BGH, I ZR 115/16 – Metall auf Metall III

BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 – I ZR 115/16 – Metall auf Metall III

Amtliche Leitsätze:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Buchst. c und Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) sowie Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 376 vom 27. Dezember 2006, S. 28) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Liegt ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung seines Tonträgers aus Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn seinem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen und auf einen anderen Tonträger übertragen werden?

2. Handelt es sich bei einem Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene kleinste Tonfetzen enthält, im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG um eine Kopie des anderen Tonträgers?

3. Können die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen, die – wie die Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG – klarstellt, dass der Schutzbereich des ausschließlichen Rechts des onträgerherstellers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG) und Verbreitung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) seines Tonträgers in der Weise immanent beschränkt ist, dass ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung seines Tonträgers geschaffen worden ist, ohne seine Zustimmung verwertet werden darf?

4. Wird ein Werk oder ein sonstiger Schutzgegenstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG für Zitatzwecke genutzt, wenn nicht erkennbar ist, dass ein fremdes Werk oder ein fremder sonstiger Schutzgegenstand genutzt wird?

5. Lassen die Vorschriften des Unionsrechts zum Vervielfältigungsrecht und Verbreitungsrecht
des Tonträgerherstellers (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) und den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG) Umsetzungsspielräume im nationalen Recht?

6. In welcher Weise sind bei der Bestimmung des Schutzumfangs des ausschließlichen Rechts des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG) und Verbreitung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) seines Tonträgers und der Reichweite der Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG) die Grundrechte der EUGrundrechtecharta zu berücksichtigen?

BGH, I ZR 92/16 – Mart-Stam-Stuhl

BGH, Urteil vom 23. Februar 2017 – I ZR 92/16 – Mart-Stam-Stuhl

Amtlicher Leitsatz:

Allein aus der Präsentation eines Produkts auf einer Messe im Inland folgt nicht ohne weiteres, dass der Aussteller das Produkt damit gezielt bewirbt, um die Messebesucher zu dessen (späteren) Erwerb im Inland anzuregen. Von einer solchen gezielten Werbung ist nicht auszugehen, wenn der Aussteller die Messebesucher deutlich darauf hinweist, dass sie das ausgestellte Produkt nicht erwerben oder bestellen können, weil er sich Änderungen des Produkts vorbehält. Auch wenn das ausgestellte Produkt in den Schutzbereich eines urheberrechtlich geschützten Werkes eingreift, verletzt der Aussteller in einem solchen Fall durch die Präsentation des Produkts nicht das Verbreitungsrecht des Urhebers dieses Werkes und begründet dadurch auch keine entsprechende Erstbegehungsgefahr (Fortführung von BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – I ZR 133/13, GRUR 2015, 603 Rn. 21 bis 24 = WRP 2015, 717 – Keksstangen).

BGH, I ZB 41/16 – Anwaltskosten im Gestattungsverfahren

BGH, Beschluss vom 26. April 2017 – I ZB 41/16 – Anwaltskosten im Gestattungsverfahren

Amtlicher Leitsatz:

Die Kosten anwaltlicher Vertretung, die ein Urheberrechtsinhaber im Verfahren nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 9 Satz 1 UrhG zur Erlangung der Auskunft über IP-Adressen aufwendet, sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO im nachfolgend gegen eine Person geführten Rechtsstreit, die für eine über eine dieser IP-Adressen begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, soweit die Kosten anteilig auf diese Person entfallen. Dies gilt auch dann, wenn das urheberrechtsberechtigte Unternehmen über eine Rechtsabteilung verfügt und dem Auskunftsverfahren vorgelagerte Ermittlungen selbst ausgeführt hat (Fortführung von BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 – I ZB 71/13, GRUR 2014, 1239 Rn. 10 = WRP 2014, 1468 – Deus ex; Beschluss vom 11. Dezember 2014 – I ZB 7/14, ZUM-RD 2015, 214 Rn. 9).

BGH, I ZR 42/15 – PC mit Festplatte II

BGH, Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 42/15 – PC mit Festplatte II

Amtlicher Leitsatz:

Der Umstand, dass mehrere Verwertungsgesellschaften für die Wahrnehmung von Vergütungsansprüchen gemäß § 54 Abs. 1 UrhG aF zuständig sind, steht dem Eingreifen der von § 13c Abs. 1 UrhWG bestimmten und zugunsten der in der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften wirkenden Vermutung nicht entgegen.

BGH, I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I

BGH, Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 39/15 – PC mit Festplatte I

Amtliche Leitsätze:

a) In den Jahren 2002 bis 2005 in Verkehr gebrachte PCs mit eingebauter Festplatte, die über eine Festplattenkapazität von wenigstens 10 GB, Prozessoren (CPUs) mit einer Rechenleistung von wenigstens 300 MHz und einen Arbeitsspeicher (RAM) von wenigstens 128 MB verfügen, zählen zu den nach § 54 Abs. 1 UrhG (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung vom 25. Juli 1994, aF) vergütungspflichtigen Geräten oder
Tonträgern.

b) Bei der Prüfung der Geeignetheit und erkennbaren Bestimmtheit eines Geräts zur Vornahme vergütungspflichtiger Vervielfältigungen im Sinne von § 54 Abs. 1 UrhG aF ist eine generalisierende Betrachtungsweise zulässig, wenn davon auszugehen ist, dass die konkret in Rede stehenden Geräte nicht anders beschaffen sind als andere Geräte einer Gattung (im Anschluss an BGH, GRUR 2012, 705 Rn. 14 f. – PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät).

c) Der vom Hersteller oder Händler im Rahmen der Konzeption der Produkte und deren Verkaufsstrategie in den Blick genommene Kundenkreis („Business-PC“) steht der Annahme einer erkennbaren Zweckbestimmung zur Herstellung auch privater Vervielfältigungen ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die weit überwiegende Anzahl der fraglichen Geräte nicht an private Endnutzer veräußert wird.

d) Ruft der Verhandlungsführer einer Verwertungsgesellschaft bei den Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Gesamtvertrags zu einem Gerätetyp den Eindruck hervor, beim Abschluss des Gesamtvertrags zu den verlangten Vergütungssätzen werde für einen vorübergehenden Zeitraum eine Geräteabgabe für einen anderen Gerätetyp nicht beansprucht und schließt daraufhin die Nutzervereinigung den Gesamtvertrag ab, können entsprechende Ansprüche wegen des anderen Gerätetyps gegen die Mitglieder der Nutzervereinigung aufgrund Verwirkung ausgeschlossen sein.

BGH, I ZR 35/15 – externe Festplatten

BGH, Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 35/15 – externe Festplatten

Amtliche Leitsätze:

a) Die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und Händlern zur Zahlung einer Vergütung für Geräte oder Speichermedien besteht kraft Gesetzes (§ 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG) und wird nicht erst durch das Aufstellen eines Tarifs oder den Abschluss eines Gesamtvertrags begründet. Desgleichen ergibt sich die Höhe dieser Vergütung aus dem Gesetz (§ 54a UrhG) und wird nicht erst durch von Verwertungsgesellschaften aufgestellte Tarife oder die als Tarife geltenden Vergütungssätze in Gesamtverträgen bestimmt.

b) Ein Hersteller, Importeur oder Händler vergütungspflichtiger Geräte oder Speichermedien kann sich grundsätzlich nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei zur Zahlung einer Vergütung nicht verpflichtet, weil er vor der Veröffentlichung eines Tarifs keine Kenntnis vom Bestehen einer Vergütungspflicht und von der Höhe der Vergütung haben und die Gerätevergütung daher nicht in den Gerätepreis einfließen lassen konnte.

c) Das Anfertigen von Sicherungskopien stellt eine nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG vergütungspflichtige Vervielfältigung dar. Die Vergütung für das Anfertigen von Sicherungskopien ist geringer zu bemessen als die Vergütung für das Anfertigen von Kopien, die der Nutzung des Werkes dienen.

BGH, I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PCs

BGH, Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PCs

Amtlicher Leitsatz:

Das Oberlandesgericht darf sich bei der Bemessung der angemessenen Vergütung im Sinne von § 54 Abs. 1, § 54a, § 54b Abs. 1 UrhG auf denselben Vertragsgegenstand und denselben Zeitraum betreffende Gesamtverträge stützen, in denen sich die Parteien unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben auf eine angemessene Vergütung geeinigt haben.

BGH, I ZR 154/15 – Afterlife

BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 154/15 – Afterlife

Amtliche Leitsätze:

a) Bei der Bestimmung der Reichweite der dem Inhaber eines Internetanschlusses im Falle einer über seinen Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung obliegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung des Anschlusses durch andere
Personen sind auf Seiten des Urheberrechtsinhabers die Eigentumsgrundrechte gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Handelt es sich bei den Personen, die den Anschluss mitgenutzt haben, um den Ehegatten oder Familienangehörige, so wirkt zugunsten des Anschlussinhabers
der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EUGrundrechtecharta, Art. 6 Abs. 1 GG).

b) Dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses ist es regelmäßig nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es regelmäßig, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen.

BGH, I ZR 212/14 – Gesamtvertrag Speichermedien

BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 – I ZR 212/14 – Gesamtvertrag Speichermedien

Amtlicher Leitsatz:

Die nach § 54 Abs. 1 UrhG von den Herstellern zu zahlende Vergütung für Geräte und Speichermedien, deren Typ zur Vornahme von Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG benutzt wird, beeinträchtigt die Hersteller solcher Geräte und Speichermedien unzumutbar im Sinne von § 54a Abs. 4 UrhG, wenn mögliche Nutzer derartige Geräte oder Speichermedien in erheblichem Umfang nicht im Inland, sondern im Ausland erwerben, weil sie dort zu einem geringeren Preis angeboten werden, und wenn dieser geringere Preis darauf beruht, dass im Ausland keine oder eine geringere Gerätevergütung oder Speichermedienvergütung als im Inland erhoben wird. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Hersteller von Geräten oder Speichermedien liegt – unabhängig vom Erwerb entsprechender Geräte oder Speichermedien durch mögliche Nutzer im Ausland – auch vor, wenn die Hersteller die Vergütung nicht vollständig in den Preis der Geräte und Speichermedien einfließen lassen und so auf deren Nutzer abwälzen können, weil an einem Erwerb interessierte Nutzer sonst in erheblichem Umfang von dem Erwerb solcher Geräte oder Speichermedien im Hinblick darauf absähen, dass die Vergütung nicht in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Gerätes oder des Speichermediums steht (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 19. November 2015 – I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rn. 69 bis 74 = WRP 2016, 1123 – Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik).