Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 173/2013: Bundesgerichtshof legt Europäischem Gerichtshof Frage zur Auskunftspflicht von Bankinstituten über Kontodaten bei Markenfälschungen vor

Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 173/2013: Bundesgerichtshof legt Europäischem Gerichtshof Frage zur Auskunftspflicht von Bankinstituten über Kontodaten bei Markenfälschungen vor

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob ein Bankinstitut eine Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist.

Die Klägerin ist Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb von Davidoff-Parfüms. Im Januar 2011 bot ein Verkäufer auf der Internetplattform eBay ein Parfüm unter der Marke „Davidoff Hot Water“ an, bei dem es sich um eine Produktfälschung handelte. Als Konto, auf das die Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte, war bei eBay ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto angegeben. Die Klägerin ersteigerte das Parfüm und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto. Nach Darstellung der Klägerin konnte sie nicht in Erfahrung bringen, wer Verkäufer des gefälschten Parfüms war. Sie hat deshalb die beklagte Sparkasse nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG auf Auskunft über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankgeheimnisses zur Verweigerung der Auskunft berechtigt.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt der Vertrieb des gefälschten Parfüms eine offensichtliche Rechtsverletzung dar. Die beklagte Sparkasse hat durch die Führung des Girokontos, über das der Verkäufer den Zahlungsverkehr abgewickelt hat, auch eine für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht. Damit liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG an sich vor. Die beklagte Sparkasse braucht die begehrte Auskunft aber nicht zu erteilen, wenn sie nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Verweigerung des Zeugnisses im Prozess berechtigt ist. Da § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG Art. 8 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umsetzt, muss das Recht zur Verweigerung der Auskunft durch die Richtlinie gedeckt sein. In Betracht kommt insoweit Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie, der den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen und die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Im Streitfall stellt sich die Frage, ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie unterfallen und – wenn dies der Fall sein sollte – ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Markenverletzungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss. Da die Frage die Auslegung von Unionsrecht betrifft, hat der Bundesgerichtshof sie dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Bundesgerichtshof hat in dem Vorlagebeschluss erkennen lassen, dass aus seiner Sicht das Interesse an einer effektiven Verfolgung einer Schutzrechtsverletzung den Vorrang vor dem Interesse der Bank haben sollte, die Identität des Kontoinhabers geheimzuhalten.

BGH, X ZR 83/1 – Nichtigkeitsstreitwert II: „Streitwertaufteilung“ im Nichtigkeitsverfahren

BGH, Beschluss vom 27. August 2013 – X ZR 83/1 – Nichtigkeitsstreitwert II

Amtlicher Leitsatz:

Wird das Streitpatent von mehreren Klägern in demselben Umfang angegriffen, ist für eine Aufteilung des Streitwerts auf die einzelnen Klagen und eine gesonderte Wertfestsetzung für den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des einzelnen Klägers kein Raum.

BGH, I ZB 68/12: Verfahrensgebühr bei Kostenwiderspruch

BGH, Beschluss vom 15. August 2013 – I ZB 68/12

Amtlicher Leitsatz:

Wendet sich der anwaltlich vertretene Antragsgegner mit dem Kostenwiderspruch gegen die im Verfügungsverfahren gegen ihn ergangene Kostenentscheidung, fällt auf seiner Seite keine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziffer 1 VV RVG aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens an (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 22. Mai 2003 – I ZB 38/02, WRP 2003, 1000; Beschluss vom 26. Juni 2003 – I ZB 11/03, BGHReport 2003, 1115).

