BPatG, 3 ZA (pat) 2/15 zu 3 Ni 3/12 (EP) (KoF 44/14) – selbst (eigenhändig) durchgeführte Recherche

BPatG, Beschl. v. 20. Mai 2015 – 3 ZA (pat) 2/15 zu 3 Ni 3/12 (EP) (KoF 44/14) – selbst (eigenhändig) durchgeführte Recherche

Amtliche Leitsätze:

Führt der Kläger eines Nichtigkeitsverfahrens eine Recherche nach einschlägigem Stand der Technik selbst (eigenhändig) durch, anstatt eine entgeltliche professionelle Recherche in Auftrag zu geben, so handelt es sich bei dem damit verbundenen Zeit- und Müheaufwand nicht um Kosten i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern um allgemeinen Prozessaufwand i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO, der grundsätzlich nicht erstattet wird.

Soweit nach der Rechtsprechung (vgl. OLG Nürnberg MDR 2001, 1439), ausnahmsweise eine Erstattung von allgemeinem Prozessaufwand in Betracht kommt, etwa bei Unzumutbarkeit der Eigenleistung oder Fehlen der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten zur sachgerechten Prozessführung, sind die zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO entwickelten Grundsätze über die Notwendigkeit von Kosten heranzuziehen, insbesondere das Kostenschonungsgebot und die Schadensminderungspflicht. Zudem ist der Partei ein erheblicher Zeitaufwand zuzumuten.

Jedenfalls bei einer mit einem völlig überzogenen Zeitaufwand selbst durchgeführten Recherche wird der damit verbundene Zeit- und Müheaufwand nicht erstattet.

BPatG, 4 Ni 25/09 – Kostentragung bei streitgenössischer Nebenintervention

BPatG, Beschl. v. 20. März 2013 – 4 Ni 25/09 – Kostentragung bei streitgenössischer Nebenintervention

Amtliche Leitsätze:

1. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG ermöglicht auch im Falle der nach Rücknahme der Nichtigkeitsklage entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf Antrag zu treffenden isolierten Kostenentscheidung die Einbeziehung materiell-rechtlicher Billigkeitserwägungen.

2. Wird die Nichtigkeitsklage aufgrund einer ausschließlich zwischen den Hauptparteien getroffenen vergleichsweisen Vereinbarung unter Verzicht auf Kostenerstattungsansprüche des Beklagten gegenüber der Klägerin zurückgenommen, so ist der gegen die streitgenössische Nebenintervenientin gerichtete Kostenantrag auf anteilige Erstattung der außergerichtlichen Kosten zurückzuweisen.

BGH, I ZB 38/14 – Flugkosten

BGH, Beschluss vom 6. November 2014 – I ZB 38/14 – Flugkosten

Amtliche Leitsätze:

Bei der Frage, ob zu den erstattungsfähigen Reisekosten eines Rechtsanwalts zur Terminswahrnehmung die Kosten einer Flugreise zählen, ist die Zeitersparnis gegenüber anderen Beförderungsmitteln zu berücksichtigen.

Die Kosten der Einschaltung eines Unterbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung sind bis 110% der fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung erstattungsfähig.

(Un-)Zulässigkeit von Vorlagefragen an die GBK

Über die aktuelle Entscheidung G 1/12 der Großen Beschwerdekammer (GBK) wurde in diesem Blog bereits berichtet.

Eine Minderheit der Mitglieder der Großen Beschwerdekammer hielt die Vorlage für unzulässig. Die entsprechenden Erwägungen wurden nach Art. 18(2) VO GBK in die Entscheidung mit aufgenommen (G 1/12, Ziffern 42-49 der Entscheidungsgründe).

Die Minderheit hielt die Rechtslage für derart klar, dass sie eine Entscheidung der GBK für nicht erforderlich hielt.

