BGH, I ZB 13/11 – Neuschwanstein: Kein Freihaltebedürfnis wegen überragendem kulturellem Wert

BGH, Beschluss vom 8. März 2012 – I ZB 13/11 – Neuschwanstein

Amtliche Leitsätze:

a) Fasst der Verkehr die aus dem Namen einer Sehenswürdigkeit (hier: Schloss Neuschwanstein) gebildete Marke (hier: Neuschwanstein) im Zusammenhang mit Waren, die typischerweise als Reiseandenken oder -bedarf vertrieben werden, nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Produktkennzeichen auf, fehlt der Marke jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

b) Allein der Umstand, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Umfeld einer Sehenswürdigkeit an Touristen vertrieben oder für sie erbracht werden können, rechtfertigt nicht die Annahme, einer aus dem Namen der Sehenswürdigkeit gebildeten Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

c) Einer Marke fehlt nicht deshalb jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, weil es sich um die Bezeichnung eines bedeutenden Kulturguts handelt.

d) Das Bundespatentgericht ist nicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG in Verbindung mit § 139 ZPO verpflichtet, den Markeninhaber im Löschungsverfahren auf die Sachdienlichkeit einer Einschränkung des Waren- oder Dienstleistungsverzeichnisses hinzuweisen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist die Entscheidung des Bundespatentgerichts daher auch nicht aufzuheben, um dem Markeninhaber Gelegenheit zur Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses zu geben.

Aus der Urteilsbegründung:

Liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht vor, kann der Marke nicht wegen eines allgemein von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG losgelösten Freihaltebedürfnisses oder einer dem Urheberrecht entlehnten Gemeinfreiheit der Schutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt oder entzogen werden.

Da nicht auszuschließen ist, dass die Annahme fehlender Unterscheidungskraft durch das Bundespatentgericht vom Gedanken eines allgemeinen Freihaltebedürfnisses an der Bezeichnung von Gegenständen mit überragendem kulturellen Wert beeinflusst worden ist, kann die Entscheidung auch insoweit keinen Bestand haben.

Auf die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers ist der angefochtene Beschluss unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise aufzu-heben und die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG). Dieses wird die erforderlichen Feststellungen zur Beurteilung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG insoweit nachzuholen und auch zu prüfen haben, ob für die noch in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen beispielsweise für Transportwesen ein Freihal-tebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht oder die Voraussetzungen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG vorliegen.

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