EPA, Großen Beschwerdekammer, G 2/08: Zur Patentierbarkeit von Arzneimitteln
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 19. Februar 2010, G 2/08
Antworten auf die Vorlagefragen:
Frage 1: Wenn die Verwendung eines Arzneimittels bei der Behandlung einer Krankheit bereits bekannt ist, schließt Artikel 54 (5) EPÜ nicht aus, dass dieses Arzneimittel zur Verwendung bei einer anderen therapeutischen Behandlung derselben Krankheit patentiert wird.
Frage 2: Die Patentierbarkeit ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn das einzige nicht im Stand der Technik enthaltene Anspruchsmerkmal eine Dosierungsanleitung ist.
Frage 3: Wird dem Gegenstand eines Anspruchs nur durch eine neue therapeutische
Verwendung eines Arzneimittels Neuheit verliehen, darf der Anspruch nicht mehr in der sogenannten schweizerischen Anspruchsform abgefasst werden, wie sie mit der Entscheidung G 1/83
geschaffen wurde.
Aus der Entscheidungsbegründung:
Es würde dem in Artikel 31 (1) des Wiener Übereinkommens verankerten Grundsatz von Treu und Glauben zuwiderlaufen, wenn man der Formulierung „zur spezifischen Anwendung“ entgegen ihrer gewöhnlichen Bedeutung eine einschränkende Bedeutung verleihen würde.
Die Große Beschwerdekammer kommt zu dem Schluss, dass es nur einen vernünftigen Weg gibt, das der spezifischen Anwendung zugrunde liegende Erfordernis zu verstehen, nämlich lediglich als Kontrast zum allgemeinen breiten Schutz, den die erste beanspruchte medizinische Anwendung eines Stoffes oder Stoffgemisches verleiht und der grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Indikation beschränkt ist. Mithin muss die neue Anwendung im Sinne des Artikels 54 (5) EPÜ nicht in der Behandlung einer anderen Krankheit bestehen.