BGH, I ZR 114/13 – PINAR

BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 114/13 – PINAR

Amtliche Leitsätze:

a) Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung in einer von der Eintragung der Marke abweichenden Form im Sinne von § 26 Abs. 3 MarkenG können ausnahmsweise die für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zu einer gespaltenen Ver-kehrsauffassung herangezogen werden. Dies ist gerechtfertigt, wenn feststellbar ist, dass der Gebrauch des Kennzeichens gegenüber einem objektiv abgrenzbaren Verkehrskreis erfolgt, wie dies bei einem bestimm-ten Sprachkreis der Fall ist.

b) Wird die eingetragene Marke mit einem Zusatz verbunden, der in der türkischen Sprache das vertriebene Produkt beschreibt (hier: Sosis), ist von einer rechtserhaltenden Nutzung durch das zusammengesetzte Kennzeichen (hier: Pinar Sosis) auszugehen, wenn die Produkte in Deutschland weit überwiegend in türkischen Lebensmittelgeschäften an der türkischen Sprache mächtige Kunden vertrieben werden.

BGH, I ZR 124/11 – Videospiel-Konsolen II

BGH, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 124/11 – Videospiel-Konsolen II

Amtliche Leitsätze:

a) Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines Videospiels, das aus einem Computerprogramm und aus anderen urheberrechtlich geschützten Werken besteht, sind nach § 95a UrhG geschützt.

b) Eine im Sinne von § 95a Abs. 2 UrhG wirksame technische Maßnahme zum Schutz von Videospielen kann darin bestehen, dass Karten, auf denen die Videospiele gespeichert sind, und die Konsole, auf der diese Videospiele gespielt werden, in ihren Abmessungen so aufeinander abgestimmt werden, dass ausschließlich die auf diesen Karten gespeicherten Videospiele auf der Konsole gespielt werden können und ein Abspielen unbefugt vervielfältigter Videospiele auf der Konsole verhindert wird („Schlüssel-Schloss-Prinzip“).

c) Wirksame technische Maßnahmen im Sinne von § 95a Abs. 2 UrhG sind nur dann nach § 95a UrhG geschützt, wenn ihr Einsatz den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt und legale Nutzungsmöglichkeiten nicht in übermäßiger Weise beschränkt.

d) Bei der Beurteilung, ob Vorrichtungen im Sinne von § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG „hauptsächlich“ für den Zweck entworfen oder hergestellt worden sind, die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen, kommt es entscheidend
auf die objektive Zweckbestimmung dieser Vorrichtungen an, die sich in ihrer tatsächlichen Verwendung zeigt.

e) Ein Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG verletzt weder das Urheberrecht noch ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht im Sinne von § 97 Abs. 1 Satz 1, § 98 Abs. 1 Satz 1 UrhG (Fortführung von BGH, Urteil vom 17. Juli
2008 – I ZR 219/05, GRUR 2008, 996 = WRP 2008, 1149 – Clone-CD).

f) Speichermedien, die noch nicht zur Vornahme von Vervielfältigungen verwendet worden sind („Leermedien“), sind weder Vervielfältigungsstücke im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 1 UrhG noch Vorrichtungen im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 UrhG, die
zur Herstellung solcher Vervielfältigungsstücke gedient haben. Auf Leermedien ist § 98 Abs. 1 Satz 2 UrhG auch nicht entsprechend anwendbar.

g) Ein Geschäftsführer kann bei einer Verletzung absoluter Rechte durch die von ihm vertretene Gesellschaft persönlich als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt und dabei zumutbare Verhaltenspflichten verletzt (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Juni 2014 – I ZR 242/12, BGHZ 201, 344 – Geschäftsführerhaftung).

