BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 – X ZR 154/11
Amtlicher Leitsatz:
Bei einem unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft kann ein Dritter aufgrund des von ihm erzeugten Rechtsscheins, er sei Mitinhaber des Unternehmens, für die Erfüllung des darauf beruhenden Vertrags haften.
Aus der Urteilsbegründung:
Bei >unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Inhaber des Unternehmens, in dessen Tätigkeitsbereich das rechtsgeschäftliche Handeln fällt, und nicht der für das Unternehmen Handelnde der Vertragspartner werden soll (vgl. BGH, Urteile vom 3. Februar 1975 – II ZR 128/73, BGHZ 64, 11, 14; vom 15. Januar 1990, aaO unter II 1.; vom 18. Mai 1998 – II ZR 355/95, NJW 1998, 2897 unter 2 a; vom 18. Dezember 2007 – X ZR 137/04, NJW 2008, 1214 Rn. 11; jeweils mwN). Damit wird bezweckt, dass – abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall einer an das Unternehmen zu leistenden vertragscharakteristischen Leistung – für die Erfüllung einer vertraglichen, insbesondere einer vertragscharakteristischen Leistung der Rechtsträger des Unternehmens verpflichtet wird, der aufgrund der zu ihm gehörenden Vermögensgüter und seiner sonstigen vertraglichen Beziehungen die hinreichenden Mittel und Möglichkeiten hat, um diese Leistung erfüllen zu können. Die Erfüllung des Vertrags soll nicht daran scheitern, dass der Vertrag eine Person verpflichtet, der diese Mittel und Möglichkeiten fehlen. Weiterhin bezweckt dieser Auslegungsgrundsatz, jemanden, der als Stellvertreter handeln wollte, vor einer Verpflichtung als Vertragspartner zu bewahren, wenn er seine Vertreterstellung nicht ausdrücklich hervorgehoben hat, der Unternehmensbezug des Rechtsgeschäfts aber hinreichend deutlich zu erkennen war (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Februar 1975, aaO).
Dem Auslegungsgrundsatz zur personellen Zuordnung unternehmensbezogener Rechtsgeschäfte steht indessen eine Haftung aus Rechtsscheinsgründen nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1990, aaO unter II 2.; vom 18. Mai 1998, aaO unter II 2 b). Die zusätzliche Haftung dessen, der selbst einen Rechtsschein für die Stellung als Vertragspartner gesetzt hat oder für den ein solcher, ihm zuzurechnender Rechtsschein gesetzt wurde, mindert nicht die Erfüllbarkeit einer vom Rechtsgeschäft vorgesehenen Leistung, weil das hierfür vorgesehene Unternehmen als Vertragspartner verpflichtet bleibt. In diesen Fällen kann der kraft Rechtsschein Verpflichtete sich nicht darauf berufen, dass ein in Wahrheit als Vertreter Handelnder bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften vor einer Verpflichtung als Vertragspartner geschützt werden soll, denn dieser Schutz soll ihm nicht erlauben, einen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichenden Rechtsschein zu erwecken.
Dementsprechend ist in der Rechtsprechung die Rechtsscheinhaftung insbesondere für die Fälle einer Scheinsozietät anerkannt, wonach der als Sozius auftretende Scheinsozius für die Verpflichtungen der Sozietät ebenso haftet wie die wahren Inhaber der Sozietät (vgl. BGH, Urteile vom 11. März 1955 – I ZR 82/53, BGHZ 17, 13, 15; vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 359; vom 16. April 2008 – VIII ZR 230/07, NJW 2008, 2330 Rn. 10 mwN).