BGH, X ZR 19/12 – Tretkurbeleinheit: Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren

BGH, Urteil vom 27. August 2013 – X ZR 19/12 – Tretkurbeleinheit

Amtliche Leitsätze:

a) Ein neues Angriffsmittel, das aus im zweiten Rechtszug neu eingeführten technischen Informationen einer Entgegenhaltung hergeleitet werden und das Klagevorbringen stützen soll, ist im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren unabhängig davon nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, ob Vorveröffentlichung und technischer Inhalt der Entgegenhaltung außer Streit stehen. Für Dokumente, die eine von der Erfindung wegführende technische Entwicklung belegen könnten und daher als Verteidigungsmittel des Beklagten in Betracht kommen, gilt Entsprechendes.

b) Beruft sich der Kläger darauf, eine Entgegenhaltung erst durch eine nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils durchgeführte Recherche aufgefunden zu haben, ist das hierauf gestützte Angriffsmittel nur dann nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen, wenn der Kläger dartut, dass die Entgegenhaltung mit einem sachgerecht gewählten Suchprofil bei der für die Begründung der Patentnichtigkeitsklage durchgeführten Recherche nicht aufgefunden werden konnte.

Aus der Urteilsbegründung:

Im Übrigen setzt die Darlegung mangelnder Nachlässigkeit bei der Ermittlung des für die Begründung des Klageangriffs relevanten Standes der Technik voraus, dass der Kläger konkret dartut, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt hat, warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat, und dass bei dem gewählten Suchprofil der in zweiter Instanz vorgebrachte Angriff gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents in erster Instanz nicht geführt werden konnte. Erst durch eine solche – im Streitfall fehlende – Darlegung wird der Beklagte in die Lage versetzt, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die erstinstanzliche Recherche sorgfältiger Prozessführung entsprochen hat, und dem Bundesgerichtshof die Prüfung ermöglicht, ob die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO für die Zulassung des neuen Vorbringens vorliegen. Nach § 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c PatG gehören die Tatsachen, aufgrund deren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 PatG zuzulassen sind, deshalb auch zu den Berufungsgründen, die bereits die Berufungsbegründung enthalten muss, wenn sie die Zulässigkeit der Berufung tragen sollen. Es war erklärtes Regelungsziel des Reformgesetzgebers, das Nichtigkeitsberufungsverfahren zu einem Instrument der Fehlerkontrolle und -beseitigung umzugestalten (Begründung zum Entwurf zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BlPMZ 2009, 307, 316). Dem reformierten Patentgesetz liegt das gesetzgeberische Bekenntnis zu einem Patentnichtigkeitsverfahren zugrunde, in dem der Streitstoff in erster Instanz prinzipiell abschließend festgelegt wird und der später nur unter den Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung der §§ 529 bis 531 ZPO erweitert werden kann. Mit dieser Zielsetzung wäre die Gestattung eines unter den Vorbehalt subjektiver Zweckmäßigkeit gestellten, prinzipiell zwischen den beiden Instanzen des Nichtigkeitsverfahrens unterscheidenden Patentrechercheaufwands unvereinbar.

