Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, I ZR 174/08 – Änderung der Voreinstellung III: zur Unternehmerhaftung für Wettbewerbshandlungen des Vertriebspartners

BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 174/08 – Änderung der Voreinstellung III

Amtlicher Leitsatz:

Anbieter von Telefondienstleistungen, die nicht über ein eigenes Netz verfügen und die sich daher hinsichtlich der von ihnen angebotenen Leistung bei Netzbetreibern eindecken müssen (sog. Reseller), handeln im Verhältnis zu Endkunden nicht als Beauftragte der Netzbetreiber (§ 8 (2) UWG -> Unternehmerhaftung), die ihnen die benötigten Netzdienstleistungen als Vorprodukt zur Verfügung stellen.

BGH, I ZB 81/09 – Yoghurt-Gums: Teilverzicht auf die Marke, Rechtliches Gehör

BGH, Beschluss vom 9. September 2010 – I ZB 81/09 – Yoghurt-Gums

Amtliche Leitsätze:

a) Ein Teilverzicht auf die Marke kann auch im Löschungsverfahren nicht bedingt erklärt werden.

b) Sieht der Markeninhaber in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht von der Erklärung eines Teilverzichts auf die Marke durch eine Beschränkung des Warenverzeichnisses ab, weil das Gericht die Erklärung eines Teilverzichts auch noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung als grundsätzlich unbedenklich bezeichnet, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn der rechtliche Hinweis des Gerichts nicht hinreichend klar erkennen lässt, dass es nach Schluss der mündlichen Verhandlung lediglich einen Teilverzicht berücksichtigen will,  der sich auf eine bloße Streichung einzelner Begriffe des Waren- oder Dienstleistungsverzeichnisses beschränkt.

BGH, X ZB 43/08 – Schweißheizung: Widerrechtliche Entnahme

BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – X ZB 43/08 – Schweißheizung

Amtliche Leitsätze:

PatG § 21 Abs. 1 Nr. 3

Das Patent ist wegen widerrechtlicher Entnahme auch dann zu widerrufen, wenn sein Gegenstand nicht patentfähig ist.

PatG § 46 Abs. 1, 2; § 59 Abs. 4

a) Unter Beteiligten i.S.v. § 46 Abs. 1 PatG sind die jeweiligen Verfahrensbeteiligten zu verstehen (Anmelder, Patentinhaber, Einsprechende).

b) Hören die Prüfungsstelle im Erteilungs- oder die Patentabteilung im Einspruchsverfahren Verfahrensbeteiligte formlos an, ist dies in der Niederschrift über den Gang der Verhandlung zu vermerken. Eine inhaltliche Protokollierung kann auch bei einer solchen formlosen Anhörung bei umfangreicheren tatsächlichen Angaben, die für die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erheblich sind, angezeigt sein.

c) Ein nicht am Einspruchsverfahren Beteiligter (hier: ein  Miterfinder) ist als Zeuge zu vernehmen. Seine Aussage ist zu protokollieren

BPatG, 25 W (pat) 516/10 – Panprazol / PANTOZOL: Kein Annäherungsmonopol

BPatG, Urt. v. 17. März 2011 – 25 W (pat) 516/10 – Panprazol / PANTOZOL

Amtliche Leitsätze:

Der Schutzumfang einer älteren Marke, der aufgrund einer deutlichen und für den Verkehr ohne weiteres erkennbare Annäherung an eine einschlägige warenbeschreibende Angabe eingeschränkt ist, erfährt keine Erweiterung im Verhältnis zu jüngeren Marken, die sich an  dieselbe Sachangabe annähern (Abgrenzung zu BGH GRUR 2008, 803, Tz. 22 – HEITEC).

