Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, I ZR 133/13 – Keksstangen

BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – I ZR 133/13 – Keksstangen

Amtliche Leitsätze:

a) Eine Erstbegehungsgefahr des Bewerbens, Anbietens, Vertreibens und Inverkehrbringens gegenüber inländischen Verbrauchern folgt nicht ohne weiteres aus der Präsentation des Produkts (hier: Keksstangen) auf einer internationalen, ausschließlich dem Fachpublikum zugänglichen Messe.

b) Die bei einem Fachpublikum vorhandenen Kenntnisse der am Markt vertretenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Herkunft stehen auch im Hinblick auf nahezu identische Nachahmungsprodukte regelmäßig der Annahme einer unmittelbaren Verwechslung mit dem Originalprodukt und der irrtümlichen Annahme von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen entgegen, wenn die Produkte in Packungen mit gegenüber dem Originalprodukt deutlich unterschiedlichen Herkunftshinweisen vertrieben werden.

BGH, I ZB 61/13 – Langenscheidt-Gelb

BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2014 – I ZB 61/13 – Langenscheidt-Gelb

Amtliche Leitsätze:

a) Für eine markenmäßige Verwendung einer Farbe spricht deren langjährige und durchgängige Verwendung durch den Marktführer im gesamten Produktsegment (hier: zweisprachige Wörterbücher in Printform). In diesem Fall steht der Annahme einer markenmäßigen Ver-wendung der Umstand nicht entgegen, dass die Farbe zusammen mit weiteren Kennzeichen verwendet wird.

b) Ob der Verbraucher in einer konturlosen Farbmarke einen betrieblichen Herkunftshinweis sieht, kann durch demoskopische Untersuchungen nur festgestellt werden, wenn Gegenstand der Befragung ein Muster der Farbe und nicht die konkrete Form der Verwendung zusammen mit weiteren Zeichen ist.

c) Für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung einer abstrakten Farbmarke im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG ist kein deutlich über 50% liegender Durchsetzungsgrad erforderlich.

d) Liegt zwischen Anmeldetag und Zeitpunkt der Fertigung eines demoskopischen Gutachtens ein großer Zeitraum (hier: 13 Jahre), schließt dies grundsätzlich die Annahme aus, dass das Ergebnis des Gutachtens auf den Anmeldetag bezogen werden kann. Etwas anderes kann nur in besonderen, an strenge Voraussetzungen geknüpften Fallgestaltungen gelten. Von einem solchen Ausnahmefall ist auszugehen, wenn in speziellen Warenbereichen die in Frage stehenden Produkte sich nicht rasch ändern, die Marktentwicklung über lange Zeit-räume zuverlässig beurteilt werden kann und die für die Verkehrsdurchsetzung sprechenden Umstände eindeutig sind.

BGH, I ZR 29/13 – RESCUE-Produkte

BGH, Beschluss vom 12. März 2015 – I ZR 29/13 – RESCUE-Produkte

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Art. 4
Abs. 3, Art. 10 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 2
der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben
über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9) in der
zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1047/2012 der Kommission vom
8. November 2012 (ABl. Nr. L 310 vom 9. November 2012, S. 36) geänderten
Fassung folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind in Pipettenfläschchen mit einem Inhalt von 10 oder 20 ml und
als Spray über Apotheken vertriebene, als Spirituosen bezeichnete
Flüssigkeiten mit einem Alkoholgehalt von 27 Volumenprozent
Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent
im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006, wenn nach den auf ihren Verpackungen gegebenen
Dosierungshinweisen

a) vier Tropfen der Flüssigkeit in ein Wasserglas zu geben und
über den Tag verteilt zu trinken oder bei Bedarf vier Tropfen
unverdünnt zu sich zu nehmen sind,

b) zwei Sprühstöße der als Spray vertriebenen Flüssigkeit auf
die Zunge zu geben sind?

2. Falls die Fragen zu 1 a und b zu verneinen sind:
Müssen auch bei Verweisen auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile
im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a
und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung vorliegen?

3. Gilt die Bestimmung des Art. 28 Abs. 2 Halbs. 1 der Verordnung
(EG) Nr. 1924/2006, wenn das betreffende Produkt unter seinem
Markennamen vor dem 1. Januar 2005 nicht als Lebensmittel,
sondern als Arzneimittel vermarktet wurde?

BGH, I ZB 38/14 – Flugkosten

BGH, Beschluss vom 6. November 2014 – I ZB 38/14 – Flugkosten

Amtliche Leitsätze:

Bei der Frage, ob zu den erstattungsfähigen Reisekosten eines Rechtsanwalts zur Terminswahrnehmung die Kosten einer Flugreise zählen, ist die Zeitersparnis gegenüber anderen Beförderungsmitteln zu berücksichtigen.

Die Kosten der Einschaltung eines Unterbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung sind bis 110% der fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung erstattungsfähig.

BGH, I ZR 26/13 – Kostenlose Zweitbrille

BGH, Urteil vom 6. November 2014 – I ZR 26/13 – Kostenlose Zweitbrille

Amtliche Leitsätze:

a) Die naheliegende Möglichkeit, dass sich ein Verbraucher wegen einer zusätzlich angebotenen kostenlosen Zweitbrille für das entsprechende Angebot entscheidet, ohne zuvor zu prüfen, ob das Angebot eines anderen Unternehmens seinen Bedürfnissen besser entspricht, begründet die für die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG erforderliche abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten.

b) Ein nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG zulässiger Mengenrabatt liegt vor, wenn zu einem Einzelstück ein gleiches Produkt als Zuwendung gewährt wird, so dass der Empfänger insgesamt zwei gleiche Waren erhält.

c) Eine gleiche Ware im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG setzt voraus, dass es sich um eine Ware in identischer Qualität wie die entgeltlich abgegebene Ware handelt.