Über die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents entscheidet, ob der Stand der Technik die unter Schutz gestellte technische Lehre vorwegnimmt oder dem Fachmann hinreichende Anregungen vermittelt, bekannte technische Lösungen zu dieser technischen Lehre abzuwandeln oder weiterzuentwickeln. Der Stand der Technik besteht dabei aus der regelmäßig unüberschaubaren Vielzahl von Druckschriften und sonstigen Entgegenhaltungen, aus der sich Bausteine für die dem Kläger des Patentnichtigkeitsverfahrens obliegende Darlegung ergeben können, dass und inwiefern der Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich getroffen oder dem Fachmann nahegelegt gewesen sei. Von den eher seltenen Fällen abgesehen, in denen relevante Bestandteile des Standes der Technik aus einer vom Kläger behaupteten Offenkundige Vorbenutzung|offenkundigen Vorbenutzung bestehen oder der Zeitpunkt streitig ist, zu dem eine bestimmte technische Lehre der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, besteht der im Rechtsstreit erörterte Stand der Technik im Wesentlichen aus amtlich veröffentlichten Patentdokumenten oder anderen Veröffentlichungen feststehenden Datums und ist daher in aller Regel als solcher unstreitig. Ein Angriffsmittel wird aus dem typischerweise ebenso unbegrenzten wie unüberschaubaren Stand der Technik jedoch erst durch die Darlegung des Klägers, welchen konkreten Beitrag welche Bestandteile welcher Entgegenhaltung zu der geltend gemachten mangelnden Patentfähigkeit leisten sollen((BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 99/11, BGHZ 194, 290 Rn. 36 – Fahrzeugwechsel-stromgenerator)). Obwohl über die Patentfähigkeit letztlich die rechtlichen Schlussfolgerungen entscheiden, die aus den (potentiell) relevanten Beiträgen zur Beurteilung der Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit zu ziehen sind, ist das Patentgericht weder verpflichtet noch auch nur berechtigt, von sich aus zu ermitteln, worin diese relevanten Beiträge liegen könnten. Andernfalls könnte sich der Kläger darauf beschränken, eine Vielzahl von Entgegenhaltungen vorzulegen oder auch nur aufzulisten, und es dem Patentgericht überlassen, deren Inhalt auszuwerten und zu prüfen, ob und inwiefern sich hieraus Anhaltspunkte für eine mangelnde Patentfähigkeit ergeben. Damit würde das Patentgericht jedoch seine Aufgabe verfehlen, unparteiisch zu wägen, ob der Klagevortrag das Klagebegehren rechtfertigt, und sich in die Rolle eines Klägerhelfers begeben; dafür bietet indes auch der Amtsermittlungsgrundsatz keine Grundlage. Dies erhellt, dass im Patentnichtigkeitsverfahren die unstreitige Zugehörigkeit einer bestimmten Entgegenhaltung zum Stand der Technik keinen tauglichen Maßstab für die Qualifikation als (neues) Angriffsmittel bilden kann. Angriffsmit-tel ist vielmehr die Darlegung des Klägers, welche bestimmten technischen Informationen, die der Fachmann einer bestimmten Entgegenhaltung oder be-stimmten Entgegenhaltungen entnehmen kann, das Klagebegehren rechtfertigen sollen. Für Entgegenhaltungen, die eine von der Erfindung wegführende technische Entwicklung belegen könnten und daher als Verteidigungsmittel des Beklagten in Betracht kommen, gilt Entsprechendes.

BPatG, 24 W (pat) 75/10 – Farbmarke Blau

BPatG, Urt. v. 19. März 2013, 24 W (pat) 75/10 – Farbmarke Blau

Amtliche Leitsätze:

1. Der selbständige Markencharakter einer konturlosen Einfarbmarke, die zu den Grundfarben zählt, tritt nicht erkennbar hervor, wenn die beanspruchte Farbe lediglich im Hintergrund einer bekannten Wort-marke verwendet wird und als deren farbiger, dekorativ ausgestalteter Hintergrund die graphisch zwin-gende Funktion hat, das in weißen Buchstaben geschriebene Markenwort überhaupt erst sichtbar zu machen.

2. Der selbständige Markencharakter einer konturlosen Einfarbmarke, die zu den Grundfarben zählt, tritt nicht erkennbar hervor, wenn die beanspruchte Farbe stets nur in Verbindung mit einer bestimmten zweiten Farbe und im Verhältnis zur dieser und weiteren Farben zu wechselnden, die Produktgestaltung nicht durchgehend dominierenden Anteilen verwendet wird.

3. Der Verkehr kann in einer Farbe an sich, die zu den Grundfarben zählt, dann keinen eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen, wenn der Einsatz dieser Farbe sich nicht von dem in der maßgebenden Branche üblichen Farbeinsatz abhebt und es den Gewohnheiten des betreffenden Marktes entspricht, Farben als Sachhinweis sowie zum Zwecke der Dekoration einzusetzen.

