Rezension: The Knockoff Economy
In ihrem Buch „The Knockoff Economy“ (Oxford University Press 2012) beschäftigen sich Kal Raustiala und Christopher Sprigman, zwei US-Rechtswissenschaftler, mit der Wechselwirkung zwischen Innovation und (gesetzlich zulässiger) Nachahmung. Passend lautet der Untertitel „how imitation sparks innovation“.
Ausgangspunkt des Buchs sind Untersuchungen der Autoren zu den Verhaltensweisen von Marktteilnehmern in bestimmten Branchen, in denen gewerblich Schutzrechte und urheberrechtlicher Schutz nicht existieren oder faktisch nicht durchsetzbar sind. Kernaussage des Buchs ist, dass das Fehlen von Monopolrechten nicht immer dazu führt, dass Innovationen unterbleiben, und dass Innovationszyklen sogar dadurch schneller getrieben werden können, dass es an gesetzlich normierten Nutzungsmonopolen fehlt.
Die Autoren arbeiten in unterhaltsamer Weise anhand von zahlreichen Beispielen die Umstände heraus, die hohe Innovativität bei fehlendem Schutz gegen Kopien hervorbringen können. Innovationen werden nach den Autoren beispielsweise – trotz der Kopierfreudigkeit von Wettbewerbern – begünstigt durch
– kurze Produktzyklen gekoppelt mit der Bereitschaft der Kunden, aus Statusgründen das hochpreisige Original zu kaufen (Beispiel: Mode),
– die Bedeutung der handwerklichen Eigenschaften des „Herstellers“, die exakte Kopien unmöglich machen (Beispiel: erstklassige Köche),
– die Bereitschaft der Abnehmer, nicht in erster Linie für das Produkt selbst, sondern (zumindest auch) für damit verbundene Erfahrungen (Beispiel: Ambiente einer Bar oder eines Lokals) oder für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung des Produkts (Beispiel: Beratungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung von Open Source-Software) zu zahlen,
– starke Marktvorteile des ursprünglichen Anbieters („first-mover advantage“) (Beispiel: Finanzprodukte),
– soziale Normen der in der jeweiligen Branche Tätigen, die zu einer faktischen Ächtung von Plagiatoren führen (Beispiele: Komiker, Magier), oder
– schöpferische Tätigkeit, die aus Altruismus, als Hobby oder zu Ausbildungszwecken erbracht wird (Beispiele: Programmierwettbewerbe, Open Source-Software).
Besonders gut hat mir an diesem Buch gefallen, dass es erstens sehr überzeugend und unterhaltsam geschrieben ist; zweitens, und noch viel wichtiger, dass es sich eben nicht um eine borniert einseitige Stellungnahme gegen gewerbliche Schutzrechte handelt, sondern dass die Autoren in sachlicher und nachvollziehbarer Weise begründen, dass und warum in bestimmten Bereichen jedenfalls nicht mehr gesetzlicher Schutz für Innovation nötig ist. Ungerechtfertigte Verallgemeinerungen auf nicht von ihnen untersuchte Fragestellungen vermeiden die Autoren. Dadurch hebt sich dieses Buch beispielsweise sehr wohltuend von der Darstellung „Against Intellectual Monopoly“ von Boldrin und Levine ab.
Als Fazit wird man festhalten dürfen, dass die Untersuchungen von Raustiala und Sprigman keinerlei Gründe aufzeigen, außerhalb der von den Autoren untersuchten Branchen Schutzrechte zu begrenzen. Insbesondere kann die Belohnungstheorie weiterhin Geltung als Rechtfertigung für Patentrechte beanspruchen, nämlich insbesondere dann, wenn identische Kopien leicht verfügbar sind (ein realistisches Szenario, wenn Original und Kopie in derselben Fabrik in Fernost gefertigt werden), Abnehmer nicht aus Statusgründen hochpreisige Produkte bevorzugen (was für die gesamte Zulieferindustrie relevant ist, bei der die Identität des Zulieferers dem Endkunden unbekannt bleibt) und/oder der Anbieter nicht die Möglichkeit hat, ihm durch Kopien seines Produkts entstehende Verluste durch Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Produkt auszugleichen.
Eine sehr interessante Passage im Zusammenfassungsteil des Buchs (Seiten 204-210) hat übrigens nichts mit den oben genannten nicht-technischen Branchen zu tun, sondern stellt allgemein die These auf, dass Innovationen auch durch eine optimistische Erfolgserwartung und so genannte „Tournament-Market“-Bedingungen (kleine Chance auf einen großen Gewinn) gefördert werden. Dass Patentrechte die Erwartung von innovativen (technischen) Unternehmen stärken, für ihre Innovation durch ein zeitlich begrenztes Nutzungsmonopol mit finanziellem Gewinn belohnt zu werden, dürfte unumstritten sein. Zumindest in einem Markt, in dem Wettbewerb zwischen Anbietern herrscht, dürften somit nach den Thesen von Raustiala und Sprigman Patentrechte den Innovationszyklus wesentlich mit antreiben.