BGH, I ZR 1/11 – Parfumflakon III

BGH, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 1/11 – Parfumflakon III

Amtliche Leitsätze:

a) Die Annahme einer Verletzungshandlung im Sinne von Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 setzt ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte der Mitgliedstaaten, in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet.

b) An dem internationalen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO können neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung auch Nebenansprüche auf Auskunftserteilung geltend gemacht werden.

c) Die Annahme einer internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO für eine auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützte Klage unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs setzt voraus, dass nach dem Vortrag des Klägers ein Wettbewerbsverstoß, der einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat, nicht ausgeschlossen ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, aus dem sich ein Wettbewerbsverstoß ergibt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die

BGH, X ZR 37/13 – Bildstrom

BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – X ZR 37/13 – Bildstrom

Amtlicher Leitsatz:

Anweisungen, die zwar die (visuelle) Informationswiedergabe betreffen, bei denen aber nicht die Vermittlung bestimmter Inhalte oder deren Vermittlung in besonderer Aufmachung im Blickpunkt steht, sondern die Präsentation von Bildinhalten in einer Weise, die auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt und darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der gezeigten Informationen durch den Menschen in bestimmter Weise überhaupt erst zu ermöglichen, zu verbessern oder zweckmäßig zu gestalten, dienen der Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln (Weiterführung von BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 – X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen und vom 23. April 2013 – X ZR 27/12, GRUR 2013, 909 – Fahrzeugnavigationssystem).

BGH, I Z R 6 7 / 1 1 – Hohlkammerprofilplatten

BGH, Versäumnisurteil vom 27. November 2014, I ZR 67/11 – Hohlkammerprofilplatten

Amtlicher Leitsatz:

Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 1, 3, 13 Abs. 6 UWG aF setzte auch
dann ein Handeln zu Wettbewerbszwecken voraus, wenn die Pflichtverletzung
in der Lieferung eines Bauprodukts bestand, das der dafür bestehenden allgemeinen
bauaufsichtlichen Zulassung nicht entsprach.

BGH, I ZR 113/13 – Bezugsquellen für Bachblüten

BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – I ZR 113/13 – Bezugsquellen für Bachblüten

Amtlicher Leitsatz:

Weist ein Unternehmen auf seiner Internetseite im Zusammenhang mit Angaben zu einer bestimmten Therapie (hier: Original Bach-Blütentherapie) auf die „Original Produkte“ zu dieser Therapie hin und hält es für den Verbraucher einen elektronischen Verweis (Link) im Rahmen des Internetauftritts bereit, der zum Angebot der „Original Produkte“ eines bestimmten Herstellers führt, liegt eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor.

BGH, I ZR 177/13 – Möbelkatalog

BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 177/13 – Möbelkatalog

Amtliche Leitsätze:

a) Die Schutzschranke gemäß § 57 UrhG erfasst auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG.

b) Die Prüfung, ob ein Werk gemäß § 57 UrhG unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ist, setzt zunächst die Bestimmung dieses Hauptgegenstandes voraus. Wird ein Gemälde zusammen mit zum Verkauf stehenden Möbeln in einer Fotografie und diese Fotografie im Verkaufskatalog des Möbelherstellers und auf seiner Internetseite abgebildet, ist der Hauptgegenstand im Regelfall nicht der gesamte Möbelkatalog oder der gesamte Internetauftritt des Anbieters, sondern die konkrete Fotografie.

c) Ein Werk ist im Verhältnis zum Hauptgegenstand unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffällt oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird.

d) Darüber hinaus ist ein Werk als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine auch noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist. Eine derart nebensächliche Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in das Hauptwerk oder den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst – etwa für eine Film- oder Theaterszene – charakteristisch ist.

BGH, I ZR 91/13 – STAYER

BGH, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 91/13 – STAYER

Amtliche Leitsätze:

a) Für die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Inland reicht die reine Durchfuhr im Ausland gekennzeichneter Ware durch Deutschland nicht aus. Dies gilt auch für eine international registrierte Marke.

b) Die Kennzeichnung von Exportware im Inland kann für eine rechtserhaltende Benutzung genügen. Diese setzt nicht voraus, dass es sich bei dem im Ausland ansässigen Abnehmer um ein vom Markeninhaber unabhängiges Unternehmen handelt.

c) Wird eine Marke rechtserhaltend für Waren benutzt, die unter zwei Oberbegriffe des Warenverzeichnisses fallen, ist der umfassendere Oberbegriff zu löschen.