4. Für die Verkehrsdurchsetzung einer konturlosen Einfarbmarke, die zu den Grundfarben zählt, die auf dem einschlägigen, von Farbenvielfalt geprägten Markt häufig zu rein dekorativen Zwecken verwendet wird, die außerdem als beschreibende Angabe etabliert ist und die der Markeninhaber im Verkehr nie allein, sondern stets zumindest auch in Verbindung mit einer bestimmten anderen Farbe und gerade nicht durchgehend als Hintergrundfarbe bzw. die Warenverpackung dominierende Farbe verwendet, ist ein hoher Zuordnungsgrad von mindestens 75 % erforderlich.

BPatG, Beschl. v. 25. Juli 2013 – Nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung und Wiedereinsetzung bei Rechtsirrtum

BPatG, Beschl. v. 25. Juli 2013 – Nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung

Amtlicher Leitsatz:

Ist das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt i. S. d. Art. III § 4 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG, richtet sich die Höhe der nationalen Gebühr, die der Anmelder eines Patents nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. den Vorschriften des Patentkostengesetzes zu entrichten hat, nach der Anzahl der Patentansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung der internationalen Anmeldung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zur nationalen Gebühr einer internationalen Anmeldung:

Die Einreichung der Unterlagen für die Einleitung der nationalen Phase stellt dagegen – anders als die Anmelderin meint – keinen die Fälligkeit von Gebühren auslösenden Tatbestand nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG dar. Sie kann weder als Antrag noch als sonstige Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG angesehen werden mit der Folge, dass die nationale Gebühr erst zu diesem Zeitpunkt fällig und nach der Zahl der mit diesen Unterlagen eingereichten Ansprüche zu bemessen wäre.

Ebenso wenig gebieten Sinn und Zweck der mit Art. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) eingeführten anspruchsabhängigen Anmeldegebühr, die Höhe der nationalen Gebühr nach der Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt der Einleitung der nationalen Phase zu bemes-sen. Es trifft zwar zu, dass nach der Begründung zur Änderung des Patentkostengesetzes (BT-Drucks. 16/11339, S. 17) mit der Bemessung der Höhe der Anmeldegebühr nach der Zahl der Patentansprüche dem Anmelder ein Anreiz für eine Begrenzung der Patentansprüche gegeben werden sollte, um so die Arbeitsbelastung des DPMA zu reduzieren. Wie bereits dargelegt, hat die internationale Anmeldung nach Art. 11 Abs. 3 PCT mit dem internationalen Anmeldedatum und mit der zu diesem Zeitpunkt eingereichten Zahl der Ansprüche im Bestimmungsstaat die Wirkung einer nationalen Anmeldung. Will der Anmelder eine geringere Gebühr bezahlen, muss er die Zahl seiner Ansprüche schon bei Einreichung der internationalen Anmeldung entsprechend begrenzen.

Im Übrigen erhielte auch ein Anmelder im nationalen Verfahren, wenn er ursprünglich mehr als zehn Ansprüche eingereicht hat, und die Anmeldung im Laufe des Verfahrens auf zehn oder weniger Ansprüche reduziert, die für den elften und jeden weiteren Anspruch entrichtete Gebühr nicht zurück, auch wenn sich durch die Einschränkung die Arbeitslast des DPMA verringert haben mag.

Im Falle der Reduzierung der Ansprüche beim Eintritt in die europäische Phase ist die Regelung in der AusfOEPÜ für den Anmelder günstiger als die für die Praxis des DPMA gültige Rechtslage. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass das DPMA als Bestimmungsamt bei der Bemessung der Gebühren gleich zu verfahren hätte wie das EPA. Da die Regelungen des PCT eine Bemessung der nationalen Gebühr nach der Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt der internationalen Anmeldung zulassen, besteht für den deutschen Gesetzgeber keine Verpflichtung, eine analoge Regelung zu Regel 162 AusfOEPÜ vorzusehen, die eine Reduzierung der Zahl der Ansprüche beim Eintritt in die nationale Phase bei der Bemessung der Gebühren berücksichtigt. Der Europäischen Patentorganisation steht es wie jedem anderen Vertragsstaat des PCT frei, insoweit eine für den Anmelder gegenüber dem PCT günstigere Regelung vorzusehen: Dies verpflichtet die übrigen Vertragsstaaten des PCT jedoch nicht dazu, eine gleichermaßen günstige Regelung zu schaffen oder zu praktizieren.

