Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BPatG, 21 W (pat) 308/08 – Optische Inspektion von Rohrleistungen

BPatG, Entsch. v. 13. April 2011  – 21 W (pat) 308/08 – Optische Inspektion von Rohrleistungen

Amtliche Leitsätze:

1. Dass ein Einsprechender nach Erlöschen des Patents kein eigenes Rechtsschutzbedürfnis geltend gemacht hat, führt regelmäßig zur Erledigung des Einspruchsverfahrens.

2. Der Annahme einer Erledigung steht nicht entgegen, dass das Patent nicht widerrufen und damit das Ziel des Einspruchsverfahren nicht erreicht oder der Erteilungsbeschluss nicht mit Wirkung ex tunc beseitigt worden wäre, ebenso wenig ein Fortbestand des Allgemeininteresses. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Patentinhaber gegenüber der Allgemeinheit eine Freistellungserklärung abgibt.

(im Anschluss an BGH GRUR 1997, 615 ff – Vornapf; BPatGE 51, 128 ff – Radauswuchtmaschine, in Abgrenzung zu BPatG, Beschluss vom 20. Oktober 2010,

BGH, I ZR 108/09 – TÜV: Alternative Klagehäufung

BGH, Beschluss vom 24. März 2011 – I ZR 108/09 – TÜV

Amtliche Leitsätze:

a) Die alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl  überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt  gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen.

b) Hat der Kläger mehrere Klagegründe im Wege einer alternativen Klagehäufung verfolgt, kann er die gebotene Bestimmung der Reihenfolge, in der er die prozessualen Ansprüche geltend machen will, noch in der Berufungs- oder der Revisionsinstanz nachholen.

c) Nimmt der Kläger die Bestimmung erst  in der Revisionsinstanz vor, kann der auch im Prozessrecht geltende  Grundsatz von Treu und Glauben den Kläger in der Wahl der Reihenfolge in der Weise beschränken, dass er zunächst die vom Berufungsgericht behandelten Streitgegenstände zur Entscheidung des Revisionsgerichts stellen muss.

BGH, I ZR 50/09 – Einwilligungserklärung für Werbeanrufe

BGH, Urteil vom 14. April 2011 – I ZR 50/09 – Einwilligungserklärung für Werbeanrufe

Amtlicher Leitsatz:

Die auf einer Teilnahmekarte für ein Gewinnspiel unter der Rubrik „Telefonnummer“ enthaltene Angabe

„Zur Gewinnbenachrichtigung und für weitere interessante telefonische Angebote
der … GmbH aus dem Abonnementbereich, freiwillige Angabe, das Einverständnis kann jederzeit widerrufen werden“

genügt nicht dem Transparenzgebot des § 4 Nr. 5 UWG.

BGH, X ZR 28/09 – Nichtigkeitsstreitwert

BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – X ZR 28/09 – Nichtigkeitsstreitwert

a) Der Gegenstandswert des Patentnichtigkeitsverfahrens wird durch den gemeinen Wert des Patents bei Klageerhebung zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen bestimmt.

b) Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts kann von dem Streitwert eines auf das Streitpatent gestützten Verletzungsprozesses ausgegangen werden, der regelmäßig das Interesse des Nichtigkeitsklägers an der Nichtigerklärung  des Patents widerspiegelt. Dem Umstand, dass der gemeine Wert des Patents in der Regel über  dieses Individualinteresse hinausgeht, ist bei der Wertfestsetzung mangels anderweitiger Anhaltspunkte dadurch Rechnung zu tragen, dass der Gegenstandswert um ein Viertel höher als der Streitwert des
Verletzungsprozesses angenommen wird.

BGH, X ZR 86/10 – Cinch-Stecker: Ansprüche des Lizenzgebers im Falle einer Patentverletzung

BGH, Urteil vom 5. April 2011 – X ZR 86/10 – Cinch-Stecker

Amtliche Leitsätze:

a) Dem Inhaber eines Patents, der einem Dritten eine ausschließliche Lizenz erteilt hat, stehen im Falle einer Patentverletzung eigene Ansprüche gegen den Verletzer zu, wenn ihm aus der  Lizenzvergabe fortdauernde materielle Vorteile erwachsen.

