OLG Karlsruhe, 6 W 47/09 – File-Sharing: Anordnung zur Sicherung von Verkehrsdaten

OLG Karlsruhe, Beschluß vom 1.9.2009, 6 W 47/09

Amtliche Leitsätze:

1. Eine einstweilige Anordnung, mit der ausgesprochen wird, dass bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG zum Zwecke der Auskunftserteilung die Daten zu sichern, aus denen sich ergibt, welchen Kunden unter welchen Anschrift bestimmte IP-Adressen zu bestimmten Zeitpunkten zugeordnet waren, kann mit der Beschwerde angefochten werden.

2. Eine solche Anordnung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 101 Abs. 2 und Abs. 9 UrhG i.V. mit § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG; diese dort getroffene Regelung stößt weder auf europarechtliche noch auf verfassungsrechtliche Bedenken.

3. Voraussetzung für den Erlass einer solchen Anordnung ist, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG glaubhaft gemacht wird.

4. Eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß ist in der Regel anzunehmen, wenn eine besonders umfangreiche Datei, etwa ein vollständiger Kinofilm, in Musikalbum oder ein Hörbuch, vor oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet einer unbestimmten Vielzahl von Dritten zugänglich gemacht wird.

siehe auch: Anspruch auf Auskunft (ipwiki.de)

EPA-Mitteilung: Anführung von Internet-Dokumenten als Stand der Technik

In der Mitteilung des Europäischen Patentamts über die Anführung von Internet-Dokumenten (Amtsblatt EPA 8-9/2009, 456) finden sich Hinweise zur Anführung von Internet-Offenbarungen als Stand der Technik, insbesondere zur Ermittlung des Veröffentlichungstags eines Internet-Dokuments, zur Beweislast und zur Beweiswürdigung bei Internet-Dokumenten.

Internetseiten enthalten häufig höchst relevante technische Informationen. Bestimmte Informationen liegen möglicherweise sogar ausschließlich im Internet vor. Dies trifft beispielsweise auf Online-Handbücher und -Anleitungen für Softwareprodukte (wie Videospiele) oder sonstige Produkte mit einem kurzen Lebenszyklus zu. Im Interesse der Bestandskraft von Patenten ist es daher oft von entscheidender Bedeutung, Veröffentlichungen anzuführen, die nur auf Internetseiten verfügbar sind.

siehe auch: Internet-Offenbarungen, Recherche im Internet

BGH, I ZR 147/06 – Winteraktion: Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit

BGH, Urteil vom 2. Juli 2009 – I ZR 147/06 – Winteraktion

Amtlicher Leitsatz:

Eine Werbung für die Vermittlung des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft, bei der den als Vermittlern angesprochenen Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern für die Vermittlung die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit einem attraktiven Gewinn (hier: Smart-Cabriolet) angeboten wird, ist unlauter i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG.

siehe auch: Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit (ipwiki.de)

BGH, I ZR 239/06 – CAD-Software: Recht zur öffentlichen Wiedergabe eines Computerprogramms, Haftung bei Amtspflichtverletzung

BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – I ZR 239/06 – CAD-Software

Wer ein fremdes, urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm zum Herunterladen ins Internet einstellt, darf sich nicht darauf verlassen, dass es sich dabei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte um ein Programm handelt, mit dessen öffentlicher Zugänglichmachung der Berechtigte einverstanden ist. Er muss vielmehr zuvor sorgfältig prüfen, ob der Berechtigte das Programm zur öffentlichen Zugänglichmachung freigegeben hat.

siehe auch: Haftung bei Amtspflichtverletzung

BGH, I ZB 53/08 – Schuhverzierung: Zur bösgläubigen Markenanmeldung

BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 – I ZB 53/08 – Schuhverzierung

Verneint das Bundespatentgericht eine bösgläubige Markenanmeldung i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG unter dem Gesichtspunkt der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers, weil die Marke mit der vom Vorbenutzer verwendeten Bezeichnung weder identisch noch zum Verwechseln ähnlich ist, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht mit Erfolg mit der Begründung geltend gemacht werden, die für die Bösgläubigkeit sprechenden Indizien seien falsch gewichtet und die Würdigung des Bundespatentgerichts sei unzutreffend.

BGH, I ZR 195/06 – UHU: Kein Markenschutz für gelb/schwarz bei mangelnder Bestimmtheit der Klagemarke

BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 – I ZR 195/06 – UHU

a) Hat der Kläger sein Klagebegehren auf Ansprüche aus einem Markenrecht und aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gestützt, kann das Berufungsgericht die Revision beschränkt auf die markenrechtlichen oder die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche zulassen.

b) Eine Marke kraft Verkehrsgeltung nach § 4 Nr. 2 MarkenG braucht nicht graphisch darstellbar i.S. von § 8 Abs. 1 MarkenG zu sein.

c) Für die Marke kraft Verkehrsgeltung gilt das Gebot der Bestimmtheit. Bei einer als Marke kraft Verkehrsgeltung beanspruchten Farbkombination müssen die systematische Anordnung und das flächenmäßige Verhältnis der Farben klar und eindeutig bestimmt sein.