BGH, X ZR 76/13 – Stabilisierung der Wasserqualität

BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 – X ZR 76/13 – Stabilisierung der Wasserqualität

Amtliche Leitsätze:

a) Ob eine Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fach-mann sie ausführen kann, ist ebenso eine Rechtsfrage wie die Frage, ob dem Gegenstand eines Patents Patentfähigkeit zukommt.

b) Die Ausführbarkeit der in einem Patentanspruch umschriebenen technischen Lehre darf nicht mit der Erreichbarkeit derjenigen Vorteile gleichgesetzt wer-den, die der Erfindung in der Beschreibung zugeschrieben werden.

BGH, I ZR 162/13 – Combiotik

BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 – I ZR 162/13 – Combiotik

Amtliche Leitsätze:

a) Wird die Bezeichnung „Combiotik®“ zusammen mit den Bezeichnungen „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ für Babynahrung verwendet und versteht der Verkehr dies dahin, dass in dem so bezeichneten Produkt präbiotische und probiotische Inhaltsstoffe kombiniert verwendet werden, handelt es sich bei „Combiotik®“ in dieser konkreten Verwendungsform um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (Fortführung von BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 I ZR 178/12, GRUR 2014, 500 – Praebiotik).

b) Die Annahme einer üblichen Bezeichnung einer Zutat im Sinne von § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV setzt voraus, dass die Zutat nach allgemeiner Verkehrsauffassung mit dieser Bezeichnung eindeutig und unmissverständlich identifiziert werden kann. Die allgemeine Verkehrsauffassung richtet sich nach der Anschauung aller am Verkehr mit Lebensmitteln beteiligten Verkehrskreise, zu denen die Lebensmittel- und Ernährungswirtschaft, der Handel und die Verbraucher zählen. Für die Verkehrsüblichkeit einer Bezeichnung sprechen vor allem regelmäßiger und weit verbreiteter Gebrauch, über den unter anderem Koch- und Fachwörterbücher, Lexika und die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission Aufschluss geben können.

c) Für die Annahme einer beschreibenden Verkehrsbezeichnung im Sinne von § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV ist erforderlich, dass die charakteristische Besonderheit der Zutat zum Ausdruck kommt, aufgrund derer sie von ähnlichen und deshalb verwechselbaren Erzeugnissen eindeutig unterschieden werden kann. Die Angabe eines bloßen Oberbegriffs für eine bestimmte Gattung, der die konkrete Zutat nicht identifiziert oder individualisiert, genügt nicht.

BGH, I ZR 240/12 – Kinderhochstühle im Internet III

BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 – I ZR 240/12 – Kinderhochstühle im Internet III

Amtliche Leitsätze:

a) Der Betreiber eines Internetmarktplatzes, der Dritten dort die Möglichkeit eröffnet, Verkaufsangebote ohne seine Kenntnisnahme in einem vollautomatischen Verfahren einzustellen, kann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er Anzeigen im Internet geschaltet hat, die über einen elektronischen Verweis zu Angebotslisten führen, in denen auch die Marken der Klägerin verletzende Angebote enthalten sind.

b) Beschränkt der Markeninhaber den gegen den Marktplatzbetreiber wegen markenrechtsverletzender Verkaufsangebote Dritter gerichteten Unterlassungsanspruch nicht auf die konkrete Verletzungsform, hat er auch vorzutragen, dass die von ihm im Klageantrag genannten abstrakten Kriterien es dem Marktplatzbetreiber ermöglichen, problemlos und zweifelsfrei festzustellen, ob ein Handeln des Anbieters im geschäftlichen Verkehr vorliegt.

c) Stellt der Betreiber eines Internetmarktplatzes dem Nutzer eine Funktion zur automatischen Unterrichtung über neue Angebote durch E-Mails zur Verfügung, löst dies keine gesteigerten Überwachungspflichten aus.

BGH, X ZR 6/13 – Presszange

BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – X ZR 6/13 – Presszange

Amtliche Leitsätze:

a) Ein Angebot, das nicht an die Öffentlichkeit, sondern an einen (potentiellen)
Vertragspartner gerichtet ist, stellt nur dann eine offenkundige Vorbenutzung
dar, wenn die Weiterverbreitung der dem Angebotsempfänger damit übermittelten
Kenntnis an beliebige Dritte nach der Lebenserfahrung nahegelegen
hat. Ist das Angebot auf die Herstellung eines erst noch zu entwickelnden
Gegenstands gerichtet, kann dies nicht ohne weiteres angenommen werden.

b) Die Schlussfolgerung, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung die nicht
nur entfernte Möglichkeit bestanden hat, dass beliebige Dritte und damit
auch Fachkundige durch eine Vorbenutzung zuverlässige Kenntnis von der
Erfindung erhalten, setzt voraus, dass wie etwa bei einem Angebot oder einer
Lieferung mindestens ein Kommunikationsakt feststeht, an den ein Erfahrungssatz
anknüpfen kann.