Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, X ZB 11/10: Fehlerhafte Übersetzung der Patentantmeldung

BGH, Beschluss v. 18. Juli 2011 – X ZB 11/10

Für die Zuerkennung des Anmeldetags ist erforderlich, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG vorliegen, sowie dass innerhalb der Frist von drei Monaten eine § 14 PatV entsprechende Übersetzung vorliegt, die denselben Anforderungen genügt, mag sie auch ansonsten unvollständig oder fehlerhaft sein.

BGH, I ZR 211/08 – Schreibgeräte

BGH, Urteil vom 24. März 2011 – I ZR 211/08 – Schreibgeräte

a) Verfolgt der Kläger in getrennten Klagen vor den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten territorial begrenzten Rechtsschutz aus unterschiedlichen Geschmacksmustern, liegt nicht derselbe Anspruch im Sinne von Art. 27 BrüsselIVO vor.

b) Lässt die graphische Darstellung eines Musters nicht erkennen, ob es einoder zweiteilig ausgestaltet ist, kann dies zur Folge haben, dass einerseits weitergehende Entgegenhaltungen aus dem vorbekannten Formenschatz möglich sind, dass andererseits aber auch ein größerer Schutzumfang des Musters besteht.

c) Ist die graphische Darstellung eines Musters in Schwarz-Weiß gehalten, ist bei der Verletzungsprüfung die angegriffene Form grundsätzlich von der farblichen Gestaltung zu abstrahieren, wenn nicht bei der angegriffenen Ausführungsform Kontrastfarben verwendet werden, die zu einem von einer einheitlichen Farbgebung abweichenden Gesamteindruck füh-ren.

d) Besteht Geschmacksmusterschutz für die Erscheinungsform eines Teils eines Erzeugnisses, ist bei der Prüfung des Gesamteindrucks der Verletzungsform der entsprechende Teil zugrunde zu legen.

BGH,X ZR 75/08 – Reifenabdichtmittel

BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 – X ZR 75/08 – Reifenabdichtmittel

Ist den ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung zu entnehmen, dass ein Erzeugnis bestimmte Bestandteile „enthalten“ soll, ist damit nicht ohne weiteres auch als zur Erfindung gehörend offenbart, dass ihm keine weiteren Bestandteile hinzugefügt werden dürfen. Für die Offenbarung, dass es zur Erfindung gehört, dass das Erzeugnis ausschließlich aus den genannten Bestandteilen „besteht“, bedarf es vielmehr in der Regel darüber hinausgehender Anhaltspunkte in den ursprünglichen Unterlagen, wie etwa des Hinweises, dass das ausschließliche Bestehen des Erzeugnisses aus den genannten Bestandteilen besondere Vorteile hat oder sonst erwünscht ist.

BGH, I ZR 150/09 – Basler Haarkosmetik: Zur Störerhaftung des Admin-C

 

Aus der Pressemitteilung Nr. 180/2011 des Bundesgerichtshof vom 10. November 2011 – I ZR 150/09 – Basler Haarkosmetik:

Ein Anspruch gegenüber dem Admin-C kann sich aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung ergeben. Die dafür erforderliche Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten ergibt sich allerdings noch nicht aus der Stellung des Beklagten als Admin-C an sich. Denn dessen Funktions- und Aufgabenbereich bestimmt sich allein nach dem zwischen der DENIC und dem Domaininhaber abgeschlossenen Domainvertrag, wonach sich der Aufgabenbereich des Admin-C auf die Erleichterung der administrativen Durchführung des Domainvertrages beschränkt. Unter bestimmten Umständen kann den Admin-C aber – so der Bundesgerichtshof – eine besondere Prüfungspflicht hinsichtlich des Domainnamens treffen, dessen Registrierung er durch seine Bereitschaft, als Admin-C zu wirken, ermöglicht. Im Streitfall hatte sich der Beklagte gegenüber der in Großbritannien ansässigen Inhaberin des Domainnamens generell bereit erklärt, für alle von ihr registrierten Domainnamen als Admin-C zur Verfügung zu stehen. Ferner hatte die Klägerin vorgetragen, dass die britische Gesellschaft in einem automatisierten Verfahren freiwerdende Domainnamen ermittelt und automatisch registrieren lässt, so dass auf der Ebene des Anmelders und Inhabers des Domainnamens keinerlei Prüfung stattfindet, ob die angemeldeten Domainnamen Rechte Dritter verletzen könnten. Bei dieser Verfahrensweise besteht im Hinblick darauf, dass auch bei der DENIC eine solche Prüfung nicht stattfindet, eine erhöhte Gefahr, dass für den Domaininhaber rechtsverletzende Domainnamen registriert werden. Unter diesen Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof eine Pflicht des Admin-C bejaht, von sich aus zu überprüfen, ob die automatisiert registrierten Domainnamen Rechte Dritter verletzen.

 

BGH, I ZR 108/09 – TÜV II

 

BGH, Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 108/09 – TÜV II

Amtliche Leitsätze:

a) Hat der Kläger in den Tatsacheninstanzen Ansprüche aus verschiedenen Kennzeichenrechten alternativ verfolgt, kann er in der Revisionsinstanz zwar zu einer eventuellen, nicht aber zu einer kumulativen Klagehäufung übergehen, um eine Abweisung der Klage als unzulässig zu vermeiden.

b) Die Tatsachen, die der Bekanntheit einer Marke zugrunde liegen, können offenkundig im Sinne von § 291 ZPO sein (hier: intensive Benutzung der Marke über einen längeren Zeitraum in weitem Umfang gegenüber dem allgemeinen Publikum) und auch ohne Einholung eines Verkehrsgutachtens die Annahme rechtfertigen, dass die Marke bekannt im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist.

c) Findet sich mit einer gewissen Häufigkeit die beschreibende Verwendung einer Marke (hier: die Bezeichnung „TÜV“), rechtfertigt dies für sich genommen nicht schon die Annahme, das Zeichen habe sich zu einer gebräuchlichen Bezeichnung im Sinne von § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entwickelt.

d) Allein der Umstand, dass eine bekannte Marke nicht mit der angegriffenen Bezeichnung verwechselt wird, kann die Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht rechtfertigen.

 

BPatG, 3 Ni 7/10 (EU): Offenkundige Vorbenutzung durch Vertrieb eines pharmazeutischen Erzeugnisses

Amtlicher Leitsatz:
Das In-Verkehr-Bringen eines pharmazeutischen Erzeugnisses macht nicht nur den Stoff als solchen, sondern auch dessen Zusammensetzung und Struktur der Öffentlichkeit zugänglich, sofern grundsätzlich die Möglichkeit einer Analyse besteht. Dies gilt auf chemisch-pharmazeutischem Gebiet jedenfalls auch dann, wenn die Analyse zwar umfangreiche zeit- und arbeitsaufwändige qualitative und quantitative Untersuchungen erfordert, für den Fachmann aber die Möglichkeit einer Analyse der Zusammensetzung unter Zuhilfenahme der standardmäßig eingesetzten Methoden nach intensiveren Überlegungen ohne übermäßige, das durchschnittliche Können übersteigende Schwierigkeiten möglich ist (Weiterführung von BGH GRUR 1986, 372, 374 II. 3 d) – Thrombozytenzählung).

BPatG, 7 W (pat) 130/11 – Unterseeboot: Rücknahme des Einspruchs

Amtliche Leitsätze:
1. Das Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren ist in der Hauptsache erledigt, wenn der Einspruch allein auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG) gestützt wurde und der Einsprechende seinen Einspruch zurückgenommen hat.
2. Der Erledigung steht dabei § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG, demzufolge das Einspruchsverfahren nach Einspruchsrücknahme von Amts wegen fortzusetzen ist, nicht entgegen. Dabei ist schon fraglich, ob diese dem Allgemeininteresse dienende Vorschrift auf den Fall eines allein auf § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG gestützten Einspruchs, der ausschließlich der Verfolgung eines Individualinteresses dient, überhaupt anwendbar ist. Ungeachtet dessen scheidet aber auch bei Anwendung dieser Vorschrift jede Sachprüfung der widerrechtlichen Entnahme von Amts wegen aus (Anschluss an BPatGE 36, 213).
3. Der Ausschluss der Sachprüfung und die damit gegebene Erledigung der Hauptsache ist entgegen BPatGE 47, 141, 143 f. – Aktivkohlefilter nicht davon abhängig, ob das Streitpatent auf den Einsprechenden übergegangen ist. Dem steht auch BGH GRUR 1995, 333, 335 – Aluminium-Trihydroxid nicht entgegen, dem zu Folge das Patentamt in seine Sachentscheidung über den Einspruch auch Widerrufsgründe einbeziehen kann, auf die sich der Einsprechende nicht gestützt hat; denn diese Entscheidung betrifft nur solche Einsprüche, die als Popularrechtsbehelfe im Interesse der Allgemeinheit eine umfassende Prüfung der Patentfä-higkeit verfolgen, nicht aber den nur dem Verletzten zustehenden Einspruch wegen einer widerrechtlichen Entnahme. Es wäre aber mit dem (Individual-) Antrag des Verletzten, mit dem dieser sein Erfinderrecht verfolgt, unvereinbar und ginge auch über dessen Rechtsschutzbegeh-ren unzulässig hinaus, wenn nach einem wirksamen, allein auf die widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruch das Patent ohne Prüfung des einzigen geltend gemachten Widerrufsgrund aus einem andern Widerrufsgrund, etwa wegen mangelnder Patentfähigkeit, den der Verletzte weder geltend gemacht hat noch mit seinem Einspruch überhaupt, ohne sich in Widerspruch zu seinem Antrag zu setzen, gleichzeitig verfolgen kann, widerrufen würde. Ungeachtet dessen scheidet ein Widerruf aus sonstigem Grund nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bun-desgerichtshofs (vgl. BGH a. a. O., ebenso BPatGE 36, 213 f.) im Einspruchsbeschwerdever-fahren vor dem Bundespatentgericht ohnehin aus.

BGH, X ZR 68/08 – Memantin

BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – X ZR 68/08 – Memantin

Amtlicher Leitsatz:

Die Entdeckung, dass ein bestimmter Wirkstoff einem bei einer bestimmten Krankheit  – hier: Morbus Alzheimer – auftretenden pathologischen Zustand – hier: dem exzessiven Einstrom von Calciumionen durch N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptorkanäle – entgegen wirkt, kann keine neue Lehre zum technischen Handeln begründen, wenn es im Stand der Technik bekannt war, an dieser Krankheit leidende Patienten zur Linderung der Krankheitssymptome mit dem Wirkstoff zu behandeln und weder eine neue Art und Weise der Wirkstoffgabe gelehrt noch eine Patientengruppe als erfolgreich behandelbar aufgezeigt wird, die mit dem Wirkstoff bislang nicht behandelt worden ist. (-> (zweite) medizinische Indikation)

BGH, X ZR 56/09 – Besonderer Mechanismus: Feststellungsinteresse, Schutzrechtsverwarnung, Vorabanfrage des Parallelimporteurs

Amtliche Leitsätze:
a) Für das Interesse an der Feststellung, dass dem Schutzrechtsinhaber keine Ansprüche aus einem gewerblichen Schutzrecht zustehen, ist eine Verwarnung aus dem Schutzrecht nicht erforderlich. Es genügt, dass sich der Rechtsinhaber eines Anspruchs aus dem Schutzrecht berühmt.
b) Eine Schutzrechtsverwarnung setzt das Verlangen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, jedenfalls dann nicht voraus, wenn dem Verwarnten nicht vorgeworfen wird, das Schutzrecht bereits verletzt zu haben. Es reicht aus, dass der Schutzrechtsinhaber bestimmte Handlungen als Schutzrechtsverletzung bezeichnet und ankündigt, im Fall ihrer Begehung durch den Verwarnten gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
c) Der Schutzrechtsinhaber verliert seine Ansprüche nach dem Besonderen Mechanismus des EU-Beitrittsvertrags vom 16. April 2003 nicht schon dadurch, dass er sich auf eine Anfrage desjenigen, der  ein dem Mechanismus unterliegendes Arzneimittel importieren oder im Inland vertreiben will, auf seine Rechte beruft, ohne konkret mitzuteilen, aus welchem Schutzrecht er diese herleitet.