Zur Wiedereinsetzung bei Rechtsirrtum:

Eine falsche Gesetzesauslegung ist zwar grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund. Jeder Verfahrensbeteiligte ist grundsätzlich verpflichtet, sich die Kenntnis über das geltende Recht zu verschaffen, das für das ihn betreffende Verfahren gilt. Insbesondere ein Anwalt muss das jeweils geltende Recht vollinhaltlich ken-nen (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 136).

Nach der Rechtsprechung kann jedoch ausnahmsweise Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Rechtsirrtum auch bei zumutbarer Sorgfalt nicht zu vermeiden war (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 137). Dies kann dann anzunehmen sein, wenn durch eine Rechtsänderung die Rechtslage unübersichtlich geworden ist, so dass eine irrtümliche Auslegung entschuldbar erscheint (vgl. BPatG, Beschl. v. 4. Oktober 1990 – 18 W (pat) 40/90, BPatGE 31, 266, 269).

So liegt der Fall hier. Durch Art. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung und Moderni-sierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) wurde die Bemessung der Höhe der Anspruchsgebühr nach der Zahl der Ansprüche eingeführt. Dabei wurde durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes das Gebührenverzeichnis in der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG dahingehend geändert, dass sich für eine Anmeldung mit 11 und mehr Ansprüchen die Anmeldegebühr bei einer elektronischen Anmeldung um 20 Euro und bei einer Anmeldung in Papierform um jeweils 30 Euro pro Anspruch erhöht. Die Überschrift zu den insoweit einschlägigen Gebührennummern 311 000, 311 050 und 311 100 lautet: „Anmeldeverfahren (§ 34 PatG, Artikel III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜbkG)“. Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG wurde durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts dagegen nicht geändert. Aus der Auflistung im Gebührenverzeichnis lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, dass sich die Gebühr im Falle einer internationalen Anmeldung, deren Überleitung in die nationale Phase ansteht, nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet. Die gleichrangige Nennung von § 34 PatG und Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG unter der Überschrift „Anmeldeverfahren“ im Gebührenverzeichnis lässt es auch denkbar erscheinen, dass für die Höhe der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG die Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt des Eintritts in die nationale Phase maßgeblich sein solle. Schließlich hat auch das DPMA der Anmelderin nach Einreichung der deutschen Übersetzung und Zahlung der nach der Zahl der vor dem DPMA noch beanspruchten Ansprüche bemessenen Gebühr mit Bescheid vom 11. August 2011 zunächst mitgeteilt, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei. Vor diesem Hintergrund ist es auch einem Anwalt nicht vorzuwerfen, wenn er die gesetzlichen Vorschriften in diesem Sinne interpretiert hat, dass die Zahlung einer Gebühr entsprechend der Zahl der bei Einleitung der nationalen Phase noch verfolgten Ansprüche den gesetzlichen Vorgaben ent-spricht. Dass die Rechtslage als unübersichtlich gelten kann, lässt sich auch dar-aus entnehmen, dass sich der Gesetzgeber veranlasst sieht, durch eine abermalige Änderung des Gebührenverzeichnisses des § 2 Abs. 1 PatKostG und durch eine Änderung des Art. III § 4 IntPatÜG klarzustellen, dass sich die nationale Ge-bühr im Fall einer internationalen Anmeldung nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet (vgl. Art. 4 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes, BT-Drucks. 17/10308).