LG Düsseldorf, 4b O 172/08: Zu den Sorgfaltsanforderungen, die zur Vermeidung des Fahrlässigkeitsvorwurfs bei technischen Schutzrechten erfüllt sein müssen

LG Düsseldorf, 4b O 172/08

Aus der Urteilsbegründung:

Im gewerblichen Rechtsschutz werden an die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt strenge Anforderungen gestellt. Dem Grundsatz nach trägt ein Verletzer das Risiko der Schuldhaftigkeit, welches sich nicht ohne weiteres auf den Schutzrechtsinhaber verschieben lässt. In der Regel ist deshalb die Benutzung einer patentierten und damit geprüften Erfindung auch bei einem Irrtum über deren Rechtsbeständigkeit als schuldhaft anzusehen (BGH GRUR 1961, 26 – Grubenschaleisen; BGH GRUR 1977, 250 – Kunststoffhohlprofil; OLG Düsseldorf GRUR 1982, 35 – Kunststoffschläuche; OLG München GRUR-RR 2006, 385 – Kassieranlage; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rn. 48; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 139 Rn. 101; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 139 Rn. 77 d)).

Diese Risikoverteilung gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Rechtsbestand des verletzten Schutzrechts Gegenstand eines Nichtigkeitsberufungsverfahrens ist. Einem jeden Nichtigkeitsberufungsverfahren, dessen Sinn und Zweck gerade die Überprüfung des instanzgerichtlichen Urteils ist, wohnt dem Ansatz nach das Risiko einer anderen Beurteilung des Streitstands durch den Bundesgerichtshof inne. Die Möglichkeit, dass das verletzte Patent im Nichtigkeitsberufungsverfahren nicht vernichtet wird, ist stets ernstlich in Rechnung zu stellen (OLG Düsseldorf GRUR 1982, 35 – Kunststoffschläuche; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rn. 48), weshalb ein Fachunternehmen, das sich trotz noch nicht endgültig geklärter Rechtslage entschließt, von einem Schutzrecht Gebrauch zu machen, grundsätzlich auf eigene Gefahr handelt (BGH GRUR 1987, 564 – Taxi Genossenschaft; OLG Nürnberg GRUR 1967, 538 – Laternenflaschen).

Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn dem Unternehmen nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage auch unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des anderen Teils nicht zugemutet werden kann, eine Klärung der Rechtslage abzuwarten, ehe es seine Interessen durchsetzt (BGH GRUR 1987, 564 – Taxi Genossenschaft), oder wenn bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen, dem irrig Handelnden ungünstigen Beurteilung durch die Gerichte bzw. den Bundesgerichtshof nicht gerechnet werden brauchte, was beispielsweise der Fall ist, wenn das später als rechtsirrig zu qualifizierende Handeln der bis dahin geltenden höchstrichterlichen gefestigten Rechtsprechung entsprochen hat (BGH GRUR 1987, 564 – Taxi Genossenschaft; BGH GRUR 1990, 474 – Neugeborenentransporte; BGH GRUR 1998, 568 – Beatles-Doppel-CD; BGH GRUR 1999, 49 – Bruce Springsteen and his Band; BGH GRUR 2002, 622 – shell.de; BGH GRUR 2002, 706 – Vossius; LG Düsseldorf Mitt.1998, 273 – Patentanwaltlicher Rat).

siehe auch: Schadensersatzanspruch (ipwiki.de)

T 307/03: Zum Doppelschutzverbot

Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.3.07 vom 3. Juli 2007 T 307/03 – 3.3.07

Amtliche Leitsätze:

I. Der Grundsatz des Doppelschutzverbots, d. h. der Erfinder (oder sein Rechtsnachfolger) hat nur darauf
Rechtsanspruch, dass das Europäische Patentamt ihm für eine gegebene in einem gegebenen Anspruch definierte Erfindung ein – einziges – Patent erteilt, ist nach dem EPÜ anwendbar und kann aus Artikel 60 EPÜ abgeleitet werden, wonach „das Recht auf das europäische Patent … dem Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger [zusteht]“ (s. Nr. 2.1 der Entscheidungsgründe).

II. Der Entscheidung T 587/98 (ABl. EPA 2000, 497), wonach es im EPÜ keine Rechtsgrundlage für ein Verbot „kollidierender Ansprüche“ gibt (s. dort Nr. 3.6 der Entscheidungsgründe), wird nicht gefolgt (s. Nr. 2.7 der Entscheidungsgründe).