BGH, I ZR 129/13: Schlafzimmer komplett

BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – I ZR 129/13 – Schlafzimmer komplett

Amtliche Leitsätze:

a) Eine nicht weiter erläuterte Werbung für Schlafzimmereinrichtungen mit der hervorgehobenen Angabe „KOMPLETT“ (hier: komplett Drehtürenschrank Doppelbett Nachtkonsolen) und der Abbildung eines Bettes mit Matratze erweckt
beim Verbraucher den Eindruck, das Angebot umfasse ein Bett mit Lattenrost und Matratze.

b) Eine objektiv unzutreffende Aussage, die blickfangmäßig herausgestellt ist, kann auch ohne Sternchenhinweis durch klarstellende Angaben im weiteren Text aufgeklärt werden, wenn der Verbraucher sich vor einer geschäftlichen Entscheidung mit dem gesamten Text befassen wird.

BGH, X ZR 161/12 – Wundbehandlungsvorrichtung

BGH, Urteil vom 17. Februar 2015 – X ZR 161/12 – Wundbehandlungsvorrichtung

Amtlicher Leitsatz:

Ein mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes europäisches Patent ist nicht deshalb für nichtig zu erklären [-> Widerruf wegen unzulässiger Erweiterung], weil der Patentanspruch ein Merkmal enthält, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, sofern dieses Merkmal zu einer Beschränkung des Schutzgegenstands und nicht zu einem Aliud führt. Bei der Prüfung der Patentfähigkeit ist das nichtursprungsoffenbarte Merkmal insoweit außer Betracht zu lassen, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf (Fortführung von BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – Xa ZB 14/09, GRUR 2011, 40 Rn. 18 ff. – Winkelmesseinrichtung; Urteil vom 21. Juni 2011 – X ZR 43/09, GRUR 2011, 1003 Rn. 24 ff. – Integrationselement).

Aus der Urteilsbegründung:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu deutschen Patenten und Gebrauchsmustern müssen solche Schutzrechte, wenn ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, nicht für nichtig erklärt oder gelöscht werden, sofern die Änderung in der Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals besteht, die zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. Dagegen ist die Nichtigerklärung oder Löschung nicht zu vermeiden, wenn die Änderung dazu führt, dass der Gegenstand der Anmeldung gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu einem Aliud abgewandelt wird (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2000
– X ZR 184/98, GRUR 2001, 140 – Zeittelegramm; Beschluss vom 21. Oktober 2010 – Xa ZB 14/09, GRUR 2011, 40 – Winkelmesseinrichtung; Urteil vom 21. Juni 2011 – X ZR 43/09, GRUR 2011, 1003 – Integrationselement; Beschluss vom 6. August 2013 – X ZB 2/12, GRUR 2013, 1135 – Tintenstrahldrucker). Die Frage, ob diese Rechtsprechung auch auf europäische Patente Anwendung findet, hat der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 19 – Winkelmesseinrichtung). Sie ist – entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts (Urteil vom 8. April 2014, Mitt. 2014, 436 – Fettabsaugevorrichtung) – zu bejahen.

Der angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die Überlegung zugrunde, dass die unzulässige Änderung des Gegenstands des Patents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen dessen Widerruf oder Nichtigerklärung nicht erfordert, wenn den berechtigten Interessen Dritter, insbesondere der Wettbewerber des Patentinhabers, und der Öffentlichkeit durch weniger schwerwiegende Maßnahmen Rechnung getragen werden kann.

Danach ist der Widerruf oder die Nichtigerklärung des Patents nicht geboten, wenn der Gegenstand des Patents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen in unzulässiger Weise verallgemeinert worden ist. In diesem Fall kann die unzulässige Erweiterung dadurch behoben werden, dass die unzulässige Verallgemeinerung aus dem Patentanspruch gestrichen wird (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 14 – Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 19 – Integrationselement; ebenso EPA, Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 2. Februar 1994 – G 1/93, GRUR Int. 1994, 842 Rn. 11 – beschränkendes Merkmal/Advanced Semiconductor Products).