BPatG, 4 Ni 28/11 (EP) – Bildprojektor: Unzulässigkeit des Prioritätsdisclaimers

BPatG, Urt. vom 1. August 2013 – 4 Ni 28/11 (EP) – Bildprojektor

Amtliche Leitsätze:

1. Kann eine Priorität nach Art. 87 EPÜ für einen Patentanspruch eines EP-Patents nicht in Anspruch genommen werden, weil dieser ein beschränkendes Anspruchsmerkmal enthält, welches über den Inhalt des Prioritätsdokuments hinausgeht, so ist es nicht zulässig, die erforderliche Erfindungsidentität durcheine schutzbeschränkende Erklärung (Prioritätsdisclaimer) herzustellen.

2. Die beschränkte Verteidigung eines im Nichtigkeitsverfahren wegen mangelnder Patentfähigkeit angegriffenen Patentanspruchs eines EP-Patents unter Erklärung eines sog. Prioritätsdisclaimers oder dessen Aufnahme in den Patentanspruch ist deshalb unzulässig.

BGH, I ZR 80/12 – File-Hosting-Dienst (Rapidshare)

BGH, Urteil vom 15. August 2013 – I ZR 80/12 – File-Hosting-Dienst

a) Ist das Geschäftsmodell eines File-Hosting-Dienstes nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt, ist der Umstand, dass der Betreiber durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung des Dienstes fördert, bei der Bestimmung des Umfangs der ihm als Störer obliegenden Prüfpflichten zu berücksichtigen (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 21 ff. – Alone in the Dark).

b) Leistet ein File-Hosting-Dienst durch sein konkretes Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub, so ist ihm eine umfassende regelmäßige Kontrolle der Linksammlungen zuzumuten, die auf seinen Dienst verweisen (Fortführung von BGHZ 194, 339 Rn. 39 – Alone in the Dark).

c) Die Prüfpflichten des Störers, die sich danach ergeben, bestehen in Bezug auf jedes Werk, hinsichtlich dessen ihm eine klare Rechtsverletzung angezeigt worden ist; sie verringern sich nicht deswegen, weil er auf eine große Zahl von Verletzungen – im Streitfall auf das Öffentlich-Zugänglichmachen von über 4800 Musiktiteln – hingewiesen worden ist.

BGH, I ZB 56/11 – Schokoladenstäbchen II

BGH, Beschluss vom 28. Februar 2013 – I ZB 56/11 – Schokoladenstäbchen II

Amtliche Leitsätze:

a) Die graphische Darstellbarkeit und die für die Bejahung der Markenfähigkeit erforderliche hinreichende Bestimmtheit einer Marke im Sinne von Art. 2 MarkenRL gehören zu den wesentlichen Grundlagen des harmonisierten Markenrechts und fallen daher unter den Begriff der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ, Art. 5 Abs. 1 MMA.

b) Den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit eines Zeichens im Sinne von Art. 2 MarkenRL, § 3 Abs. 1 MarkenG genügt es nicht, wenn sich der Gegenstand einer Anmeldung auf unterschiedliche Erscheinungsformen erstreckt.

c) Die wegen Unbestimmtheit fehlende Markenfähigkeit ist nicht nur im Eintragungsverfahren relevant, sondern kann auch zur Schutzentziehung einer bereits eingetragenen Marke führen.

BGH, I ZB 79/11: kerngleiche Verletzungsformen

BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – I ZB 79/11

Amtliche Leitsätze:

a) Eine Anschlussbeschwerde kann auch nach Vorlage der Beschwerde an das Beschwerdegericht beim erstinstanzlichen Gericht eingelegt werden.

b) Ein ausschließlich die konkrete Verletzungshandlung aufgreifendes Verbot ist nicht zwangsläufig auf identische oder nahezu identische Handlungen beschränkt, sondern kann auch kerngleiche Verletzungsformen erfassen. Die Zuordnung einer Handlung zum Kernbereich des Verbots scheidet allerdings aus, wenn sie nicht Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen ist.