Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, Xa ZB 38/08 – Dichtungsanordnung: Notwendigkeit der Anhörung im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren vor dem BPatG

BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – Xa ZB 38/08 – Dichtungsanordnung

Amtlicher Leitsatz:

PatG (Fassung: 1.7.2006) § 59 Abs. 3 Satz 1, § 69 Abs. 1

Das Patentgericht hat in einem erstinstanzlichen Einspruchsverfahren auf Antrag eines Beteiligten eine öffentliche mündliche Anhörung oder eine mündliche Verhandlung auch dann durchzuführen, wenn das Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2006 bei ihm anhängig geworden ist.

BGH, I ZR 169/07 – BTK: Zur Angemessenheit eines fiktiven Lizenzsatzes bei einer Kennzeichenverletzung

BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 – I ZR 169/07 – BTK

Amtliche Leitsätze:

MarkenG § 14 Abs. 3 Nr. 3 und 5, § 15 Abs. 5 a.F.

a) In die Beurteilung, welcher Lizenzsatz einer Umsatzlizenz bei der Verletzung eines Kennzeichenrechts angemessen ist, ist die in der Branche übliche Umsatzrendite regelmäßig einzubeziehen.

b) Kann ein wegen einer Kennzeichenverletzung zur Auskunft Verpflichteter nicht zweifelsfrei beurteilen, ob das Kennzeichenrecht des Gläubigers durch bestimmte Geschäfte verletzt worden ist, und führt er die Geschäfte deshalb im Rahmen der Auskunft auf, handelt er nicht widersprüchlich, wenn er im nachfolgenden Betragsverfahren den Standpunkt einnimmt, diese Geschäftsvorfälle seien in die Bemessung des Schadensersatzes nicht einzubeziehen.

siehe auch: Lizenzanalogie

BGH, X ZR 11/06 – Entsorgungsverfahren

BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – X ZR 11/06

Amtlicher Leitsatz:

GG Art. 101 Abs. 1

Entscheidet das Berufungsgericht den Patentverletzungsstreit auf der Grundlage der erteilten Patentansprüche und werden diese nachfolgend durch ein Patentnichtigkeitsurteil dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass beschränkende Merkmale in einen oder mehrere Patentansprüche aufgenommen werden, so ist bei Nichtzulassung der Revision der Anspruch eines wegen Patentverletzung Verurteilten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, wenn es angesichts der Feststellungen des Tatrichters nicht entscheidungserheblich ist, ob das Patent die eine oder die andere Fassung hat.

Neue Regel 70a EPÜ: Erwiderung auf den erweiterten europäischen Recherchenbericht

Aus der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 15. Oktober 2009 über Änderungen der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen, Amtsblatt EPA, 11/2009:

Die neue Regel 70a EPÜ sieht vor, dass innerhalb der Frist zur Stellung des Prüfungsantrags eine Erwiderung auf die dem Recherchenbericht beiliegende Stellungnahme eingereicht werden muss. Das gilt jedoch nur, wenn die dem Recherchenbericht beiliegende Stellungnahme negativ ist. Werden in der dem Recherchenbericht beiliegenden Stellungnahme keine Einwände erhoben, ergeht also keine Aufforderung zur Mängelbeseitigung oder Änderung der Ansprüche, Beschreibung oder Zeichnungen, muss keine Erwiderung eingereicht werden; darüber wird der Anmelder informiert.

Geänderte Regel 63 EPÜ: Unvollständige Recherche

Aus der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 15. Oktober 2009 über Änderungen der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen, Amtsblatt EPA, 11/2009:

Die geänderte Regel 63 EPÜ verbessert die Bearbeitung von Anmeldungen, bei denen keine sinnvolle Recherche möglich ist und die Sachprüfung Schwierigkeiten bereitet, weil es den Ansprüchen an Stützung, Klarheit oder Knappheit mangelt. In diesen Fällen wird der Anmelder in Zukunft aufgefordert, vor der Recherche eine Erklärung mit Angaben zum zu recherchierenden Gegenstand abzugeben.

Änderungen der Anmeldung sind gemäß Regel 137 (1) EPÜ zu diesem Zeitpunkt noch nicht zulässig. Deshalb kann eine angemessene Erwiderung auf eine Aufforderung nach Regel 63 EPÜ z. B. in einer Erklärung bestehen, in der derjenige Teil der Beschreibung – z. B. eine bestimmte Ausführungsform – angegeben wird, der zur Auslegung der Ansprüche herangezogen werden kann. Oder es wird eine verbesserte Anspruchsformulierung vorgelegt, durch die der Mangel beseitigt und die mit der Erwiderung auf den erweiterten europäischen
Recherchenbericht
formell als Änderung in das Verfahren eingebracht wird.

Neue Regel 62a EPÜ: Europäische Patentanmeldungen mit mehreren unabhängigen Patentansprüchen

Aus der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 15. Oktober 2009 über Änderungen der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen, Amtsblatt EPA, 11/2009 (Abschnitt 2)

Durch die neue Regel 62a EPÜ wird der Anmelder verpflichtet, die Zahl der unabhängigen Ansprüche schon im Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung zu begrenzen, wodurch der potenzielle Schutzumfang einer Anmeldung in diesem frühen Stadium klarer umrissen ist.

Da Regel 43 (2) EPÜ bislang im Recherchenstadium nicht durchsetzbar war, konnten diese Abgrenzungen bis zur Sachprüfung oder gar bis zur Erteilungsphase hinausgeschoben werden. Der Recherchenprüfer, der in einer oder mehreren Kategorien auf mehrere unabhängige Ansprüche stieß, war verpflichtet, einen Recherchenbericht zu einer Anmeldung zu erstellen, die in dieser Form nicht zur Erteilung führen konnte, wenn nicht im Einzelfall die in Regel 43 (2) EPÜ genannten Ausnahmen griffen. Die neue Regel 62a hilft dieser Situation ab und verbessert dadurch die Effizienz des Erteilungsverfahrens.

siehe auch: Anmeldungen mit mehreren unabhängigen Patentansprüchen (ipwiki.de)

BPatG, 28 W (pat) 213/07 – Käse in Blütenform III: zu den Warenformmarken

BPatG, Entsch. v. 28. Oktober 2009, 28 W (pat) 213/07 – Käse in Blütenform III

Amtliche Leitsätze:

1. Eine bösgläubige Anmeldung setzt zwingend voraus, dass die fragliche Marke mit dem Zeichen, für das ein schutzwürdiger Besitzstand geltend gemacht wird, gleich oder jedenfalls zum Verwechseln ähnlich ist. Anderenfalls kann eine Sperrwirkung von vornherein nicht eintreten. Übereinstimmungen in funktionsbedingten und damit schutzunfähigen Gestaltungselementen von Formmarken können eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit nicht begründen.

2. Die Verwendung von Phantasiebegriffen, mit der funktionsbedingte Produktformen der Anschein einer willkürlichen und charakteristischen Gestaltung vermittelt werden soll, bleibt ohne Einfluss auf die Beurteilung ihrer Schutzfähigkeit.

siehe auch: Warenformmarken (ipwiki.de)

BPatG, 27 W (pat) 166/09 – Stadtwerke Dachau

BPatG, Entsch. v. 15. September 2009 – 27 W (pat) 166/09 – Stadtwerke Dachau

Amtliche Leitsätze:

1. Teilrechtsfähige Verwaltungseinheiten können Immaterialgüterrecht, wie Markenrecht, erwerben.

2. Kombinationen aus einer Ortsangabe und „Stadtwerke“ enthalten eine unterscheidungskräftige und nicht freihaltungsbedürftige betriebliche Herkunftsangabe.

3. Die Verwendung einer solchen Bezeichnung durch Private kann wettbewerbswidrig sein (Anschluss an BGH a. a. O. – Bundesdruckerei).

BGH, X ZR 169/07 – Diodenbeleuchtung: Zur Definition des Fachmanns im Patentrecht

BGH, Urteil vom 29. September 2009 – X ZR 169/07 – Diodenbeleuchtung

Amtliche Leitsätze:

Die Zuziehung von Experten oder sonst besser qualifizierten Fachleuten oder die Einholung von entsprechenden Erkundigungen kann vom zuständigen Fachmann erwartet werden, wenn das zu lösende Problem sich in einem sachlich naheliegenden Fachgebiet in ähnlicher Weise stellt bzw. wenn er aufgrund seiner eigenen Sachkunde erkennen kann, dass er eine Lösung auf einem anderen Gebiet finden kann (Bestätigung von Sen. Urt. v. 26.10.1982 – X ZR 12/81, GRUR 1983, 64, 66 f. – Liegemöbel und v. 11.3.1986 – X ZR 17/83, GRUR 1986, 798 – Abfördereinrichtung für Schüttgut).

Setzt die Frage, ob gegebenenfalls der Rat eines höher qualifizierten Fachmanns hilfreich sein könnte, voraus, dass der Fachmann bereits eine ihm durch den Stand der Technik nicht nahegelegte Lösung zumindest in Grundprinzipien erdacht hat, kann die erfinderische Tätigkeit nicht mit der Begründung verneint werden, die Lösung wäre dem Spezialisten nahegelegt gewesen.