BGH, I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse: Zum Inverkehrbringen einer Software zum Abruf von Inhalten von Internetseiten

BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – I ZR 159/10 – Automobil-Onlinebörse

UrhG § 87b Abs. 1

a) Vervielfältigen mehrere Nutzer nach Art und Umfang für sich genommen jeweils unwesentliche Teile einer Datenbank, die aber in ihrer Gesamtheit einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank bilden, liegt ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Datenbankherstellers aus § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG nur vor, wenn diese Nutzer die Vervielfältigungen in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken vorgenommen haben.

b) Wiederholte und systematische Vervielfältigungen nach Art oder Umfang unwesentlicher Teile einer Datenbank, die nicht darauf gerichtet sind, durch ihre kumulative Wirkung die Datenbank in ihrer Gesamtheit oder zu einem wesentlichen Teil wieder zu erstellen, laufen einer normalen Auswertung der Datenbank nicht zuwider und beeinträchtigen die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers nicht unzumutbar im Sinne des § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG.

UWG § 4 Nr. 10: 

c) Das Inverkehrbringen einer Software, mit der Inhalte von Internetseiten abgerufen werden können, die deren Betreiber ohne Einschränkungen öffentlich zugänglich gemacht hat, stellt nicht allein deshalb eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG dar, weil die Software es Nutzern erspart, die Internetseite des Betreibers aufzusuchen und die zur Finanzierung der Internetseite eingestellte Werbung zur Kenntnis zu nehmen.

Aus der Urteilsbegründung:

Das  Schutzrecht des  Datenbankherstellers  umfasst nicht Handlungen, mit denen eine Datenbank abgefragt wird. Zwar kann  sich der Datenbankhersteller ein ausschließliches Recht auf Zugang zu seiner Datenbank vorbehalten; er kann den Zugang zur Datenbank auf bestimmte Personen beschränken oder von besonderen Voraussetzungen – beispielsweise finanzieller Art – abhängig machen. Macht er deren Inhalt jedoch Dritten  – und sei es gegen Entgelt  – zugänglich, dann erlaubt sein Schutzrecht ihm nicht, sich den Abfragen dieser Datenbank durch Dritte zu Informationszwecken entgegenzustellen. Erst wenn für die Darstellung des Inhalts der Datenbank auf dem Bildschirm die ständige oder vorübergehende Übertragung der Gesamtheit  oder eines wesentlichen Teils dieses Inhalts auf einen anderen Datenträger erforderlich ist, kann die betreffende Abfrage von der Genehmigung des Inhabers des Schutzrechts abhängig gemacht werden.

Zwar kann der Betreiber den Zugang  zu seiner Internetseite  und deren Inhalten  bestimmten Personen vorbehalten oder von besonderen Voraussetzungen abhängig machen. Macht er  seine Internetseite und deren Inhalte  jedoch  ohne Einschränkungen  öffentlich zugänglich,  kann er – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat  – nicht verlangen, dass Nutzer  seine Internetseite aufsuchen, wenn sie auf deren Inhalte zugreifen wollen. Insbesondere kann er es Nutzern nicht untersagen, die Inhalte seiner Internetseite durch Suchmaschinen abzurufen. Dementsprechend ist auch die Tätigkeit von Suchmaschinen wettbewerbsrechtlich grundsätzlich hinzunehmen, wenn diese lediglich den Abruf vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachter Inhalte ohne Umgehung technischer Schutzmaßnahmen für Nutzer erleichtert (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 18 f. – Paperboy; vgl. auch Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 39/08, GRUR 2011, 56 Rn. 27 = WRP 2011, 88 – Session-ID).