b) Die für eine Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht erforderliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Patentinhaber aus der geltend gemachten Verletzungshandlung ein eigener Schaden entstanden ist, liegt in der Regel vor, wenn der Patentinhaber an der Ausübung der Lizenz durch den Lizenznehmer wirtschaftlich partizipiert (Bestätigung von BGH, Urteil vom 20. Mai 2008 – X ZR 180/05, BGHZ 176, 311 Rn. 26 ff. – Tintenpatrone).

c) Für eine wirtschaftliche Partizipation in diesem Sinne genügt es, wenn der Patentinhaber als alleiniger Gesellschafter des Lizenznehmers an dessen Gewinn beteiligt ist.

d) Der Anspruch des Patentinhabers auf Ersatz eines solchen Schadens ist grundsätzlich darauf gerichtet, dass der Lizenznehmer in seinem Vermögen so gestellt wird, wie er ohne die Schutzrechtsverletzung stehen würde.

BGH, X ZB 1/10 – Modularer Fernseher: Anspruch auf rechtliches Gehör

BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – X ZB 1/10 – Modularer Fernseher

Amtlicher Leitsatz:

Hält das Patentgericht den Gegenstand eines mit dem Einspruch angegriffenen Patents im Hinblick auf eine Entgegenhaltung für nahegelegt, die bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden  ist und in der Einspruchsbegründung zwar angeführt, aber eher beiläufig behandelt wird, reicht es zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör grundsätzlich aus, wenn dem Patentinhaber in  der mündlichen Verhandlung ein entsprechender Hinweis erteilt wird. 

BGH, I ZR 174/08 – Änderung der Voreinstellung III: zur Unternehmerhaftung für Wettbewerbshandlungen des Vertriebspartners

BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 174/08 – Änderung der Voreinstellung III

Amtlicher Leitsatz:

Anbieter von Telefondienstleistungen, die nicht über ein eigenes Netz verfügen und die sich daher hinsichtlich der von ihnen angebotenen Leistung bei Netzbetreibern eindecken müssen (sog. Reseller), handeln im Verhältnis zu Endkunden nicht als Beauftragte der Netzbetreiber (§ 8 (2) UWG -> Unternehmerhaftung), die ihnen die benötigten Netzdienstleistungen als Vorprodukt zur Verfügung stellen.

BGH, I ZB 81/09 – Yoghurt-Gums: Teilverzicht auf die Marke, Rechtliches Gehör

BGH, Beschluss vom 9. September 2010 – I ZB 81/09 – Yoghurt-Gums

Amtliche Leitsätze:

a) Ein Teilverzicht auf die Marke kann auch im Löschungsverfahren nicht bedingt erklärt werden.

b) Sieht der Markeninhaber in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht von der Erklärung eines Teilverzichts auf die Marke durch eine Beschränkung des Warenverzeichnisses ab, weil das Gericht die Erklärung eines Teilverzichts auch noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung als grundsätzlich unbedenklich bezeichnet, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn der rechtliche Hinweis des Gerichts nicht hinreichend klar erkennen lässt, dass es nach Schluss der mündlichen Verhandlung lediglich einen Teilverzicht berücksichtigen will,  der sich auf eine bloße Streichung einzelner Begriffe des Waren- oder Dienstleistungsverzeichnisses beschränkt.

BGH, X ZB 43/08 – Schweißheizung: Widerrechtliche Entnahme

BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – X ZB 43/08 – Schweißheizung

Amtliche Leitsätze:

PatG § 21 Abs. 1 Nr. 3

Das Patent ist wegen widerrechtlicher Entnahme auch dann zu widerrufen, wenn sein Gegenstand nicht patentfähig ist.

PatG § 46 Abs. 1, 2; § 59 Abs. 4

a) Unter Beteiligten i.S.v. § 46 Abs. 1 PatG sind die jeweiligen Verfahrensbeteiligten zu verstehen (Anmelder, Patentinhaber, Einsprechende).

b) Hören die Prüfungsstelle im Erteilungs- oder die Patentabteilung im Einspruchsverfahren Verfahrensbeteiligte formlos an, ist dies in der Niederschrift über den Gang der Verhandlung zu vermerken. Eine inhaltliche Protokollierung kann auch bei einer solchen formlosen Anhörung bei umfangreicheren tatsächlichen Angaben, die für die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erheblich sind, angezeigt sein.

c) Ein nicht am Einspruchsverfahren Beteiligter (hier: ein  Miterfinder) ist als Zeuge zu vernehmen. Seine Aussage ist zu protokollieren