Jedoch ist nach Art. 112(1)(a) EPÜ für die Vorlagefrage Voraussetzung, dass die vorlegende Beschwerdekammer (und nicht etwa die GBK) die Beantwortung der Rechtsfrage zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage für erforderlich hält, wenn diese Rechtsfrage für das Verfahren vor der Beschwerdekammer entscheidungserheblich ist. Die Beschwerdekammer muss die Rechtsfrage der GBK nicht vorlegen, wenn sie die Rechtsfrage selbst zweifelsfrei beantworten kann (J 5/81: Leitsatz 2). Es steht dennoch im Ermessen der Beschwerdekammer, eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorzulegen, selbst wenn – wie in der Vorlageentscheidung zu G 1/12 auch – die vorlegende Beschwerdekammer kaum Zweifel hatte, wie die Rechtsfragen zu beantworten sind.

Wie die GBK selbst in G 2/04, Ziffer 1.4 der Entscheidungsgründe festgestellt hat, betrifft die Tatsache, dass die Antwort auf die vorgelegten Rechtsfragen klar zu sein scheinen, nicht die Zulässigkeit der Vorlage. Insofern verwundert die Erwägung der Minderheit zur (Un-)Zulässigkeit der Vorlagefragen nach Art. 112(1)(a) EPÜ in G 1/12 doch etwas. Wie durch G 3/08 in Erinnerung gerufen wurde, sind die Kriterien für die Zulässigkeit von Vorlagefragen des Präsidenten nach Art. 112(1)(b) EPÜ von denen für die Zulässigkeit von Vorlagefragen der Beschwerdekammern deutlich verschieden.

BGH, X ZR 94/13 – Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde

BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – X ZR 94/13 – Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde

Amtliche Leitsätze:

a) Wenn ein Berufungsurteil mit der Revision und hilfsweise wegen desselben
Streitgegenstands mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen wird, entstehen
neben den Gebühren für das Revisionsverfahren keine weiteren Gerichts-
oder Anwaltsgebühren.

b) Für die Frage, in welchem Umfang ein Berufungsurteil primär mit der Revision
und nur hilfsweise mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen wird,
ist nicht erheblich, ob und in welchem Umfang das Berufungsgericht die Revision
tatsächlich zugelassen hat. Maßgeblich ist allein, welches Begehren
der Revisionskläger mit seinem Rechtsmittel geltend gemacht hat.

BGH, I ZR 27/13 – K-Theory

BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – I ZR 27/13 – K-Theory

Amtliche Leitsätze:

a) Der Umfang der Rechtskraft eines Urteils ist in erster Linie der Urteilsformel
zu entnehmen. Reicht die Urteilsformel allein nicht aus, den Umfang der
Rechtskraft zu bestimmen, sind zur Auslegung der Urteilsformel der Tatbestand
und die Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen,
heranzuziehen (Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Mai 1997
– VI ZR 181/96, NJW 1997, 3447; Urteil vom 14. Februar 2008 – I ZR 135/05,
GRUR 2008, 933 = WRP 2008, 1227 – Schmiermittel). Bei einem Anerkenntnisurteil
kommt es für die Auslegung der Urteilsformel in erster Linie darauf
an, was die Parteien gewollt und erklärt haben (Anschluss an BGH, Urteil
vom 22. Februar 1952 – I ZR 117/51, BGHZ 5, 189 – Zwilling).

b) Für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem mit der Veröffentlichung
einer Zeitschrift erzielten Gewinn und den in der Zeitschrift erschienenen
Beiträgen reicht es aus, dass die Bezieher der Zeitschrift bei Abschluss
ihrer Verträge erwarteten, dass in den Heften derartige Beiträge erscheinen
(Fortführung von BGH, Urteil vom 25. März 2010 – I ZR 122/08, GRUR 2010,
1090 = WRP 2010, 1520 – Werbung des Nachrichtensenders; Urteil vom
16. August 2012 – I ZR 96/09, ZUM 2013, 406).

