BGH, I ZR 18/08 – Klingeltöne für Mobiltelefone II

BGH, Urteil vom 11. März 2010 – I ZR 18/08 – Klingeltöne für Mobiltelefone II

Amtlicher Leitsatz:

Berechtigte sind aus Rechtsgründen nicht gehindert, der GEMA das Recht zur Nutzung bearbeiteter oder anders umgestalteter Musikwerke als Klingeltöne oder Freizeichenuntermalungsmelodien nur unter der aufschiebenden Bedingung einzuräumen, dass der Lizenznehmer der GEMA in jedem Einzelfall vor Beginn der Nutzung eine ihm von den Berechtigten zur Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte der Komponisten erteilte Benutzungsbewilligung vorgelegt hat (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 18.12.2008 – I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 = WRP 2009, 313 – Klingeltöne für Mobiltelefone I).

Aus der Urteilsbegründung:

In der Verwendung eines – nicht für diesen Verwendungszweck geschaffenen – Musikwerkes als Klingelton ist eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung des Werkes im Sinne des § 14 UrhG zu sehen, die geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden (BGH, Urt. v. 18.12.2008 – I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 Tz. 14 = WRP 2009, 313 – Klingeltöne für Mobiltelefone I).

Ein Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht liegt bereits darin, dass das Musikwerk bei einer Verwendung als Klingelton nicht als sinnlich-klangliches Erlebnis, sondern als – oft störender – Signalton wahrgenommen wird und ein in der Komposition angelegter Spannungsbogen durch das Annehmen des Gesprächs zerstört wird. Auch das Angebot „mastergestützter“ Klingeltöne und Freizeichenuntermalungsmelodien, bei denen einem – ansonsten unveränderten – Musikstück ein Ausschnitt entnommen worden ist, der in einer Endlosschleife ständig wiederholt wird, berührt daher die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers an seinem Werk.
Bei Freizeichenuntermalungsmelodien ergibt sich eine Beeinträchtigung der Urheberinteressen ferner daraus, dass das asynchron wiederholte Freizeichen das Musikstück störend überlagert.

BGH, I ZR 47/08 – Autobahnmaut: Rechte des Datenbankherstellers

BGH, Urteil vom 25. März 2010 – I ZR 47/08 – Autobahnmaut

Amtlicher Leitsatz:

Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG ist im Blick auf die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 und 2 der Datenbankrichtlinie, deren Umsetzung er dient, richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er jedenfalls bei Datenbanken, deren typische Verwertung darin besteht, den Nutzern nur die jeweils sie selbst betreffenden Datensätze zugänglich zu machen, auch das Zurverfügungstellen einzelner Datensätze an einzelne Nutzer erfasst, wenn diese Nutzer in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit bilden.

OLG Düsseldorf, I-20 U 8/10 – Zu Störerhaftung und Prüfungspflichten eines Filehosting-Dienstes

OLG Düsseldorf, I-20 U 8/10 – Prüfungspflichten eines Filehosting-Dienstes

Aus der Urteilsbegründung

Ein sogenannter Sharehosting-Dienst [auch Filehosting-Dienst] ermöglicht es Nutzern, Dateien auf ihren Servern zu speichern und stellt den Nutzern einen sogenannten Download-Link zur Verfügung, über den die Datei heruntergeladen werden kann.

Ein durchsuchbares Verzeichnis der auf den Servern der Antragsgegnerin gespeicherten Dateien gibt es nicht. Allerdings betreiben Dritte Webseiten, auf denen sie Nutzern der Antragsgegnerin ermöglichen, die von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Download-Links bekannt zu machen und so anderen zu ermöglichen, die gespeicherten Dateien herunterzuladen. Derartige Verweise von Dritten können auch über Suchmaschinen wie zum Beispiel Google gefunden werden.

Werden im Internet fremde, die Rechte Dritter verletzende Inhalte durch
einzelnde Anbieter auf vorhandenen Internetplattformen verbreitet oder
zugänglich gemacht, so kann in der Zurverfügungstellung von
Speicherplatz und eines bestimmten Rahmens, in dem die Inhalte
präsentiert werden, ein adäquat-kausaler Beitrag des Betreibers dieser
Internetplattform gesehen werden. Eine Störerhaftung ist dann
grundsätzlich in Betracht zu ziehen (Ensthaler, WRP 2010, 309).

Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auszudehnen, setzt eine solche Verantwortlichkeit die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich nach allgemeinen Zumutbarkeitsüberlegungen richtet.

Eine erhöhte Prüfungspflicht besteht insbesondere dann, wenn der Störer vom Recht der Inhaber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. In einem solchen Fall muss er nicht nur den Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus zumutbare Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt.

LG Mannheim, 7 O 142/09: Lizenzanalogie bei standardessentiellen Patenten

LG Mannheim, Urteil vom 5.3.2010, 7 O 142/09

Zur Schätzung der Höhe des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie bei standardessentiellen Patenten, wenn der Patentinhaber standardisierte Lizenzbedingungen angeboten hat.

Aus der Urteilsbegründung:

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Lizenzgebühr auch nicht deshalb zu mindern, weil durch ihre Entrichtung eine Vielzahl standardessentieller Patente vergütet wird. Insoweit ergibt sich aus den der Schadensschätzung zugrunde gelegten Standardlizenzverträgen der Klägerin, dass die Stücklizenzgebühren in ihrer Höhe davon unabhängig ist, wie viele der essentiellen Patente für die Klägerin bestehen und von den Lizenznehmern benutzt werden. Diese Bedingungen sind daher auch der Berechnung des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie in Orientierung an den Standardlizenzverträgen der Klägerin zugrunde zu legen.

