Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, X ZR 104/09: antimykotischer Nagellack II

BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – X ZR 104/09 – antimykotischer Nagellack II

Amtliche Leitsätze;

a) Bei einem nach § 38 ArbEG unbezifferten Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Erfindervergütung ist der Streitwert, soweit der Kläger nicht einen verbindlichen Mindestbetrag angegeben hat, in freier Schätzung nach § 3 ZPO festzusetzen, wobei grundsätzlich nach dem Betrag zu bemessen ist, den das Gericht aufgrund des Sachvortrags des Klägers als angemessen erachtet. Offensichtlich übertriebene Einschätzungen und Angaben insbesondere zu Umständen, über die der Beklagte erst Auskunft erteilen soll, haben dabei außer Betracht zu bleiben.

b) Zielt das Klagebegehren auf eine grundsätzlich abweichende rechtliche Beurteilung der Höhe einer angemessenen Vergütung, muss sich dieses Rechtsschutzziel im Streitwert niederschlagen. Dabei ist jedoch umso mehr Zurückhaltung geboten, desto fernliegender es erscheint, dass die rechtlichen Erwägungen des Klägers die Höhe des Vergütungsanspruchs maßgeblich bestimmen könnten.

BGH, I ZR 174/10 – Bauheizgerät: Rechtsmissbräuchliche Abmahnung

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 – I ZR 174/10 – Bauheizgerät

Amtliche Leitsätze:

a) Schlägt der Abmahnende dem wegen eines Wettbewerbsverstoßes Abgemahnten in einer vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung für jeden Fall der Zuwiderhandlung das Versprechen einer Vertragsstrafe vor, die unabhängig von einem Verschulden verwirkt sein soll, kann dies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs missbräuchlich und nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig ist.

b) Die Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes ist nicht allein deshalb missbräuchlich und nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig, weil eine frühere Abmahnung wegen eines gleichartigen Wettbewerbsverstoßes missbräuchlich und nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig war und sich die spätere Abmahnung ausdrücklich auf die frühere Abmahnung bezieht.

BPatG, 3 ZA (pat) 6/12 – Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren VI

BPatG, Entsch. v. 7. Mai 2012, 3 ZA (pat) 6/12 zu 3 Ni 2/09 – Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren VII:

Amtlicher Leitsatz:

Soweit im Nichtigkeitsverfahren die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen eines zeitgleich anhängigen, das Streitpatent betreffenden Verletzungsverfahren als notwendig angesehen wird, kann diese Wertung jedenfalls dann nicht auf ein paralleles Verfügungsverfahren übertragen werden, wenn sich Verfügungs- und Nichtigkeitsverfahren nur kurz zeitlich überschneiden. Ein spezieller Abstimmungsbedarf, etwa hinsichtlich der Auswirkungen einer beschränkten Verteidigung des Patents auf das Verletzungsverfahren, der die Notwendigkeit einer Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren begründen könnte, ist in diesem Fall nicht gegeben.

EPA, T 2334/11: Änderung auf nicht recherchierte Gegenstände

EPA, Beschwerdekammerentscheidung T 2334/11 vom 24.5.2012

Aus der Entscheidungsbegründung:

Aus der Tatsache, dass ein Merkmal in dem Anspruchssatz, der der Recherche zugrunde lag, nicht enthalten war, folgt nicht zwangsläufig, dass das Merkmal nicht recherchiert wurde (vgl. Entscheidung T 708/00 (ABl. EPA 2004, 160), Entscheidungsgründe, Nr. 4, T 377/01, Nr. 3.1, und T 789/07, Nr. 5.2). So wird in Artikel 92 (1) des zum Zeitpunkt der Recherche anwendbaren EPÜ 1973 – bei einer internationalen Anmeldung wie der vorliegenden i. V. mit Artikel 157 EPÜ 1973 – verlangt, dass der Recherchenbericht „auf der Grundlage der Patentansprüche unter angemessener Berücksichtigung der Beschreibung“ zu erstellen ist, und in den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt – in der heutigen wie auch in der zum Recherchenzeitpunkt einschlägigen Fassung – wird ausgeführt, dass die Recherche „grundsätzlich den gesamten Gegenstand erfassen [sollte], auf den die Ansprüche gerichtet sind oder auf den sie einer vernünftiger Annahme zufolge nach einer Anspruchsänderung gerichtet werden könnte“ (Richtlinien, Teil B, Kapitel III, 3.5).

