Mitteilung der Pressestelle Nr. 134/2012
Der Bundesgerichtshof hat gestern über die Revision der Beklagten in einem Patentverletzungsverfahren verhandelt und entschieden, das zu einer mehrere Verfahren umfassenden Klageserie gehört. Die mit den Klagen geltend gemachten Patente betreffen Verfahren und Vorrichtungen zur Kodierung, Übertragung, Speicherung und Dekodierung von Videosignalen, wie sie beim Herstellen und Abspielen von DVD nach dem internationalen MPEG-2-Standard Verwendung finden. Alle Kläger haben ihre Klagepatente in einen Patentpool eingebracht. Die Beklagte, ein großer, in Griechenland ansässiger DVD-Produzent, hat nicht den von der Poolgesellschaft angebotenen weltweiten Standard-Poollizenzvertrag abgeschlossen. Die Einräumung von der Beklagten stattdessen begehrten national begrenzten Pool-Lizenzen wurde von der Poolgesellschaft abgelehnt. Da die Beklagte auch keine nationalen Einzellizenzverträge mit den jeweiligen Patentinhabern abgeschlossen hat, die Patentinhaber aber den Verdacht hatten, dass die Beklagte von den Klagepatenten in Deutschland gleichwohl Gebrauch machte, veranlassten die Klägerin und weitere Patentinhaber im Jahre 2007 von Deutschland aus eine gemeinsame Testbestellung bei der Beklagten. Hierzu übersandte eine Testbestellerin einen DVD-Master an die Beklagte, die daraus die gewünschten 500 DVD fertigte und an die Testbestellerin in Deutschland sandte. Daraufhin erhob die Klägerin Patentverletzungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten hat der u.a. für Patentstreitigkeiten zuständige X. Zivilsenat nunmehr die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte auf Schadensersatz und Auskunft über den Umfang patentverletzender Handlungen in Anspruch genommen wurde. Der Bundesgerichtshof hat mit dem Oberlandesgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht, da mit der Klage die Verletzung eines in Deutschland geltenden Patents durch eine Lieferung in das Inland geltend gemacht wird. In der Sache hat er die von der Beklagten hergestellten DVD als Erzeugnisse angesehen, die im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG* unmittelbar durch das ein Kodierungsverfahren betreffende patentgemäße Verfahren hervorgebracht worden sind. Unmittelbares Verfahrenserzeugnis ist danach die durch das Kodierungsverfahren erzeugte, im MPEG-2-Format komprimierte Videodatenfolge, deren Charakteristika bei der Übertragung auf das Masterband sowie die weiteren technischen Zwischenformen der DVD-Herstellung (Glass-Master, Stamper) und bei der Pressung der einzelnen DVD erhalten bleiben. Gleichwohl hat die Beklagte mit der Herstellung der DVD das Patent nicht verletzt, da der DVD-Master durch die (von der Klägerin als Testbestellung veranlasste) Lieferung an die Beklagte mit Zustimmung der Klägerin in den Verkehr gebracht worden und das Patentrecht insoweit erschöpft (verbraucht) worden ist. Gerade weil nämlich der DVD-Master wie jede einzelne auf dieser Basis hergestellte DVD ein und dasselbe unmittelbare Verfahrenserzeugnis verkörpern, kann auch hinsichtlich der Erschöpfung nicht zwischen der Lieferung des Masterbandes (mit Zustimmung der Klägerin) und der (Rück-)Lieferung der DVD (ohne Zustimmung der Klägerin) unterschieden werden.
Über den auf dieselbe Testbestellung gestützten Unterlassungsanspruch hatte der Bundesgerichtshof nicht mehr zu entscheiden, da das Klagepatent im vergangenen Jahr abgelaufen ist. Im Rahmen der Kostenentscheidung hat der Senat jedoch berücksichtigt, dass die DVD-Lieferung der Beklagten wegen der Erschöpfung des Patentrechts zwar keinen Schadensersatzanspruch zur Folge hat, jedoch künftige Verletzungen des Klagepatents drohten. Da die Beklagte nicht wusste, dass die Bestellung von der Patentinhaberin veranlasst war, begründete die auftragsgemäße Lieferung die Gefahr, dass sie auch Bestellungen Dritter ausführte, auch wenn diese ebenso wenig wie die Testbestellerin nachwiesen, zur Benutzung des patentgemäßen Kodierungsverfahrens berechtigt zu sein, und damit einen Unterlassungsanspruch nach § 139 Abs. 1 PatG*** unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr.
Schließlich hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass in der Lieferung der von der Beklagten gepressten DVD entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts keine „mittelbare Verletzung“ eines weiteren Anspruchs der Klagepatents lag, das auf ein Dekodierungsverfahren gerichtet war, wie es in einem Wiedergabegerät ausgeführt wird, das nach dem MPEG-2-Standard kodierte Videodaten auslesen kann. Bei einer im MPEG-2-Standard kodierten DVD handelt es sich nämlich nicht um ein „Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht“ im Sinne des § 10 PatG**. Die DVD trägt nicht, wie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, zur Verwirklichung der Erfindung, d.h. in diesem Fall der Dekodierung der Videodaten, bei, sondern stellt nur den Gegenstand dar, an dem sich die Dekodierung vollzieht. Der Bundesgerichtshof konnte deshalb offenlassen, ob Ansprüche wegen mittelbarer Verletzung auch deshalb ausscheiden, weil § 10 PatG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Patentgefährdungstatbestand enthält, der Handlungen verbietet, die – ohne selbst patentverletzend zu sein – die Gefahr patentverletzender Handlungen durch patentgemäße Verwendung der „Mittel“ begründen, und es im Streitfall zu einer unmittelbaren Patentverletzung nur in dem fernliegenden Fall hätte kommen können, dass die DVD in einem nicht-lizenzierten Videowiedergabegerät abgespielt worden wäre.