BGH, X ZR 35/11 – Zugriffsrechte

BGH, Urteil vom 14. Oktober 2014 – X ZR 35/11 – Zugriffsrechte

PatG § 14; EPÜ Art. 69

Eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in
der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents
erfasst würde, kommt nur dann in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten,
die zumindest zur Einbeziehung eines Teils der Ausführungsbeispiele
führen, zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend
deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich
etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Beschreibung abweicht.

PatG § 4, EPÜ Art. 56

Der Umstand, dass ein Lösungsweg nur in einer früheren Version eines technischen
Standards
aufgezeigt, in einer späteren Version aber nicht weiterverfolgt
wurde, führt nicht ohne weiteres dazu, dass dieser Weg als nicht naheliegend
anzusehen ist.

ZPO § 263, § 269 Abs. 3

Im Falle eines Klägerwechsels hat der ausscheidende Kläger entsprechend
§ 269 Abs. 3 ZPO die Mehrkosten zu tragen, die durch den Parteiwechsel entstanden
sind, nicht aber – darüber hinausgehend – denjenigen Anteil der Kosten,
der ihm im Falle einer Klagerücknahme aufzuerlegen wäre.

BGH, X ZB 1/13 – Sitzplatznummerierungseinrichtung

BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – X ZB 1/13 – Sitzplatznummerierungseinrichtung

Amtlicher Leitsatz:

Ein Gericht kann dem Erfordernis, sich mit einer von seiner Auffassung abweichenden Entscheidung des Europäischen Patentamts oder eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaates des Europäischen Patentübereinkommens auseinanderzusetzen (BGH, Beschluss vom 15. April 2010 – Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine), im Einzelfall auch dadurch genügen, dass es bei der Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Erwägungen eingeht, auf denen die abweichende Beurteilung beruht.

BGH, I ZR 249/12 – Nero: Vollziehungsschaden

BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – I ZR 249/12 – Nero

Amtliche Leitsätze:

a) Wird eine im Beschlusswege erlassene Verbotsverfügung vor einer förmlichen
Parteizustellung formlos der Gegenseite übermittelt, führt dies noch
nicht zu einem Vollstreckungsdruck, der die Schadensersatzpflicht nach
§ 945 ZPO
auslösen kann.

b) Mit der Zustellung der mit Ordnungsmittelandrohung versehenen Unterlassungsverfügung
muss der Schuldner damit rechnen, dass der Gläubiger jederzeit
von der Vollstreckungsmöglichkeit Gebrauch macht und im Falle einer
Zuwiderhandlung gegen die in der Beschlussverfügung ausgesprochene
Unterlassungsverpflichtung die Festsetzung von Ordnungsmitteln beantragt.
Bei einer solchen Sachlage ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die
Befolgung einer Unterlassungsverpflichtung der Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen
dient und nicht freiwillig erfolgt.

OLG Karlsruhe, 6 U 118/14

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.10.2014, 6 U 118/14

Amtliche Leitsätze:

1. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt in Betracht, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird. Im Patentverletzungsprozess liegt ein solcher Fall auch dann vor, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass das Klagepatent in der geltend gemachten Fassung voraussichtlich nicht rechtsbeständig ist, wenn die vom Landgericht befürwortete weite Schutzbereichsbestimmung zugrunde gelegt wird.

2. Die im Verfahren nach §§ 707, 719 ZPO vorzunehmende summarische Prüfung, ob das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, muss sich zumindest im Regelfall auf diejenigen tatsächlichen Feststellungen und diejenigen rechtlichen Erwägungen beschränken, die für die erstinstanzliche Entscheidung tragend sind.

3. Ob der Verletzungsbeklagte mit der Berufung auf die Aussage eines Zulieferers, das geschützte Herstellungsverfahren werde nicht angewandt, die Anwendung dieses Verfahrens (unbedingt) bestreitet, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Kontexts zu ermitteln. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte sich die – für seinen Standpunkt günstige – Darstellung des Zulieferers ausdrücklich zu eigen gemacht hat.