BGH, X ZR 49/09: Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit

BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 – X ZR 49/09 – Bundespatentgericht

Amtliche Leitsätze:

ZPO § 524:

Hat das Patentgericht die Nichtigkeitsklage als unbegründet abgewiesen, kann sich die Beklagte der Berufung des Nichtigkeitsklägers mit dem Ziel der Abweisung der Klage als unzulässig und der Begründung anschließen, der Kläger sei als Strohmann einer früheren Nichtigkeitsklägerin mit den von ihm erhobenen Einwendungen in gleichem Maße ausgeschlossen, wie diese selbst es wäre.

PatG § 4; EPÜ Art. 56

a) Hat der Stand der Technik vor dem Prioritätstag einer neuen Erfindung über lange Zeit stagniert, ist es eine Frage der Umstände des Einzelfalls (hier: zu verzeichnende lange Entwicklungszyklen auf dem betroffenen technischen Gebiet), ob dies darauf hindeutet, dass die neue Erfindung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht.

b) Der zum Ingenieur ausgebildete Fachmann bezieht in seine Recherche solchen gattungsfremden Stand der Technik ein, bei dem nach Art der sich dort stellenden Probleme vom Prinzip her Lösungen zu erwarten sind, wie er sie benötigt, auch wenn die Anforderungen im Detail durchaus erheblich differieren (hier: Maßnahmen zur Reibungsverminderung zwischen Maschinenelementen bei Vorrichtungen zum Formen und Komprimieren von Kabeln bzw. Bohrlochwerkzeugen zur Einführung von Rohrabschnitten in Bohrlöcher hinein einerseits und bei Zugeinheiten zum Ziehen metallischer Zugrohlinge andererseits).

BGH, X ZR 115/07: Zweckangabe im Patentanspruch

BGH, Urteil v. 6. Juli 2010 – X ZR 115/07

Aus der Urteilsbegründung:

Einer Zweckangabe kommt regelmäßig die Aufgabe zu, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist.

BGH, I ZB 62/09 – Marlene-Dietrich-Bildnis II: doch markenfähig

BGH, Beschluss vom 31. März 2010 – I ZB 62/09 – Marlene-Dietrich-Bildnis II

Amtliche Leitsätze:

a) Zeichen oder Angaben, die sonst als Werbemittel verwendet werden, ohne dass sie für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibend sind, kann nicht schon wegen einer solchen Verwendung die Eintragung als Marke versagt werden.

b) Bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist im Wege einer Prognose zu ermitteln, ob dem angemeldeten Zeichen von Haus aus Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zukommt. Dabei sind die in der betreffenden Branche bestehenden Verkehrsgepflogenheiten sowie – wenn das angemeldete oder ein ähnliches Zeichen bereits benutzt wird – die Kennzeichnungsgewohnheiten und die tatsächliche Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Die Wahrnehmung des Verkehrs, ob ein Zeichen im Einzelfall als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Ware oder Dienstleistung verstanden wird, kann auch dadurch beeinflusst werden, dass Marken bei den betreffenden Waren oder Dienstleistungen üblicherweise an bestimmten Stellen angebracht werden.

c) Einer Beschränkung der Marke darauf, dass der Schutz nur für die Anbringung des Zeichens an einer bestimmten Stelle begehrt wird (sogenannte Positionsmarke), bedarf es nicht, wenn – wie im Regelfall – praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten der Anbringung des Zeichens an verschiedenen Stellen auf oder außerhalb der Ware oder Dienstleistung in Betracht kommen, bei denen das Zeichen vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird.

Aus der Urteilsbegründung:

Lässt sich eine [solche] bereits bestehende Kennzeichnungspraxis nicht feststellen, genügt allein dieser Umstand als solcher dagegen nicht, um die Eignung des angemeldeten Zeichens, vom Verkehr als Herkunftshinweis vertanden zu werden, zu verneinen. Vielmehr bedarf es auch in diesem Fall der auf allgemeine Erfahrungssätze und den festgestellten Tatsachen gestützten Prognose darüber, wie das angemeldete Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen mutmaßlich wahrgenommen werden wird, wenn es – innerhalb der fünfjährigen Benutzungsschonfrist (vgl. § 49 MarkenG) -, wie vom Anmelder beabsichtigt, zur Kennzeichnung der betreffenden Waren oder Dienstleistungen benutzt wird.

Es genügt, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das angemeldete Zeichen bei den Waren und Dienstleistungen, für die es eingetragen werden soll, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird (BGH GRUR 2008, 1093 Tz. 22 – Marlene-Dietrich-Bildnis I, m.w.N.).

BGH, Xa ZR 126/07 – Klammernahtgerät: Ausführbarkeit der Erfindung

BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 – Xa ZR 126/07 – Klammernahtgerät

Amtlicher Leitsatz:

Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Es ist nicht erforderlich, dass mindestens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als solche unmittelbar und eindeutig offenbart ist.

BGH, I ZR 123/08 – Espressomaschine: Irreführende Preisangabe über ein Preisvergleichsportal

BGH, Urteil vom 11. März 2010 – I ZR 123/08 – Espressomaschine

Amtlicher Leitsatz:

Der durchschnittlich informierte Nutzer eines Preisvergleichsportals im Internet verbindet mit den ihm dort präsentierten Informationsangeboten vorbehaltlich klarer gegenteiliger Hinweise regelmäßig die Erwartung einer höchstmöglichen Aktualität. Er geht deshalb grundsätzlich davon aus, dass er das dort beworbene Produkt zu dem angegebenen Preis erwerben kann, und wird irregeführt, wenn der tatsächlich verlangte Preis nach einer Preiserhöhung auch nur für einige Stunden über dem im Preisvergleichsportal angegebenen Preis liegt.

siehe auch: Irreführende Angaben über Preis und Verkaufsmodalitäten