Im Verhältnis zu Markeninhabern, die sich mit ihren Marken an warenbeschreibende Angaben annähern, kann es den Wettbewerbern nicht verwehrt werden, sich mit ihren (prioritätsjüngeren) Kennzeichnungen an dieselben Sachangaben anzunähern (Stichwort: kein Annäherungsmonopol), wenn dies unter angemessener Berücksichtigung der älteren Markenrechte geschieht. Beim Zeichenvergleich nach dem maßgeblichen Gesamteindruck wird dieser Forderung dadurch Rechnung getragen, dass den Faktoren bei der Zeichenbildung mehr (kennzeichnendes) Gewicht beigemessen wird, welche die schutzbegründende Eigenart der Marke ausmachen, die sich aus den Abweichungen gegenüber der Sachangabe ergibt.

Ausgehend davon besteht keine Verwechslungsgefahr zwischen der für Arzneimittel (hier: Magen-Darmtherapeutika für humanmedizinische Zwecke) registrierten Widerspruchsmarke „PANTOZOL“, deren Schutzumfang wegen der deutlichen und für den Verkehr ohne weiteres erkennbaren Annäherung an die einschlägige Wirkstoffangabe „Pantoprazol“ eingeschränkt ist, und der jüngeren Marke „Panprazol“, die sich ebenfalls an diese einschlägige Wirkstoffbezeichnung annähert.

BGH, X ZR 72/08 – kosmetisches Sonnenschutzmittel III

BGH, Urteil vom 1. März 2011 – X ZR 72/08 – kosmetisches Sonnenschutzmittel III

Amtliche Leitsätze:

a) Als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ist nicht ausschließlich auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende „Aufgabe“ abzustellen; es ist vielmehr auch zu erwägen, ob die Bewältigung eines zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehörenden (anderen) Problems dessen Lösung nahegelegt hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 – X ZR 200/99, GRUR 2003, 693 – Hochdruckreiniger).

b) Der Patentanspruch, auf den das Europäische Patentamt im europäischen Beschränkungsverfahren (Art. 105a, Art. 105b EPÜ) das Patent beschränkt hat, kann im Nichtigkeitsverfahren mangels eines einschlägigen Nichtigkeitsgrunds ebenso wenig auf das Erfordernis der Klarheit (Art. 84 EPÜ) geprüft werden wie die Patentansprüche des erteilten Patents.

BPatG, 3 Ni 2/09- Lysimeterstation: Vertretung der Patentgemeinschaft

BPatG, Urt. v. 21. Februar 2011 – 3 Ni 2/09 – Lysimeterstation

Amtlicher Leitsatz:

Die für Prozesshandlungen geltende Vertretungsfiktion des § 62 Abs. 1 ZPO – hier für die in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene Patentmitinhaberin als gemeinsam Beklagte im Nichtigkeitsverfahren – umfasst auch eine beschränkte Verteidigung des Streitpatents durch die weiteren, erschienenen Patentmitinhaber als notwendige Streitgenossen mittels abweichender Anträge.

Aus der Urteilsbegründung:

Im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht gilt die Mitinhaberin, für die in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, nach § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 62 Abs 1 ZPO als von den patentanwaltlich vertretenen übrigen Mitinhaberinnen vertreten.

Im Hinblick auf die gesetzgeberische Absicht, eine einheitliche  – nicht nur gemeinsame  – Entscheidung zu ermöglichen umfasst die Vertretungsfiktion des § 62 Abs. 1 ZPO bei Termin- oder Fristversäumnis das gesamte mündliche Vorbringen und alle Prozesserklärungen der anwesenden Streitgenossen (Gesamtwirkung) – mag dieses Vorbringen und die Anträge dem Abwesenden günstig gewesen sein oder nicht, ohne dass es auf einen tatsächlichen Vertretungswillen ankommt. Dies gilt auch für die nach § 90 Abs. 3 PatG in der mündlichen Verhandlung zu stellenden Anträge, wenn diese eine beschränkte Verteidigung des Streitpatents beinhalten.

BPatG, 7 W (pat) 35/10 – VCR-Antrieb: Nachweis der Übermittlung per Fax

BPatG, Beschluss v. 8. Dezember 2010 – 7 W (pat) 35/10 – VCR-Antrieb

Amtlicher Leitsatz:

Zum Nachweis eines von der Feststellung des Anmeldezeitpunktes durch das Patentamt abweichenden früheren tatsächlichen Eingangs der Anmeldeunterlagen bei deren Übermittlung per Fax (Fortführung von BGH, WM 2004, 648).

BGH, I ZR 85/09: Nutzungsrechte für noch nicht bekannte Nutzungsarten

BGH, Urt. v. 28. Oktober 2010 – I ZR 85/09

Aus der Urteilsbegründung:

Eine wirksame Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten setzte eine eindeutige Erklärung des Berechtigten hinsichtlich der Einräumung solcher Nutzungsrechte oder eine angemessene Beteiligung des Berechtigten an den Erlösen aus deren Verwertung voraus; auch eine Einräumung von Nutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten an Filmwerken durch Filmurheber an Filmhersteller war nur unter dieser Voraussetzung gültig (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 18/09 Rn. 16 bis 27 – Der Frosch mit der Maske).

Bei einer Vereinbarung,  die keine angemessene Beteiligung des Urhebers an den Erlösen aus der Verwertung unbekannter Nutzungsarten vorsieht, ist eine eindeutige Erklärung des  Berechtigten hinsichtlich der Einräumung der Nutzungsrechte für unbekannte Nutzungsarten nur anzunehmen, wenn bei der Festlegung der Vergütung erkennbar erörtert und berücksichtigt wurde, dass mit ihr auch die Einräumung dieser Rechte abgegolten ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 18/09 Rn. 39 – Der Frosch mit der Maske).

BGH, I ZR 212/08 – Mega-Kasten-Gewinnspiel: Einwand mitwirkenden Verschuldens

BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 – I ZR 212/08– Mega-Kasten-Gewinnspiel

Amtlicher Leitsatz:

Verlangt ein Mandant, der aufgrund einer Abmahnung Kenntnis von der Unvollständigkeit der  Markenrecherche hat, die  sein Rechtsanwalt für ihn durchgeführt hat, von diesem Anwalt Schadensersatz, muss er sich unter Umständen ein Verschulden des von ihm zur Abwehr der Abmahnung eingeschalteten Zweitanwalts anrechnen lassen.

BGH, I ZR 191/08 – AnyDVD

BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 – I ZR 191/08 – AnyDVD

Amtlicher Leitsatz:

Sind in einem im Internet veröffentlichten, seinem übrigen Inhalt nach dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit  unterfallenden Beitrag elektronische Verweise (Links) auf fremde Internetseiten in der Weise eingebettet, dass sie einzelne Angaben des Beitrags belegen oder diese durch zusätzliche Informationen ergänzen sollen, so werden auch diese Verweise von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst.

Aus der Urteilsbegründung:

Der beanstandete Link in den Beiträgen des Beklagten auf die Internetseite von SlySoft gehört in diesem Sinne zum nach Art. 11 EU-Grundrechtecharta, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geschützten Bereich der freien Berichterstattung. Er beschränkt sich nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, auf eine bloß technische Erleichterung für den Aufruf der betreffenden Internetseite. Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, erschließt ein Link vergleichbar einer Fußnote zusätzliche Informationsquellen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 15 – Paperboy).

Indem das Berufungsgericht diesen informationsverschaffenden Charakter des Links auf der einen Seite und seine in der Erleichterung des Aufrufs der verlinkten Internetseite bestehende technische Funktion auf der anderen Seite als zwei gesondert zu würdigende Aspekte betrachtet, berücksichtigt es nicht hinreichend, welche Bedeutung den vom Beklagten gesetzten Links auf fremde Internetseiten nach dem Gesamteindruck der  beanstandeten Beiträge vom 19. und 28. Januar sowie vom 9. Februar 2005 für das Recht auf freie Berichterstattung zukommt.