Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, I ZR 191/08 – AnyDVD

BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 – I ZR 191/08 – AnyDVD

Amtlicher Leitsatz:

Sind in einem im Internet veröffentlichten, seinem übrigen Inhalt nach dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit  unterfallenden Beitrag elektronische Verweise (Links) auf fremde Internetseiten in der Weise eingebettet, dass sie einzelne Angaben des Beitrags belegen oder diese durch zusätzliche Informationen ergänzen sollen, so werden auch diese Verweise von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst.

Aus der Urteilsbegründung:

Der beanstandete Link in den Beiträgen des Beklagten auf die Internetseite von SlySoft gehört in diesem Sinne zum nach Art. 11 EU-Grundrechtecharta, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geschützten Bereich der freien Berichterstattung. Er beschränkt sich nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, auf eine bloß technische Erleichterung für den Aufruf der betreffenden Internetseite. Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, erschließt ein Link vergleichbar einer Fußnote zusätzliche Informationsquellen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 15 – Paperboy).

Indem das Berufungsgericht diesen informationsverschaffenden Charakter des Links auf der einen Seite und seine in der Erleichterung des Aufrufs der verlinkten Internetseite bestehende technische Funktion auf der anderen Seite als zwei gesondert zu würdigende Aspekte betrachtet, berücksichtigt es nicht hinreichend, welche Bedeutung den vom Beklagten gesetzten Links auf fremde Internetseiten nach dem Gesamteindruck der  beanstandeten Beiträge vom 19. und 28. Januar sowie vom 9. Februar 2005 für das Recht auf freie Berichterstattung zukommt. 

BGH, I ZR 127/09 – Kunstausstellung im Online-Archiv

BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 – I ZR 127/09 – Kunstausstellung im Online-Archiv

Amtlicher Leitsatz:

Wird im Rahmen der Online-Berichterstattung über eine Veranstaltung berichtet, bei der urheberrechtlich geschützte Werke wahrnehmbar werden (hier: Bericht über eine Ausstellungseröffnung), dürfen Abbildungen dieser Werke nur so lange als Teil dieser Berichterstattung im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, wie die Veranstaltung noch als Tagesereignis angesehen werden kann.

Aus der Urteilsbegründung:

Bei der Beurteilung der Aktualität des Ereignisses ist danach zu unterscheiden, ob die beanstandete Verwertungshandlung punktuell oder permanent in Rechte des Urhebers eingreift. Ein Eingriff in das Urheberrecht bedarf stets so lange einer Rechtfertigung, wie er andauert. Besteht der Eingriff in einer punktuellen Handlung, wie etwa bei einer Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes, so muss er zum Zeitpunkt dieser Handlung gerechtfertigt sein. Handelt es sich bei dem Eingriff dagegen um eine Dauerhandlung, wie bei einer öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes (Schricker/v. Ungern-Sternberg, Urheberrecht, 4. Aufl., § 19a UrhG Rn. 44), muss er während des gesamten Zeitraums dieser Handlung gerechtfertigt sein. Zur Berichterstattung über ein Ereignis durch Einstellen eines Beitrags ins Internet ist das öffentliche Zugänglichmachen von Werken, die im Verlauf dieses Ereignisses wahrnehmbar werden, daher nur so lange nach § 50 UrhG in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig, wie das Ereignis, über das berichtet wird, noch als ein Tagesereignis anzusehen ist.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Aktualität einer Kunstausstellung es rechtfertigt, zur Berichterstattung über die Kunstausstellung ausgestellte Kunstwerke abzubilden, ist daher danach zu unterscheiden, ob die Kunstwerke dabei vervielfältigt und verbreitet oder ob sie öffentlich zugänglich gemacht werden. Bei einer Vervielfältigung und Verbreitung der Kunstwerke durch deren Abbildung in einer Tageszeitung und den Vertrieb dieser Tageszeitung muss die Aktualität der Kunstausstellung allein zum Zeitpunkt der Vervielfältigung und Verbreitung gegeben sein. Werden die Kunstwerke dagegen dadurch öffentlich zugänglich gemacht, dass die mit Abbildungen der Kunstwerke illustrierten Zeitungsartikel in ein Online-Archiv im Internet eingestellt werden, muss die Aktualität der Kunstausstellung nicht nur zum Zeitpunkt des Einstellens ins Online-Archiv gegeben sein, sondern während der gesamten Dauer des Bereithaltens im Internet fortbestehen.

BGH, I ZR 4/06 – Millionen-Chance II: Ausnutzung der Spiellust

BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 – I ZR 4/06 – Millionen-Chance II

Amtliche Leitsätze:

a) Im Hinblick auf die erhebliche Anlockwirkung, die im Allgemeinen von einem an den Produktabsatz gekoppelten Preisausschreiben oder Gewinnspiel ausgeht, ist das Merkmal der Spürbarkeit (§ 3 Abs. 1 UWG) bei einer solchen Verkaufsförderungsmaßnahme in der Regel erfüllt. Bei der Regelung in §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2008 handelt es sich daher um ein generelles Verbot der Kopplung solcher Preisausschreiben und Gewinnspiele an ein Umsatzgeschäft, dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken entgegensteht (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – C-304/08, GRUR 2010, 244 = WRP 2010, 232 – Plus). Das generelle Verbot lässt sich insbesondere nicht damit rechtfertigen, dass die Kopplung solcher Preisausschreiben oder Gewinnspiele generell nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht.

b) Die Regelung in §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2008 ist in der Weise richtlinienkonform auszulegen, dass die Kopplung eines Preisausschreibens oder Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft nur dann unlauter ist, wenn sie im Einzelfall eine irreführende Geschäftspraxis darstellt (Art. 6 und 7 der Richtlinie) oder den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie).

OLG Karlsruhe, 6 U 66/09: standard-essentiellen Schutzrechte, FRAND-Grundsätze

OLG Karlsruhe Urteil vom 23.3.2011, 6 U 66/09

Amtliche Leitsätze:

1. Können die Verhandlungspartner über bestimmte Punkte eines Vertrags keine Einigung erzielen, kann ein Vorvertrag nur angenommen werden, wenn sie darin übereinstimmen, dass sie sich gleichwohl schon jetzt vertraglich binden wollen. Daran fehlt es, wenn sich die Parteien bereits in diesem Stadium hinsichtlich der noch offenen Fragen auf unvereinbare Standpunkte festgelegt haben.

2. Eine vorvertragliche Einigung erfordert, dass der Inhalt des Hauptvertrags, zu dessen Abschluss die Parteien sich verpflichten, bestimmbar ist. Die Einigung darauf, die Lizenzgebühr solle nach FRAND-Grundsätzen (fair, reasonable and non-discriminatory) bemessen sein, entspricht diesen Anforderungen jedenfalls dann nicht, wenn es um die Lizenz an einer Vielzahl von Patenten geht und im Tatsächlichen erheblicher Streit über die für die Lizenzbemessung maßgeblichen Umstände besteht.

3. Der Inhaber von standard-essentiellen Schutzrechten ist grundsätzlich nicht aus kartellrechtlichen Gründen gehindert, diese zu veräußern.

4. Weder § 20 GWB noch Art. 102 AEUV kann eine allgemeine Verpflichtung zur Meistbegünstigung entnommen werden. Ein Schutzrechtsinhaber, der in einem Einzelfall eine Lizenz gegen eine Einmalzahlung erteilt hat, ist nicht verpflichtet, einem anderen Lizenzsucher einen Lizenzvertrag zu den gleichen Bedingungen zu gewähren, sofern die für die Bemessung von Lizenzgebühren maßgeblichen Umstände nicht gleich liegen.

BGH, I ZR 46/09 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung

BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 – I ZR 46/09 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung

a) Ein Verbotsantrag kann hinreichend bestimmt sein, auch wenn er im Wesentlichen am Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG 2004 ausgerichtet und nur hinsichtlich des Begriffs der Einwilligung modifiziert ist.

b) Bei einem unverlangten Werbeanruf ist der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch nicht auf den Gegenstand des Werbeanrufs beschränkt, wenn bei dem Unternehmen, von dem der Werbeanruf ausgeht (etwa einem Callcenter), der Gegenstand der Werbung beliebig austauschbar ist.