Der Widerruf oder die Nichtigerklärung des Patents ist andererseits unumgänglich, wenn die Hinzufügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals dazu führt, dass der Patentanspruch des erteilten Patents eine andere Erfindung zum Gegenstand hat als die ursprüngliche Anmeldung, wenn das Patent also etwas schützt, das gegenüber dem der Fachwelt durch die ursprünglichen Unterlagen Offenbarten ein „Aliud“ darstellt (BGH, GRUR 2001, 140, 141 – Zeittelegramm; BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 21 – Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 27 – Integrationselement; BGH, GRUR 2013, 1135 Rn. 16 – Tintenstrahldrucker). Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen geänderten Anspruchs gefährdete die Rechtssicherheit für Dritte, die darauf vertrauen dürfen, dass aus der Patentanmeldung kein Patent hervorgeht, das einen weiteren oder anderen Gegenstand hat als denjenigen, der in der Anmeldung offenbart worden ist. Die Aufrechterhaltung eines mit dem Einspruch oder der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patents mit der Maßgabe, dass das in Rede stehende Merkmal im Patentanspruch verbleibt, der Patentinhaber daraus aber keine Rechte herleiten kann, scheidet in einem solchen Fall aus, weil sie dazu führen würde, dass das Patent in der Fassung nach dem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren einen anderen Gegenstand hätte als ursprungsoffenbart (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 23 – Winkelmesseinrichtung)

Der Widerruf oder die Nichtigerklärung eines Patents ist dagegen nicht erforderlich, wenn die Einfügung eines Merkmals, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. In einem solchen Fall wird den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit dadurch Rechnung getragen, dass das einschränkende Merkmal im Patentanspruch verbleibt und zugleich dafür gesorgt wird, dass im Übrigen aus der Änderung Rechte nicht
hergeleitet werden können, insbesondere das nicht offenbarte Merkmal bei der Prüfung der Patentfähigkeit insoweit außer Betracht zu lassen ist, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf (BGH, GRUR 2001, 140, 142 f. – Zeittelegramm; BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 16 – Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 24 – Integrationselement; BGH, GRUR 2013, 1135 Rn. 16 – Tintenstrahldrucker).

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht nicht in Widerspruch zu den Regelungen des Europäischen Patentübereinkommens.

Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts führt die Aufnahme eines einschränkenden, in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals in den Patentanspruch regelmäßig zum Widerruf des Patents nach Art. 123 Abs. 2, 100 Buchstabe c EPÜ. Falle ein solches Merkmal unter Art. 123 Abs. 2 EPÜ, könne es weder im Patent beibehalten noch ohne Verstoß gegen Art. 123 Abs. 3 EPÜ aus den Ansprüchen gestrichen werden. Das Patent könne nur dann – ausnahmsweise – aufrechterhalten werden, wenn die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eine Grundlage dafür biete, dass die einschränkenden Merkmale ohne Verstoß gegen Art. 123 Abs. 3 EPÜ durch andere ersetzt werden könnten (Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 2. Februar 1994 – G 1/93, GRUR Int. 1994, 842 Rn. 12 f. – beschränkendes Merkmal/Advanced Semiconductor Products).

Bundespatentgericht und Bundesgerichtshof wenden bei der Entscheidung über die Nichtigerklärung eines europäischen Patents, das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist, nicht Art. 123 Abs. 2 und 3 EPÜ an, sondern entscheiden auf der Grundlage von Art. II § 6 IntPatÜbkG. Mit der Schaffung dieser Norm hat der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Gründe für die Nichtigerklärung eines europäischen Patents für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe von Art. 138 EPÜ aufzuführen. Nach Art. 138 EPÜ kann ein europäisches Patent – vorbehaltlich des Art. 139 EPÜ – nur aus den dort abschließend aufgeführten Gründen für nichtig erklärt werden. Die Norm steht damit zwar einer Entscheidung des nationalen Gerichts entgegen, durch die ein europäisches Patent auch dann für nichtig erklärt wird, wenn keiner der in Art. 138 EPÜ aufgeführten Gründe vorliegt. Sie eröffnet aber die Möglichkeit, dass das nationale Gericht auch bei Vorliegen eines solchen Grundes von der Nichtigerklärung des Patents absieht, ohne sich damit in Widerspruch zu Art. 123 EPÜ zu setzen, wie er von der Großen Beschwerdekammer verstanden wird.

Ein solches Absehen von der Nichtigerklärung ist auch bei einem europäischen Patent angezeigt, wenn die Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht oder nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt.