Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, Xa ZR 69/06 – Telekommunikationseinrichtung: Gedankliche Kluft zwischen zwei Teilbereichen eines Fachgebietes

BGH, Urteil vom 15. April 2010 – Xa ZR 69/06 – Telekommunikationseinrichtung

Amtlicher Leitsatz:

Bestand zwischen zwei Teilbereichen eines Fachgebietes (hier: Datenübertragung in öffentlichen Fernmeldenetzen und Datenübertragung mittels Internet- und LAN-Technologie) traditionell eine gedankliche Kluft, kann für den Fachmann dennoch Veranlassung bestehen, zur Lösung eines technischen Problems Vorschläge aus beiden Bereichen heranzuziehen, wenn sich am Prioritätstag bereits Anwendungen und Verfahren herausgebildet haben, die die Grenze zwischen den beiden Bereichen überschreiten (hier: Internet-Telefonie), und wenn sich das technische Problem in beiden Bereichen in ähnlicher Weise stellt.

BGH, Xa ZB 10/09 – Walzenformgebungsmaschine: Erfodrerliche Würdigung von Entscheidungen des Europäischen Patentamts durch deutsche Patentgerichte

BGH, Beschl. v. 15. April 2010 – Xa ZB 10/09 – Walzenformgebungsmaschine

PatG §§ 93 Abs. 1, 100 Abs. 3 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1

a) Die deutschen Gerichte haben Entscheidungen, die durch die Instanzen des Europäischen Patentamts oder durch Gerichte anderer Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens ergangen sind und eine im Wesentlichen gleiche Fragestellung betreffen, zu beachten und sich gegebenenfalls mit den Gründen auseinanderzusetzen, die bei der vorangegangenen Entscheidung zu einem abweichenden Ergebnis geführt haben. Dies gilt auch, soweit es um Rechtsfragen geht, beispielsweise um die Frage, ob der Stand der Technik den Gegenstand eines Schutzrechts nahegelegt hat.

b) Nicht jede Verletzung dieser Pflicht verletzt den Anspruch der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör.

Aus der Entscheidungsbegründung:

Insoweit kommt es vielmehr auf die Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte an, die von der Partei geltend gemacht worden sind.

OLG Hamm, 4 U 223/09: Rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung im Internethandel

OLG Hamm, Urt. v. 18.03.2010 – 4 U 223/09

Aus der Urteilsbegründung:

Ein Missbrauch der an sich bestehenden Klagebefugnis liegt im Bereich des Internethandels, wo es bekanntermaßen im Rahmen der Erfüllung der bestehenden Informationspflichten zu einer kaum überschaubaren Vielzahl von Wettbewerbsverstößen kommt, besonders nahe.

Das gilt insbesondere dann, wenn die Abmahntätigkeit so umfangreich ist, dass sie in keinem vernünftigen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden mehr steht. In einem solchen Fall hat sich die Abmahntätigkeit dann verselbständigt.

Je größer die Zahl der Abmahnungen ist, umso eher ist das ein Indiz für ein missbräuchliches Verhalten.

BGH, I ZB 116/08: Vollstreckung eines Ordnungsgeldes im Ausland

BGH, Beschluss vom 25. März 2010 – I ZB 116/08

Amtliche Leitsätze:

Die Justizbeitreibungsordnung steht der Vollstreckung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 ZPO im Ausland nicht entgegen.

Die Vollstreckung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO ergangenen Beschlusses stellt eine Zivil- und Handelssache i.S. des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO dar.

Der Antrag auf Bestätigung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO ergangenen Beschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel kann auch vom Gläubiger gestellt werden, der den Beschluss erwirkt hat.

Das für die Heilung von Belehrungsmängeln gemäß Art. 16 und 17 EuVTVO nach Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO bestehende Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung gilt auch für in Beschlussform ergangene Entscheidungen.

Die Möglichkeiten einer Heilung der Nichteinhaltung der in den Art. 13 bis 17 EuVTVO festgelegten verfahrensrechtlichen Erfordernisse sind in Art. 18 EuVTVO abschließend geregelt.

OLG Düsseldorf, I-20 U 166/09 – Rapidshare:

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2010, I-20 U 166/09 – Rapidshare

Aus der Urteilsbegründung:

Eine erhöhte Prüfungspflicht besteht für den Betreiber einer Tauschbörse insbesondere dann, wenn der Störer vom Recht der Inhaber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. In einem solchen Fall muss er nicht nur den Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus zumutbare Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt.

siehe auch: Störerhaftung (ipwiki:Internetrecht)

BGH, I ZR 158/07 – Modulgerüst II: Wettbewerbswidrige Handlungen des Insolvenzschuldners

BGH, Urteil vom 18. März 2010 – I ZR 158/07 – Modulgerüst II

Amtliche Leitsätze:

a) Bei einem gegen den Insolvenzschuldner gerichteten gesetzlichen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts des Klägers oder wegen eines Wettbewerbsverstoßes handelt es sich um einen Passivprozess i.S. des § 86 InsO (Aufgabe von BGH, Urt. v. 21.10.1965 – Ia ZR 144/63, GRUR 1966, 218 – Dia-Rähmchen III). Der durch Insolvenzeröffnung unterbrochene Rechtsstreit ist in analoger Anwendung des § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufzunehmen.

b) Wettbewerbswidrige Handlungen des Insolvenzschuldners, seiner Mitarbeiter oder Beauftragten begründen in der Person des Insolvenzverwalters keine Wiederholungsgefahr, auch wenn dieser den Betrieb des Insolvenzschuldners fortführt.

BGH, Xa ZR 52/08 – Formteil: Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung

BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 – Xa ZR 52/08 – Formteil

Amtlicher Leitsatz (EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. c; IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3):

Zur Offenbarung eines Merkmals als zur Erfindung gehörend kann die Darstellung in einer Zeichnung genügen, auf die sich die Beschreibung oder die Patentansprüche der Anmeldeunterlagen beziehen. Maßgeblich ist, ob die merkmalsgemäße Ausgestaltung nach der Gesamtoffenbarung aus fachmännischer Sicht als mögliche Ausführungsform der zum Patent angemeldeten Erfindung erscheint.

BGH, I ZR 160/07: Kabelweitersendung

BGH, Urteil vom 12. November 2009 – I ZR 160/07

Sendender i.S. von § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20 UrhG ist im Falle einer Kabelweitersendung allein derjenige, der darüber entscheidet, welche Funksendungen in das Kabel eingespeist und an eine Öffentlichkeit weitergeleitet werden, nicht dagegen derjenige, der lediglich die hierfür erforderlichen technischen Vorrichtungen bereitstellt und betreibt. Überträgt der Betreiber eines Kabelnetzes Funksendungen durch Einspeisung in eine Kabelanlage aufgrund einer eigenen Entscheidung – und nicht lediglich als Dienstleister beim Signaltransport – weiter, sendet er selbst und ist dafür selbst urheberrechtlich verantwortlich.

Der zwischen der Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen mbH (VG Media) und Kabelnetzbetreibern im Jahr 2003 geschlossene „Vertrag über die Vergütung der Nutzung der terrestrisch und satellitär herangeführten Programme der Hörfunk- und Fernsehunternehmen in den Breitbandkabeln der Kabelnetzbetreiber“ (Regio-Vertrag) regelt auch das Recht, Sendesignale über Verteileranlagen in Gästezimmer von Beherbergungsbetrieben weiterzuleiten.

USPTO: Formulierung von Ansprüchen auf Software

Das USPTO (Notice on „Subject Matter Eligibility of Computer Readable Media“.) erlaubt offenbar formell keine Ansprüche mehr, die auf ein „computer readable medium“ gerichtet sind, da solche Ansprüche auch Signalfolgen umfassen, die das Greifbarkeits-Kriterium („tangible“) nicht erfüllen.

Das USPTO schlägt diesbezüglich vor, dem Begriff „computer readable medium“ noch „non-transitory“ voranzustellen, um Signalfolgen explizit vom Schutzumfang auszunehmen.

BGH, I ZB 37/09: Kosten bei Erledigung der Hauptsache

BGH, Beschluss vom 18. März 2010 – I ZB 37/09

Erklären die Parteien eine vor dem unzuständigen Gericht erhobene, in der Sache aber begründete Unterlassungsklage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, nachdem der Beklagte die Unzuständigkeit gerügt und sodann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, sind die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen [-> Kosten bei Erledigung der Hauptsache].