BGH, I ZR 4/06 – Millionen-Chance II: Ausnutzung der Spiellust

BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 – I ZR 4/06 – Millionen-Chance II

Amtliche Leitsätze:

a) Im Hinblick auf die erhebliche Anlockwirkung, die im Allgemeinen von einem an den Produktabsatz gekoppelten Preisausschreiben oder Gewinnspiel ausgeht, ist das Merkmal der Spürbarkeit (§ 3 Abs. 1 UWG) bei einer solchen Verkaufsförderungsmaßnahme in der Regel erfüllt. Bei der Regelung in §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2008 handelt es sich daher um ein generelles Verbot der Kopplung solcher Preisausschreiben und Gewinnspiele an ein Umsatzgeschäft, dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken entgegensteht (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – C-304/08, GRUR 2010, 244 = WRP 2010, 232 – Plus). Das generelle Verbot lässt sich insbesondere nicht damit rechtfertigen, dass die Kopplung solcher Preisausschreiben oder Gewinnspiele generell nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht.

b) Die Regelung in §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2008 ist in der Weise richtlinienkonform auszulegen, dass die Kopplung eines Preisausschreibens oder Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft nur dann unlauter ist, wenn sie im Einzelfall eine irreführende Geschäftspraxis darstellt (Art. 6 und 7 der Richtlinie) oder den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie).

OLG Karlsruhe, 6 U 66/09: standard-essentiellen Schutzrechte, FRAND-Grundsätze

OLG Karlsruhe Urteil vom 23.3.2011, 6 U 66/09

Amtliche Leitsätze:

1. Können die Verhandlungspartner über bestimmte Punkte eines Vertrags keine Einigung erzielen, kann ein Vorvertrag nur angenommen werden, wenn sie darin übereinstimmen, dass sie sich gleichwohl schon jetzt vertraglich binden wollen. Daran fehlt es, wenn sich die Parteien bereits in diesem Stadium hinsichtlich der noch offenen Fragen auf unvereinbare Standpunkte festgelegt haben.

2. Eine vorvertragliche Einigung erfordert, dass der Inhalt des Hauptvertrags, zu dessen Abschluss die Parteien sich verpflichten, bestimmbar ist. Die Einigung darauf, die Lizenzgebühr solle nach FRAND-Grundsätzen (fair, reasonable and non-discriminatory) bemessen sein, entspricht diesen Anforderungen jedenfalls dann nicht, wenn es um die Lizenz an einer Vielzahl von Patenten geht und im Tatsächlichen erheblicher Streit über die für die Lizenzbemessung maßgeblichen Umstände besteht.

3. Der Inhaber von standard-essentiellen Schutzrechten ist grundsätzlich nicht aus kartellrechtlichen Gründen gehindert, diese zu veräußern.

4. Weder § 20 GWB noch Art. 102 AEUV kann eine allgemeine Verpflichtung zur Meistbegünstigung entnommen werden. Ein Schutzrechtsinhaber, der in einem Einzelfall eine Lizenz gegen eine Einmalzahlung erteilt hat, ist nicht verpflichtet, einem anderen Lizenzsucher einen Lizenzvertrag zu den gleichen Bedingungen zu gewähren, sofern die für die Bemessung von Lizenzgebühren maßgeblichen Umstände nicht gleich liegen.

BGH, I ZR 46/09 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung

BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 – I ZR 46/09 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung

a) Ein Verbotsantrag kann hinreichend bestimmt sein, auch wenn er im Wesentlichen am Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG 2004 ausgerichtet und nur hinsichtlich des Begriffs der Einwilligung modifiziert ist.

b) Bei einem unverlangten Werbeanruf ist der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch nicht auf den Gegenstand des Werbeanrufs beschränkt, wenn bei dem Unternehmen, von dem der Werbeanruf ausgeht (etwa einem Callcenter), der Gegenstand der Werbung beliebig austauschbar ist.

BGH, X ZB 33/08 – Deformationsfelder: Einspruchsbefugnis

BGH, Beschluss vom 24. Januar 2011 – X ZB 33/08 – Deformationsfelder

Amtlicher Leitsatz:

Ist aus einem zwischen dem alleinigen Patentinhaber und einem Miterfinder geschlossenen Vertrag ein Dritter im Sinne von § 328 BGB zur Nutzung der patentgemäßen Lehre berechtigt, kann der Patentinhaber dem Einspruch des Dritten gegen das Patent nicht den gegen den Miterfinder grundsätzlich bestehenden Einwand der Treuwidrigkeit der Einspruchseinlegung entgegenhalten.

-> Einspruchsbefugnis

Patentrechtsreformen in Europa und in den USA

1) 8. März: Negatives Gutachten des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des geplanten EU-Patentgerichts mit Unionsrecht.

2) 10. März: Der Europäische Rat bewilligt dennoch den Vorschlag der EU-Kommission, ein Gemeinschaftspatent auf dem Weg der „verstärkten Zusammenarbeit“ zu schaffen.

3) 8. März: US-Senat bewilligt mit großer Mehrheit einen Entwurf für ein überarbeitetes US-Patentrecht bewilligt (siehe z.B. PatentlyO).