III. Ein Einwand wegen Doppelpatentierung kann auch dann erhoben werden, wenn der Gegenstand des erteilten Anspruchs im Gegenstand des später eingereichten Anspruchs enthalten ist, d. h. wenn der Anmelder den Gegenstand des bereits erteilten Patentanspruchs erneut patentieren lassen will und zusätzlich Patentschutz für einen anderen Gegenstand begehrt, der im bereits erteilten Patent nicht beansprucht
wird. Ist insbesondere der Gegenstand, der zweimal patentiert würde, sowohl im schon erteilten Patent als auch in der vorliegenden anhängigen Anmeldung die bevorzugte Ausführungsart der Erfindung, kann das Ausmaß der Doppelpatentierung nicht als geringfügig vernachlässigt werden. Um den Einwand der Doppelpatentierung auszuräumen, müssten die Ansprüche der anhängigen Anmeldung auf den anderen, noch nicht patentierten Gegenstand beschränkt sein, sodass man sich im Prüfungsverfahren auf die Frage konzentrieren kann, ob ein auf diesen anderen Gegenstand gerichteter Anspruch den Erfordernissen
des EPÜ entspricht (s. Nrn. 5.2 bis 5.4 der Entscheidungsgründe).

BGH, I ZR 99/06: Zur Kausalität zwischen Verletzergewinn und Rechtsverletzung

BGH, Urteil v. 14. Mai 2009 – I ZR 99/06

Aus der Urteilsbegründung:

Der Verletzergewinn ist nur insoweit herauszugeben, als er auf der Urheberrechtsverletzung beruht.

Bei der urheberrechtsverletzenden Verwertung einer Bearbeitung kommt es insoweit maßgeblich darauf an, inwieweit der Entschluss der Käufer zum Erwerb der Bearbeitung gerade darauf zurückzuführen ist, dass diese die Züge erkennen lässt, auf denen der Urheberrechtsschutz des benutzten Werkes beruht. Dabei ist dies nicht im Sinne einer adäquaten Kausalität, sondern – vergleichbar mit der Bemessung der Mitverschuldensanteile im Rahmen des § 254 BGB – im Sinne einer wertenden Zurechnung zu verstehen.

Für die Entscheidung zum Kauf eines Gebrauchsgegenstandes ist regelmäßig nicht nur die ästhetische Gestaltung, sondern auch die technische Funktionalität von Bedeutung. Es kann daher nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der durch die identische Nachahmung eines urheberrechtlich geschützten Gebrauchsgegenstandes erzielte Gewinn in vollem Umfang darauf beruht, dass jeder Kaufentschluss – und damit der gesamte Gewinn – allein durch das imitierte Aussehen und nicht durch andere wesentliche Umstände wie etwa die technische Funktionalität oder den niedrigen Preis verursacht worden ist.

Anhaltspunkte für eine Gewichtung der für den Kaufentschluss maßgeblichen ästhetischen und funktionalen Merkmale können sich insbesondere aus der Art des Gebrauchsgegenstandes ergeben. So wird der Funktionalität bei Möbeln erfahrungsgemäß eine größere Bedeutung für die Kaufentscheidung zukommen als bei Schmuck.

Von dem Gesamtgewinn sind zunächst die abzugsfähigen Kosten abzuziehen; erst danach ist der Verletzergewinn um den Kausalitätsabschlag zu vermindern.

Bei der Bemessung des Schadensersatzanspruchs des Verletzten gegen den Hersteller der rechtsverletzenden Gegenstände auf Herausgabe des Verletzergewinns sind allerdings Ersatzzahlungen, die der Hersteller deshalb an seine Abnehmer leistet, weil diese am Weitervertrieb der rechtsverletzenden Gegenstände gehindert sind, nicht abzuziehen.

siehe auch: Bemessung des Schadensersatzes

BGH, Urteil I ZR 123/06 – Fräsautomat: unlautere Mitbewerberbehinderung

BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – I ZR 123/06 – Fräsautomat

Weist ein Fachverband, dem Schlüsselhersteller als Mitglieder angehören, potentielle Abnehmer des Herstellers einer Maschine, mit der Schlüsselprofile gefräst werden können (Fräsautomat), darauf hin, die Verwendung des Fräsautomaten könne Patent- und Markenrechte seiner Mitglieder verletzen, so kann darin eine unlautere Mitbewerberbehinderung liegen, wenn mit dem Fräsautomaten zwar in einem nennenswerten Umfang auch das Prägen nicht geschützter Profile möglich ist, der Hinweis wegen seines pauschalen Inhalts aber Interessenten dazu veranlassen kann, sicherheitshalber gleich von dem Erwerb der Maschine Abstand zu nehmen.

siehe auch: Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung