Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, I ZR 230/11 – Biomineralwasser

BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11 – Biomineralwasser

Amtliche Leitsätze:

a) Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage bildet die konkrete Verletzungsform den Streitgegenstand, wenn mit der Klage ein entsprechendes Unterlassungsbegehren verfolgt wird. Der Streitgegenstand umfasst in diesem Fall – unabhängig davon, ob der Kläger sich auf diese Rechtsverletzung gestützt und den zu dieser Rechtsverletzung gehörenden Tatsachenvortrag gehalten hat – alle Rechtsverletzungen, die in der konkreten Verletzungsform verwirklicht sind, auch wenn die verschiedenen Verletzungen jeweils einen unterschiedlichen Tatsachenvortrag erfordern. Entsprechendes gilt, wenn dem Beklagten mit der Unterlassungsklage unabhängig vom konkreten Umfeld die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung untersagt werden soll (Aufgabe von BGH, Urteil vom 8. Juni 2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 = WRP 2001, 28 dentalästhetika I; Urteil vom 13. Juli 2006 I ZR 222/03, GRUR 2007, 161 Rn. 9 = WRP 2007, 66 dentalästhetika II).

Dem Kläger steht es aber frei, mehrere in einer konkreten Verletzungsform oder mit der Verwendung einer bestimmten Bezeichnung verwirklichte Rechtsverletzungen im Wege der kumulativen Klagehäufung jeweils gesondert anzugreifen.

b) Die Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“ stellt keine irreführende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar, wenn sich das fragliche Mineralwasser von anderen Mineralwässern dadurch abhebt, dass der Anteil an Rückständen und Schadstoffen besonders niedrig ist. Der Verkehr erwartet von einem unter der Bezeichnung „Biomineralwasser“ vertriebenen Mineralwasser auch nicht, dass es sich um eine staatlich verliehene und überprüfte Zertifizierung handelt.

c) Das Gebot des § 3 Abs. 1 Nr. 1 LMKV, beim Inverkehrbringen von natürlichem Mineralwasser diese Verkehrsbezeichnung anzugeben, steht der zusätzlichen Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“ nicht entgegen.

d) Das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG, ein Erzeugnis mit einer dem Öko-Kennzeichen nachgemachten, zu Fehlvorstellung verleitenden Kennzeichnung in Verkehr zu bringen, stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar.

BGH, X ZR 7/12 – Rohrmuffe: Besichtigungsanspruch, Urkundenvorlage, Augenschein

BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2012 X ZR 7/12 – Rohrmuffe

Amtliche Leitsätze:

Im Patentverletzungsprozess lässt sich allein aus § 286 ZPO nicht die Pflicht des Gerichts herleiten, gemäß §§ 142 ff. ZPO die Begutachtung eines Gegenstandes anzuordnen, der sich in der Verfügungsgewalt der nicht beweisbelasteten Partei oder eines Dritten befindet.

Im Patentverletzungsprozess ist das Gericht allenfalls dann verpflichtet, gemäß § 142 ZPO die Vorlage einer Urkunde durch die nicht beweisbelastete Partei anzuordnen, wenn die Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch des Gegners aus § 140c PatG erfüllt sind (Bestätigung von BGH, Urteil vom 1. August 2006 – X ZR 114/03, BGHZ 169, 30 = GRUR 2006, 962 Rn. 36 ff. – Restschadstoffentfernung).

Für eine auf § 144 ZPO gestützte Anordnung, die Begutachtung eines Gegenstandes anzuordnen, der sich in der Verfügungsgewalt der nicht beweisbelasteten Partei oder eines Dritten befindet, gilt nichts anderes.

BGH, I ZR 199/10 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung

BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 199/10 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung

Amtliche Leitsätze:

a) Die Stellung mehrerer nahezu identischer Unterlassungsanträge, die sich auf kerngleiche Verletzungshandlungen beziehen und ohne inhaltliche Erweiterung des begehrten Verbotsumfangs zu einer Vervielfachung des Streitwerts führen, kann ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch sein.

b) Hat der Gläubiger den Schuldner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, ist eine zweite Abmahnung wegen desselben oder eines kerngleichen Wettbewerbsverstoßes nicht im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG berechtigt.

BPatG, ZA (pat) 46/12 – Kosten des Privatgutachtens

BPatG, Beschl. v. 30. Oktober 20125 – ZA (pat) 46/12 (zu 5 Ni 33/09 (EU))

Amtlicher Leitsatz:

Bei der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Privatsachverständigen im Nichtigkeitsberufungsverfahren
ist auch dann der allgemein strenge Maßstab anzuwenden, wenn der Bundesgerichtshof
bei einer vor dem 1.10.2009 erhobenen Klage im Berufungsverfahren von der
Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen abgesehen hat.

BPatG, 4 Ni 15/10 (EU) – Unterdruckwundverband

BPatG, Urteil v. 3. Juli 2012 – 4 Ni 15/10 (EU) – Unterdruckwundverband

Amtliche Leitsätze:

1. Ein im Nichtigkeitsverfahren wegen unzulässiger Erweiterung einer Teilanmeldung nach Art. 138 Abs. 1 Buchst c EPÜ angegriffenes europäisches Patent ist für nichtig zu erklären, wenn die Teilanmeldung über den Inhalt der Stammanmeldung hinausgeht und zu einer anderen Lehre, einem Aliud, geführt hat.

2. Ein aus einer Teilanmeldung hervorgegangenes europäisches Patent kann im Nichtigkeitsverfahren mit geänderten Ansprüchen nur zulässig beschränkt verteidigt werden, wenn die verteidigte Fassung auch den Anforderungen des Art. 76 Abs. 1 EPÜ für eine zulässige Teilanmeldung genügt.

3. Die Frage, ob im Rahmen der sich aus Art. 123 Abs. 2 und 3 EPÜ ergebenden Beschränkungen des Änderungsrechts auch bei europäischen Patenten der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu nationalen Patenten gefolgt werden kann, wonach trotz unzulässiger Erweiterung der Anmeldung (Stammanmeldung) durch Aufnahme eines beschränkenden Merkmals das Patent erhalten werden kann (BGH GRUR 2011, 40, Tz. 18 – Winkelmesseinrichtung, ebenfalls zur Teilanmeldung; GRUR 2001, 140, Tz. 40 – Zeittelegramm) bedarf jedenfalls dann keiner Klärung, wenn die unzulässige Erweiterung zu einem Aliud geführt hat.

BGH, X ZR 10/10: Kniehebelklemmvorrichtung

BGH, Urteil vom 25. September 2012 – X ZR 10/10

Besteht aus fachmännischer Sicht Anlass, im Rahmen der technischen Weiterentwicklung einer Vorrichtung eine bestimmte Konstruktion in Erwägung zu ziehen, und bedarf es deshalb hierfür keiner erfinderischen Tätigkeit, führt allein das Verharren bei dieser Konstruktion auch dann nicht zu einer anderen Bewertung, wenn erkennbare Nachteile der erwogenen Konstruktion dem Fachmann eine konkrete Anregung geben könnten, bei dieser nicht stehen zu bleiben.

BGH, I ZR 182/11: Metall auf Metall II

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 210/2012 zu Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 182/11 – Metall auf Metall II

Aus der Pressemitteilung:

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass es unzulässig ist, die auf einem fremden Tonträger aufgezeichneten Töne oder Klänge im Wege der sogenannten freien Benutzung für eigene Zwecke zu verwenden, wenn es einem durchschnittlichen Musikproduzenten möglich ist, eine gleichwertige Tonaufnahme selbst herzustellen.

BGH, X ZR 58/07: Patentierung von Zellen, die aus menschlichen Stammzellen hergestellt werden

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 198/2012 vom 27. November 2012

Aus der Pressemitteilung:

Der für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Patentierung von Zellen entschieden, die aus menschlichen Stammzellen hergestellt werden.

Der EuGH hat mit Urteil vom 18. Oktober 2011 (C-34/10 – Brüstle/Greenpeace) unter anderem entschieden, dass jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an ein „menschlicher Embryo“ im Sinne der Richtlinie ist, dass der Patentierungsausschluss sich auch auf die Verwendung von menschlichen Embryonen zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung bezieht und dass eine Erfindung nach Art. 6 der Richtlinie auch dann von der Patentierung ausgeschlossen ist, wenn in der Beschreibung der beanspruchten technischen Lehre die Verwendung menschlicher Embryonen nicht erwähnt ist, die technische Lehre, die Gegenstand des Patentantrags ist, aber die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen oder deren Verwendung als Ausgangsmaterial erfordert.

Den Einsatz von menschlichen embryonalen Stammzellen als solchen hat der Bundesgerichtshof nicht als Verwendung von Embryonen im Sinne der Richtlinie qualifiziert. Stammzellen weisen nicht die Fähigkeit auf, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen. Dass sie unter Umständen durch Kombination mit bestimmten anderen Zellen in einen Zustand versetzt werden können, in dem sie über die genannte Fähigkeit verfügen, reicht nicht aus, um sie schon vor einer solchen Behandlung als Embryonen ansehen zu können.