Design-Nichtigkeitsverfahren

Der Design-Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts hat mittlerweile eine erste Leitsatzentscheidung (Beschluss v. 08.09.2016, 30 W (pat) 801/16) zum im Jahr 2014 neu eingeführten patentamtlichen Design-Nichtigkeitsverfahren erlassen. Der erkennende Senat hat entschieden, dass die Nichtigkeit des Designs durch förmlichen Beschluss festzustellen oder zu erklären ist, wenn dem Design-Nichtigkeitsantrag nicht oder nicht rechtzeitig widersprochen wird. In einem solchen Fall erfolgt keine sachliche Prüfung des Nichtigkeitsantrags auf der Basis des Vorbringens des Antragstellers. Ein erstmaliger Sachvortrag des Antragsgegners zum Vorliegen der Schutzvoraussetzungen des Designs in der Beschwerdeinstanz ist unbehelflich, wenn der rechtzeitige Widerspruch gegen den Design-Nichtigkeitsantrag im patenamtlichen Verfahren versäumt wurde.

BGH, I ZR 226/14: Kraftfahrzeugfelgen

BGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 – I ZR 226/14 – Kraftfahrzeugfelgen

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 110
Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001
über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. Nr. L 3 vom 5. Januar 2002)
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Anwendung der Schutzschranke im Sinne von Art. 110 Abs. 1 der
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 auf formgebundene, das heißt solche Teile beschränkt,
deren Form durch das Erscheinungsbild des Gesamterzeugnisses
prinzipiell unveränderlich festgelegt und damit vom Kunden nicht – wie etwa
Felgen von Kraftfahrzeugen – frei wählbar ist?

2. Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:
Ist die Anwendung der Schutzschranke im Sinne von Art. 110 Abs. 1 der
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 allein auf das Angebot von identisch gestalteten,
also auch farblich und in der Größe den Originalerzeugnissen entsprechenden
Erzeugnissen beschränkt?

3. Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:
Greift die Schutzschranke im Sinne von Art. 110 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 6/2002 zugunsten des Anbieters eines grundsätzlich das Klagemuster
verletzenden Erzeugnisses nur dann ein, wenn dieser Anbieter objektiv sicherstellt,
dass sein Erzeugnis ausschließlich zu Reparaturzwecken und
nicht auch zu anderen Zwecken, etwa der Aufrüstung oder der Individualisierung
des Gesamterzeugnisses erworben werden kann?

4. Falls die Frage 3 bejaht wird:
Welche Maßnahmen muss der Anbieter eines grundsätzlich das Klagemuster
verletzenden Erzeugnisses ergreifen, um objektiv sicherzustellen, dass sein
Erzeugnis ausschließlich zu Reparaturzwecken und nicht auch zu anderen
Zwecken, etwa der Aufrüstung oder der Individualisierung des Gesamterzeugnisses
erworben werden kann? Reicht es aus,

a) dass der Anbieter in den Verkaufsprospekt einen Hinweis aufnimmt, dass
ein Verkauf ausschließlich zu Reparaturzwecken erfolgt, um das ursprüngliche
Erscheinungsbild des Gesamterzeugnisses wiederherzustellen oder

b) ist es erforderlich, dass der Anbieter eine Belieferung davon abhängig
macht, dass der Abnehmer (Händler und Verbraucher) schriftlich erklärt,
das angebotene Erzeugnis allein zu Reparaturzwecken zu verwenden?

BGH, I ZR 40/14 – Armbanduhr

BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 – I ZR 40/14 – Armbanduhr

Amtlicher Leitsatz:

Für die Beurteilung des Gesamteindrucks im Sinne von § 38 Abs. 2 Satz 1 DesignG kommt es maßgeblich darauf an, wie der informierte Benutzer ein Erzeugnis, in das das Design aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung wahrnimmt. Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, welchen Eindruck ein solches Erzeugnis bei seiner Präsentation in der Werbung und im Verkauf beim informierten Benutzer erweckt.

BPatG, 30 W (pat) 703/13 – DE-Flagge

BPatG, Beschl. v. 22. Januar 2015 – 30 W (pat) 703/13 – DE-Flagge

Amtliche Leitsätze:

1. Der in Art. 6ter Abs. 1 PVÜ verwendete Begriff der „Nachahmung im heraldischen Sinn“ ist im Hinblick auf die relative Unbestimmtheit der dort genannten Zeichen nicht zu eng auszulegen.

