EPG, Lokalkammer München, Anordnung v. 25. November 2024 – UPC_CFI_443/2024

EPG, Lokalkammer München, Anordnung v. 25. November 2024 – UPC_CFI_443/2024

Das Gericht entschied, dass der Antrag auf einstweilige Maßnahmen [→ Einstweilige Maßnahmen] nicht begründet ist, da es die Interessen der Parteien abwog [→ Abwägung der Interessen der Parteien] und zu dem Schluss kam, dass die Anordnung solcher Maßnahmen nicht erforderlich sei. Die Argumentation basierte auf fehlenden außergewöhnlichen Umständen, die ein sofortiges Eingreifen rechtfertigen würden, insbesondere, weil das Hauptsacheverfahren näher bevorstand. Auch hatte die Antragstellerin keine ausreichend spezifischen Beweise für Schäden vorgelegt, die erst durch einen späteren Unterlassungstitel in der Hauptsache unzumutbar sein könnten. Im Rahmen der Abwägung wurde zudem erörtert, dass die Antragsgegnerin seit Jahren mit den angegriffenen Produkten auf dem Markt ist und dies bei der Bewertung ihres Schutzbedürfnisses zu berücksichtigen war.

Amtliche Leitsätze:

  1. Der Regelungszweck von Regel 8 Abs. 4 [→ Inhaber eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung] und 5 EPGVO [→ Vermutung der Inhaberschaft und Anmelderschaft] besteht darin, das Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht von dem Streit über die materiell-rechtliche Inhaberschaft an einem Europäischen Patent unabhängig davon freizuhalten, ob die Inhaberschaft für die Prozessführungsbefugnis oder die Anspruchsberechtigung von Bedeutung ist, indem die (un-)widerlegliche Vermutung aufgestellt wird, dass der eingetragene Inhaber auch der tatsächliche Inhaber ist.
  2. Der Sinngehalt eines Unteranspruchs kann grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs [→ Auslegung der Patentansprüche] eines Patents beitragen. Unteransprüche engen den Gegenstand des Hauptanspruchs jedoch regelmäßig nicht ein, sondern zeigen nicht anders als Ausführungsbeispiele lediglich – gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung.
  3. Da die Erteilungsakte in Art. 69 EPÜ  [→ Bestimmung des Schutzbereichs] keine Erwähnung findet, bildet sie grundsätzlich kein zulässiges Auslegungsmaterial. Ein Europäisches Patent kann nicht auf der Grundlage von Textstellen, die im Erteilungsverfahren aus der Beschreibung gestrichen wurden, ausgelegt werden (Fortführung von Lokalkammer Düsseldorf, Anordnung vom 9. April 2024, CFI_452/2023 = ACT_589655/2023 – Ortovox Sportartikel gg. Mammut Sports u.a.).
  4. Die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vorzunehmende Interessenabwägung [→ Abwägung der Interessen der Parteien] muss die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung und auch die objektive Dringlichkeit im Sinne einer Erforderlichkeit einstweiliger Maßnahmen im Hinblick auf ein ebenso mögliches Hauptsacheverfahren berücksichtigen. Sämtliche Aspekte sind aufeinander rückbezogen gegeneinander abzuwägen. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung auch dieser Aspekte im Rahmen der Interessenabwägung ergibt sich aus dem Verhältnis des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu einem möglichen Hauptsacheverfahren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nämlich das Hauptsacheverfahren die Regel, während das Eilverfahren mit seiner summarischen Prüfung und der Möglichkeit der nachträglichen Rechtsverteidigung die Ausnahme ist.
  5. Die Interessen der Parteien [→ Abwägung der Interessen der Parteien] sind unter der Fragestellung abzuwägen, ob der Erlass einstweiliger Maßnahmen im Hinblick auf eine spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren erforderlich und geboten ist, d.h. ob es dem Antragsteller im Hinblick auf die Gefahr einer fehlerhaften Anordnung einstweiliger Maßnahmen und die damit verbundenen Auswirkungen für den Antragsgegner einerseits und die mit der Fortdauer der Patentverletzung bis zu einer Hauptsacheentscheidung verbundenen Beeinträchtigungen andererseits unzumutbar ist, mit der Durchsetzung seiner Ansprüche bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu warten.
  6. Regel 211 Abs. 4 EPGVO [→ Berücksichtigung von Verzögerungen] bringt zum Ausdruck, dass ein Antragsteller, dessen Verhalten bereits subjektiv darauf hindeutet, dass er es nicht eilig hat, keine Hilfe durch die Anordnung einstweiliger Maßnahmen erwarten kann. Der Umkehrschluss, dass einstweilige Maßnahmen anzuordnen sind, weil sich der Antragsteller beeilt hat, gilt hingegen nicht. Vielmehr muss die Anordnung einstweiliger Maßnahmen auch objektiv dringlich sein.
  7. Im einstweiligen Verfügungsverfahren [→ Einstweilige Maßnahmen] können Zweifel am Rechtsbestand des Streitpatents im Rahmen der Interessenabwägung ins Gewicht fallen und einer Anordnung einstweiliger Maßnahmen entgegenstehen.

EPG

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