 – I ZR 197/15 – Bodendübel

Amtliche Leitsätze:

a) Einem (zuvor) patentgeschützten Erzeugnis kann wettbewerbliche Eigenart zukommen. Dabei können nicht nur solche Merkmale eines derartigen Erzeugnisses wettbewerbliche Eigenart begründen, die von der patentierten technischen Lösung unabhängig sind. Einem Erzeugnis ist im Hinblick auf den (früheren) Patentschutz seiner Merkmale die wettbewerbliche Eigenart nicht von vornherein zu versagen und es dadurch schlechter zu stellen als andere technische Erzeugnisse, die nicht unter Patentschutz standen (Festhaltung BGH, 22. Januar 2015 – I ZR 107/13, GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne).

b) Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz sieht keinen allgemeinen Nachahmungsschutz einer technisch bedingten Produktgestaltung vor, sondern dient der Absicherung eines konkreten Leistungsergebnisses vor Nachahmungen, die im Einzelfall aufgrund eines unlauteren Verhaltens des Mitbewerbers zu missbilligen sind. Damit können die formgebenden technischen Merkmale eines Erzeugnisses als Herkunftshinweis dienen, auch wenn sie zur Monopolisierung der Warenform als dreidimensionale Marke ungeeignet sind.