BGH, X ZB 33/08 – Deformationsfelder: Einspruchsbefugnis

BGH, Beschluss vom 24. Januar 2011 – X ZB 33/08 – Deformationsfelder

Amtlicher Leitsatz:

Ist aus einem zwischen dem alleinigen Patentinhaber und einem Miterfinder geschlossenen Vertrag ein Dritter im Sinne von § 328 BGB zur Nutzung der patentgemäßen Lehre berechtigt, kann der Patentinhaber dem Einspruch des Dritten gegen das Patent nicht den gegen den Miterfinder grundsätzlich bestehenden Einwand der Treuwidrigkeit der Einspruchseinlegung entgegenhalten.

-> Einspruchsbefugnis

Patentrechtsreformen in Europa und in den USA

1) 8. März: Negatives Gutachten des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des geplanten EU-Patentgerichts mit Unionsrecht.

2) 10. März: Der Europäische Rat bewilligt dennoch den Vorschlag der EU-Kommission, ein Gemeinschaftspatent auf dem Weg der „verstärkten Zusammenarbeit“ zu schaffen.

3) 8. März: US-Senat bewilligt mit großer Mehrheit einen Entwurf für ein überarbeitetes US-Patentrecht bewilligt (siehe z.B. PatentlyO).

BPatG, 20 W (pat) 20/09 – Zusatzanmeldung

BPatG, Entscheidung v. 15. November 2010 – 20 W (pat) 20/09 – Zusatzanmeldung

1. Anders als in den Verfahren über Teilungs- oder Ausscheidungsanmeldungen haben Bescheide und Verwaltungsakte des Deutschen Patent- und Markenamts, die vor Einreichung einer Zusatzanmeldung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 PatG in Bezug auf die Hauptanmeldung ergangen sind, keine Geltung für das Verfahren über die Zusatzanmeldung. Das folgt aus dem notwendigen materiellen Unterschied zwischen Haupt- und Zusatzanmeldung.

2. Es verletzt den Anspruch des Zusatzanmelders auf rechtliches Gehör, wenn die Prüfungsstelle die Zusatzanmeldung zurückweist, ohne dem Anmelder – sei es im Wege eines Prüfungsbescheides gemäß § 45 PatG, sei es im Wege einer Anhörung gemäß § 46 Abs. 1 PatG – Gelegenheit zu geben, sich zu den Beanstandungen zu äußern, mit denen die Zurückweisung begründet wird. Das gilt auch dann, wenn die Zusatzanmeldung aus denselben Gründen zurückgewiesen wird, aus denen bereits die Haupt-anmeldung beanstandet worden war.

LG Mannheim, 7 O 100/10: FRAND-Erklärung, Orange-Book-Standard

LG Mannheim Urteil vom 18.2.2011, 7 O 100/10

Amtliche Leitsätze:

1. Der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist auch für den Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG eröffnet.

2. Ein Patent kann im Wege der Klageerweiterung auch in einem nach § 148 ZPO ausgesetzten Rechtsstreit geltend gemacht werden.

3. Die Wirkungen einer gegenüber einer Standardisierungsorganisation abgegebenen FRAND-Erklärung beurteilen sich aufgrund des Schutzlandprinzips nach dem Recht desjenigen Staates, für den das Schutzrecht erteilt ist.

4. Die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung Orange-Book-Standard (Urt. v. 06.05.2009 – KZR 39/06) aufgestellten Voraussetzungen, unter denen der aus einem Patent in Anspruch genommene Beklagte dem Unterlassungsbegehren des klagenden Patentinhabers den Einwand der Zwangslizenz entgegenhalten kann, müssen vom Beklagten auch dann erfüllt werden, wenn das Klagepatent für einen durch mehrere Marktteilnehmer geschaffenen Standard essentiell ist.

5. Angaben zu den Verkaufsstellen, für welche die patentgemäßen Erzeugnisse bestimmt waren, können auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie begehrt werden.