Bei der Änderung eines ursprünglichen Anspruchs durch das Hinzufügen eines Merkmals bei Anwendung der Regel 137 (5) EPÜ ist grundsätzlich zu untersuchen, ob sich das hinzugefügte Merkmal der ursprünglichen allgemeinen erfinderischen Idee, so wie diese aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen und der Beschreibung hervorgeht, unterordnen lässt (siehe Entscheidung T 1640/07, Nr. 5), und nicht – wie von der Prüfungsabteilung unterstellt -, ob der ursprünglich beanspruchte Gegenstand und der in dem geänderten Anspruch definierte Gegenstand einer a posteriori vorgenommenen Beurteilung der Einheitlichkeit der Erfindung standhalten (vgl. T 708/00, supra, Nr. 5 bis 8 und 16, und T 274/03, Nr. 6). Wäre ein solcher a posteriori-Ansatz – d.h. ein Ansatz unter Berücksichtigung der Patentierbarkeit des ursprünglich beanspruchten Gegenstandes gegenüber dem durch die Recherche aufgefundenen Stand der Technik – bei der Anwendung der Regel 137 (5) EPÜ zu grunde zu legen, so hätte dies zur Folge, dass wenn z.B. der ursprüngliche Anspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik – wie es in der vorliegenden Sache nach Meinung der Prüfungsabteilung der Fall ist – nicht neu wäre, jede Einschränkung des ursprünglich beanspruchten Gegenstandes auf der Basis eines nicht recherchierten Merkmals unmittelbar zu beanstanden wäre, weil aufgrund der mangelnden Neuheit des ursprünglichen Anspruchs 1 der Gegenstand des geänderten Anspruchs mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung unweigerlich durch keine erfinderische Idee zu verbinden wäre. Dies entspräche nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer jedoch weder dem Sinn noch dem beabsichtigten Zweck der Regel 137 (5) EPÜ (vgl. T 708/00, supra, Nr. 4 bis 8 und 16, T 274/03, Nr. 4 bis 6, T 915/03, Nr. 4, T 141/04, Nr. 5.2 und 5.3, und T 1394/04, Nr. 4). Vielmehr hat sich die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Regel 137 (5) EPÜ (früher Regel 137 (4) EPÜ bzw. Regel 86 (4) EPÜ 1973) u. a. daran orientiert, dass während Änderungen eines beanspruchten Gegenstands, die das Wesen oder die Natur der Erfindung – insbesondere durch das Ersetzen bzw. das Weglassen von Merkmalen in einem Anspruch, vgl. T 442/95, Nr. 5 und 6, und T 274/07, Nr. 3 – erheblich verändern, Anlass zu einer Beanstandung nach Regel 137 (5) EPÜ geben können, die bloße Einschränkung bzw. die Konkretisierung oder Ergänzung eines Anspruchs durch Aufnahme eines in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbarten Merkmals – um z. B. einem Einwand fehlender Klarheit bzw. mangelnder Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit zu begegnen – in der Regel nicht zu einem Mangel an Einheitlichkeit mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung im Sinne von Regel 137 (5) EPÜ führt (vgl. T 708/00, supra, Entscheidungsgründe, Nr. 17, T 377/01, Nr. 3.1, T 274/03, Nr. 5 und 6, T 915/03, Nr. 4.1, T 141/04, Nr. 5.4 bis 5.6, T 978/04, Nr. 3.3 und 3.4, T 1394/04, Nr. 3 bis 7, T 372/05, Nr. 2.2, T 1719/06, Nr. 3, und T 264/09, Nr. 4.2; siehe auch die Richtlinien, Teil C, Kapitel VI, Nr. 5.2-ii), erster Absatz).

CDU/CSU: Diskussionspapier zur Vereinfachung des Urheberrechts und Softwarepatenten

Die beiden stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Günter Krings und Michael Kretschmer haben am Dienstag ein Diskussionspapier veröffentlicht, in dem sie ihre Vorstellung über die Zukunft des Urheberrechts darlegen. Das Papier weist zurecht darauf hin, dass „das deutsche Urheberrecht sich im Grundsatz bewährt hat“ und „nicht neu geschaffen werden muss“. In der aktuellen Urheberrechtsdebatte wird leider allzu oft – in Unkenntnis der Materie – die in Jahrhunderten erfolgte Entwicklung des Urheberrechts blind negiert. Das Urheberrecht entwickelt sich, wie jeder andere Rechtsbereich auch, ständig fort und passt sich den aktuellen Gegebenheiten an. Etabliertes umzustürzen zu wollen ist schlicht naiv – und in Unkenntnis der Materie zudem eine Anmaßung.

Im Detail ist das Papier aber durchaus problematisch. Die Aussage, „Computerprogramme werden richtigerweise durch das Urheberrecht geschützt“, „Softwarepatente auf Quell-Codes laufen dem urheberrechtlichen Schutzzweck zuwider“ ist nicht mit der aktuellen Rechtssituation kompatibel. Patentschutz und Urheberschutz laufen einander nicht zuwider. Der Schutzgedanke von Patentrecht und Urheberrecht sind auf unterschiedliche Aspekte gerichtet. Urheberrecht schützt kulturelle Werke. Patente schützen technische Erfindungen. Eine Steuersoftware für einen Roboter, die einen technischen Beitrag liefert ist als technische Erfindung patentierbar. Das Urheberrecht bietet für die technische Erfindung hinter solch einer Steuersoftware keinen Schutz. Das Patentrecht hat mit der Erfordernis eines technischen Beitrages ein Kriterium herausgearbeitet, mit dem zwischen patentierbarer Software (Robotersteuerung, ABS-System, etc.) und nicht patentierbarer Software (Geschäftsverfahren, Spielideen, etc) unterschieden werden kann. Die Rechtsprechung hat dieses Kriterium in jahrzehnterlanger Entwicklung herausgearbeitet und damit eine Lösung gefunden, die dem Grundanliegen des Patentschutzes gerecht wird.

Eine scharfe Trennlinie zwischen technisch und nicht-technisch zu ziehen ist, zugegeben, schwierig, so dass so mancher Einzelfall unter Interessensabwägung entschieden werden muss. Das ist in anderen Rechtsgebieten aber auch nicht anders üblich und führt unter Berücksichtigung der den Normen zugrunde liegenden Gedanken in der Regel zu vernünftigen Ergebnissen.

BGH, I ZR 196/10 – Kosten des Patentanwalts III

BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – I ZR 196/10 – Kosten des Patentanwalts III

Amtliche Leitsätze:

a) Zu den Kennzeichenstreitsachen im Sinne des § 140 Abs. 1 MarkenG zählen auch Verfahren der einstweiligen Verfügung, durch die ein Anspruch aus einem der im Markengesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird.

b) Hat neben einem Rechtsanwalt auch ein Patentanwalt an der Abwehr einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung mitgewirkt, kann die Erstattung der durch die Mitwirkung des Patentanwalts entstandenen Kosten nach §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB nur beansprucht werden, wenn der Anspruchsteller darlegt und nachweist, dass die Mitwirkung des Patentanwalts erforderlich war. Diese Voraussetzung ist in der Regel allenfalls dann erfüllt, wenn der Patentanwalt dabei Aufgaben übernom-men hat, die – wie etwa Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage – zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts gehören.

c) Die Notwendigkeit der außergerichtlichen Mitwirkung eines Patentanwalts neben einem Rechtsanwalt kann nicht im Wege einer typisierenden Betrachtungsweise für komplexe oder bedeutsame Angelegenheiten generell bejaht werden.

BGH, I ZR 26/11: Absoluter Revisionsgrund der unbegründeten Entscheidung

BGH, Beschluss vom 30. November 2011 – I ZR 26/11

Die Beurteilung der Frage, ob die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) zuzulassen ist, wenn der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 6 ZPO geltend gemacht wird und dieser auch vorliegt, hängt maßgeblich davon ab, mit welcher Intensität sich die fehlende Begründung auf die Entscheidung auswirkt.

BPatG, 29 W (pat) 115/11: Gegenstandswert im Markenwiderspruchsverfahren

BPatG, Beschl. v. 14. März 2012 29 W (pat) 115/11

Aus der Urteilsbegründung:

Die Rechtsprechung der Markensenate des Bundespatentgerichts zu dem Gegenstandswert der Widerspruchsbeschwerde ist uneinheitlich. Während einige Senate (BPatG 27 W(pat) 75/08; BPatG 26 W (pat) 47/10) den Gegenstandswert bei unbenutzten Marken im Anschluss an die regelmäßige Wertfestsetzung des Bundesgerichtshofs mit 50.000 € annehmen, halten andere Senate (BPatG 24 W (pat) 18/10; BPatG 25 W (pat) 29/10; BPatG 28 W (pat) 52/09; BPatG 30 W (pat) 108/05; BPatG 33 W (pat) 84/04) an dem Gegenstandswert von 20.000 € im Widerspruchsbeschwerdeverfahren fest.

Die Abstufung der Gegenstandswerte je nach Instanzenzug ist dem System der Streitwertfestsetzung fremd. Das Gerichtskostengesetz enthält keine Differenzierung der Wertvorschriften für die Ausgangs-, Berufungs- oder Revisionsinstanz. Die Unterschiede in der Vergütung werden durch unterschiedliche Gebührensätze bewirkt.

Der Umstand, dass § 23 Abs. 3 RVG im Gegensatz zu dem für den Bundesgerichtshof anwendbaren § 51 GKG einen Regelstreitwert und eine Obergrenze vorsieht, rechtfertigt eine unterschiedliche Streitwertfestsetzung nicht.

Auch die Absicht des Gesetzgebers, den Beteiligten des Widerspruchsverfahrens ein schnelles, einfaches und kostengünstiges Verfahren einzuräumen, rechtfertigt eine hinter dem wirtschaftlichen Wert der Marke zurückbleibende Gegenstandswertfestsetzung nicht. Denn der Markenschutz hat mit der Einführung des Grundgesetzes in Art. 14 GG eine Aufwertung erfahren, die auch in der Überprüfung der Entscheidungen des DPMA durch ein verwaltungsgerichtliches Verfahren vor dem Bundespatentgericht ihren Ausdruck findet. Spätestens seit Geltung des neuen Markengesetzes ist das markenrechtliche Widerspruchsverfahren kein summarisches Verfahren mehr, sondern beinhaltet eine eingehende und umfassende Prüfung unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen. Außerdem steht demjenigen, der wirtschaftlich zur Rechtsverfolgung oder –verteidigung nicht in der Lage ist, auch im Verfahren vor dem Bundespatentgericht die Verfahrenskostenhilfe offen (BGH GRUR 2009, 88).“>BPatG, Beschl. v. 14. März 2012 29 W (pat) 115/11;