2. Eine missbräuchliche Benutzung eines Hoheitszeichens oder dessen Nachahmung kann ausgeschlossen sein, wenn das Design selbst das Hoheitszeichen oder dessen Nachahmung zusammen mit weiteren Merkmalen zeigt, die jeden amtlichen Anschein zerstreuen (im Anschluss an BGH GRUR 2003, 705 – Euro-Billy; GRUR 2003, 707 – DM-Tassen; GRUR 2003, 708 – Schlüsselanhänger). Erschöpft sich dagegen ein Design in der Wiedergabe eines Hoheitszeichens oder einer Nachahmung hiervon, ist auch von einer missbräuchlichen Benutzung auszugehen; unbedenkliche Gebrauchszwecke des Designs können nur berücksichtigt werden, wenn sie im Design selbst Niederschlag gefunden haben.

BGH: Beweislast für Inhaberschaft an nicht eingetragenem Gemeinschaftsgeschmacksmuster

In dem Urteil in der Sache I ZR 23/12 – Bolerojäckchen hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof entschieden, dass derjenige, der Rechte aus einem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass er Inhaber des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist. Die Partei muss somit beweisen, dass sie Entwerferin oder Rechtsnachfolgerin des Entwerfers oder, falls der Entwerfer in einem Arbeitsverhältnis stand, Arbeitgeberin des Entwerfers ist.

Die Tatsache, dass die Klägerin ein Geschmacksmuster erstmalig der Öffentlichkeit innerhalb der Union zugänglich gemacht hat, begründet keine Vermutung dahingehend, dass sie auch die Inhaberin des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist.

BGH: Schutzumfang des Gemeinschaftsgeschmacksmusters

In dem Urteil vom 12. Juli 2012, I ZR 102/11 – Kinderwagen II befasst sich der I. Zivilsenat des BGH erneut mit dem Schutzumfang von Gemeinschaftsgeschmacksmustern.

Dabei betont der BGH erneut den schon in der Untersetzer-Entscheidung aufgestellten Grundsatz, dass der Schutzumfang nicht nur von der Musterdichte abhängt, sondern auch davon, wie deutlich sich das Klagemustervon diesem Formenschatz unterscheidet. Entsprechend lautet der zweite Leitsatz: „Der Schutzumfang des Klagemusters wird durch die Musterdichte bei den fraglichen Erzeugnissen einerseits und die Ausnutzung des Gestaltungsspielraums durch den Entwerfer und den dadurch erreichten Abstand des Klagemusters vom Formenschatz andererseits bestimmt.“

Neu gegenüber der Untersetzer-Entscheidung ist, dass der BGH nunmehr anscheinend eine Gewichtung von Merkmalen des Klagemusters abhängig davon vornehmen möchte, inwieweit es sich dabei um im einschlägigen Gebiet weithin bekannte Gestaltungsmerkmale handelt. So wird in Rz. 62 des Kinderwagen II-Urteils ausgeführt: „Der informierte Benutzer wird diesem Merkmal [bestimmte Applikationen, Anm.], das ihm von anderen Mustern bekannt ist, allenfalls geringe Bedeutung für den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster beimessen.“

Abzuwarten bleibt, wie eine Gewichtung von Einzelmerkmalen eines Musters in der Instanzrechtsprechung erfolgen kann. Die Beurteilung der Eigenart erfolgt auf einem Einzelvergleich mit jeweils einem Muster des Formenschatzes. Wie beispielsweise schon Ruhl in den Anmerkungen zur Entscheidung „Verlängerte Limousinen“ (GRUR 2010, 692, 695) betont, ist daher eine Berücksichtigung von Übereinstimmungen des Klagemusters mit Elementen des Formenschatzes im Verletzungsverfahren zumindest schwierig.

Praxisnah ist die – ebenfalls zum Leitsatz erhobene – Aussage des Kinderwagen II-Urteils, dass auch Unterschiede in technisch bedingten Merkmalen zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck führen können.

BPatG, 10 W (pat) 701/09 – Folienbeutelaufdrucke

BPatG, Urteil v. 21. August 2012 – 10 W (pat) 701/09 – Folienbeutelaufdrucke

Amtlicher Leitsatz:

Ein angemeldetes Muster, das nahezu ausschließlich aus der Abbildung einer 100 Euro-Banknote besteht, ist wegen missbräuchlicher Benutzung eines Hoheitszeichens bzw. sonstigen Zeichens von öffentlichem Interesse nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GeschmMG vom Geschmacksmusterschutz ausgeschlossen. Der mögliche Gebrauchszweck des Musters (hier: Aufdruck auf Folienbeutel, der zur Aufnahme von Flüssigkeiten bestimmt ist) ist, auch wenn hierdurch ein hinreichender Abstand zum hoheitlichen Zeichen gewahrt wäre, bei der Frage der Missbräuchlichkeit nicht zu berücksichtigen, soweit dieser nicht im Muster selbst abgebildet ist.

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