BPatG, 20 W (pat) 20/09 – Zusatzanmeldung

BPatG, Entscheidung v. 15. November 2010 – 20 W (pat) 20/09 – Zusatzanmeldung

1. Anders als in den Verfahren über Teilungs- oder Ausscheidungsanmeldungen haben Bescheide und Verwaltungsakte des Deutschen Patent- und Markenamts, die vor Einreichung einer Zusatzanmeldung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 PatG in Bezug auf die Hauptanmeldung ergangen sind, keine Geltung für das Verfahren über die Zusatzanmeldung. Das folgt aus dem notwendigen materiellen Unterschied zwischen Haupt- und Zusatzanmeldung.

2. Es verletzt den Anspruch des Zusatzanmelders auf rechtliches Gehör, wenn die Prüfungsstelle die Zusatzanmeldung zurückweist, ohne dem Anmelder – sei es im Wege eines Prüfungsbescheides gemäß § 45 PatG, sei es im Wege einer Anhörung gemäß § 46 Abs. 1 PatG – Gelegenheit zu geben, sich zu den Beanstandungen zu äußern, mit denen die Zurückweisung begründet wird. Das gilt auch dann, wenn die Zusatzanmeldung aus denselben Gründen zurückgewiesen wird, aus denen bereits die Haupt-anmeldung beanstandet worden war.

LG Mannheim, 7 O 100/10: FRAND-Erklärung, Orange-Book-Standard

LG Mannheim Urteil vom 18.2.2011, 7 O 100/10

Amtliche Leitsätze:

1. Der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist auch für den Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG eröffnet.

2. Ein Patent kann im Wege der Klageerweiterung auch in einem nach § 148 ZPO ausgesetzten Rechtsstreit geltend gemacht werden.

3. Die Wirkungen einer gegenüber einer Standardisierungsorganisation abgegebenen FRAND-Erklärung beurteilen sich aufgrund des Schutzlandprinzips nach dem Recht desjenigen Staates, für den das Schutzrecht erteilt ist.

4. Die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung Orange-Book-Standard (Urt. v. 06.05.2009 – KZR 39/06) aufgestellten Voraussetzungen, unter denen der aus einem Patent in Anspruch genommene Beklagte dem Unterlassungsbegehren des klagenden Patentinhabers den Einwand der Zwangslizenz entgegenhalten kann, müssen vom Beklagten auch dann erfüllt werden, wenn das Klagepatent für einen durch mehrere Marktteilnehmer geschaffenen Standard essentiell ist.

5. Angaben zu den Verkaufsstellen, für welche die patentgemäßen Erzeugnisse bestimmt waren, können auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie begehrt werden.

BGH, I ZR 157/08 – FSA-Kodex: Verstoß gegen Verbandsregeln

BGH, Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 157/08 – FSA-Kodex

Amtlicher Leitsatz:

Ein Verhalten, das gegen einen Verhaltenskodex eines Unternehmensverbandes verstößt, stellt nicht bereits deshalb eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG dar.

Aus der Urteilsbegründung:

Für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als unlauter im Sinne von § 3 UWG 2004 bzw. § 3 Abs. 1 UWG 2008 zu beurteilen ist, haben Regeln, die sich ein Verband oder ein sonstiger Zusammenschluss von Verkehrsbeteiligten gegeben hat, nur eine begrenzte Bedeutung. Ihnen kann zwar unter Umständen entnommen werden, ob innerhalb der in Rede stehenden Verkehrskreise eine bestimmte tatsächliche Übung herrscht. Aus dem Bestehen einer tatsächlichen Übung folgt aber noch nicht, dass ein von dieser Übung abweichendes Verhalten ohne weiteres als unlauter anzusehen ist. Der Wettbewerb würde in bedenklicher Weise beschränkt, wenn das Übliche zur Norm erhoben würde. Regelwerken von (Wettbewerbs-)Verbänden kann daher allenfalls eine indizielle Bedeutung für die Frage der Unlauterkeit zukommen, die aber eine abschließende Beurteilung anhand der sich aus den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ergebenden Wertungen nicht ersetzen kann.

OLG Köln, 6 U 112/10: Irreführende Werbung mit Prädikaten eines Konsumententests

OLG Köln, Urt. v. 10.12.2010 – 6 U 112/10

Aus der Urteilsbegründung:

Der Verkehr erwartet von einer werblich besonders herausgestellten Aussage, dass diese der Erwähnung wert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16.11.2009 – 6 W 130/09 und Urteil vom 18.2.2009 – 6 W 5/09).

Auf einen „Konsumenten-Test“ trifft dies nur dann zu, wenn er seriös durchgeführt worden ist und die Ergebnisse daher repräsentativ sind. Dabei kann das Ergebnis zwar durchaus die subjektiven Einschätzungen von Verbrauchern wiederspiegeln. In diesem Fall muss aber zum einen das subjektive Element des Tests in der Werbung deutlich gemacht werden und zum anderen muss die von den Verbrauchern abgegebene Bewertung ausschließlich auf Eigenschaften des Produkts beruhen und daher von äußeren Umständen unbeeinflusst sein. Dabei obliegt es dem Werbenden, entsprechende (notwendigerweise pauschale) Behauptungen des Wettbewerbers durch einen substantiierten und nachprüfbaren Vortrag zu entkräften (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5 Rdn. 3.23).

Es fehlt jedoch an einem Verfügungsgrund. Die Antragstellerin hat, indem sie die frühere Werbung für Geschirrspülmaschinenreiniger unbeanstandet gelassen hat, die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt.