„Against Intellectual Monopoly“ – Rezension
Das Buch „Against Intellectual Monopoly“ von M. Boldrin und D. K. Levine (Cambridge University Press 2008; auch abrufbar von der Website des Autors) wird von patentkritischen Kreisen hoch geschätzt (siehe etwa http://www.againstmonopoly.org/).
Der Titel ist Programm. Auf fast 280 Seiten legen die Autoren dar, warum urheberrechtliche und patentrechtliche Monopole – jedenfalls mit den derzeitigen maximalen Schutzdauern – schädlich sind.
Die folgenden Kommentare beziehen sich nur auf die Teile des Buchs, die sich (der Abschaffung von) Patentrechten widmen.
Ein signifikantes Problem des Buchs besteht nach meiner Auffassung darin, dass die Darstellung tendenziös ist. Es sollen Vorurteile gegen Patente vertieft werden, ohne dass man dabei der Rechtslage und der jeweiligen Technik Rechnung trägt. Einige Beispiele:
– Mehrere historische Beispiele von U-Boot-Patenten werden ausführlich diskutiert, um Missbrauch des Patentsystems zu illustrieren (Seiten 84-87). Dass dieses Problem sich aus früheren Regelungen spezifisch im US-System ergab, wird dabei nur kurz erwähnt. Dass durch die Berechnung der Laufzeit ab Anmeldetag auch in den US (durch gesetzliche Regelungen lang vor dem Erscheinungsjahr des Buchs) das Problem auch in den USA entschärft wurde, verkommt zur Randnotiz.
– Es wird unterstellt, Patentinhaber würden durch Patentierung von weithin bekannten Technologien ungerechtfertigt Monopole schaffen. Als Beleg wird beispielsweise im Zusammenhang mit US 6,219,045 auf eine Pressemitteilung der Rechtsinhaberin verwiesen (Seite 91). Auch ohne jede Auseinandersetzung mit der Technologie der US 6,219,045 ist festzuhalten, dass es natürlich gerechtfertigt sein kann, jemandem ein Patent für etwas zu erteilen, was zwar im Zeitpunkt der Patenterteilung schon weithin verwendet wird, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Anmelde- oder Prioritätstags aber neu und erfinderisch war. Dies scheinen die Autoren entweder nicht verstanden oder aber bewusst nicht erläutert zu haben.
– Patente werden lächerlich gemacht, wobei wieder einmal Amazon’s one-click-Patent zur Erläuterung herhalten muss (Seiten 168-169). Die Autoren kritisieren unter Zitierung eines abstrakt gehaltenen Absatzes aus der Beschreibung, dass dieser Absatz – für die Autoren als Wirtschaftswissenschaftler – keine hinreichend konkrete Beschreibung der Implementierung geben würde. Ich bezweifle, dass ein Informatiker (als Adressat des Patents) diese Auffassung im Licht der gesamten Beschreibung (als maßgebliche Offenbarung) teilen würde.
– Im abschließenden Kapitel, in dem die Autoren Lösungsmöglichkeiten vorschlagen, wird die „reintroduc[e]tion [of] renewal fees“ angeregt (Seite 251). Ein Kommentar verbietet sich hier schon fast. Im selben Kapitel schlagen die Autoren auch vor, staatlich verliehene Monopolrechte durch Privatverträge zu ersetzen. Man fragt sich, welcher Wettbewerber, der ein staatlich verliehenes Monopolrecht nicht respektiert, einen solchen Vertrag abschließen oder einhalten würde.
Die tendenziöse Darstellung ist deswegen bedauerlich, da sie auch einen Schatten auf die für mich interessantesten Passagen des Buchs wirft: Die Befassung mit der Frage, ob aus (gesamt-)wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Verleihung von Patentrechten gerechtfertigt ist.
Die Autoren führen starke Indizien dafür an, dass bei einer Gesamtbetrachtung die „sozialen Kosten“ des Patents so hoch sind, dass sie wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind. Soweit ich – ohne wirtschaftliche Kenntnisse – diese Aussagen verstehen kann, ist damit wohl gemeint, dass die Kosten, die für Abnehmer und Wettbewerber durch das Monopolrecht entstehen, größer sind als die wirtschaftlichen Vorteile, die für den Patentinhaber resultieren, und die Vorteile, die die Gesellschaft aus der Veröffentlichung der neuen technischen Lehre hat.
In diesem Sinn führt jedoch jede Art von Privateigentum zu „sozialen Kosten“. Da ich einen eigenen Fernseher habe und eine Tür an meiner Wohnung, die verhindert, dass mein Nachbar meinen Fernseher benutzt, muss sich auch mein Nachbar einen Fernseher anschaffen. Die Autoren erkennen auch an, dass jede Art von Privateigentum gesellschaftliche Kosten verursacht. Im Unterschied zu Patentrechten würde jedoch ein Eigentum an Sachen ein positives Recht zur Benutzung verleihen, nicht ein Ausschließungsrecht darstellen. Dieses Argument finde ich nicht ganz nachvollziehbar, da auch der Gebrauch von Sacheigentum dort seine Grenzen findet, wo Rechte anderer berührt werden. Wenn ich mit meinem Rasenmäher das Blumenbeet meiner Nachbarin mähe, berühre ich ihre Rechte (ähnlich wie der Patentverletzer, der in das Monopolrecht des Patentinhabers eingreift), auch wenn der Rasenmäher mir gehört.
Ein letzter Punkt: Auch wenn die Frage nach gesamtwirtschaftlichen Kosten von Monopolrechten sicher wichtig und zu berücksichtigen ist, wenn es um Sinn oder Unsinn von Patentrechten geht, kann dies nicht der einzig maßgebliche Punkt sein. Erfinder sind stolz auf ihre Entwicklungsleistungen. Sie sehen Patente oder schon das Anstoßen eines Patenterteilungsverfahrens als Auszeichnung ihrer Tätigkeit an. Dies weiß ich aus meiner Tätigkeit. Unternehmer und Unternehmen sind stolz auf die Entwicklungstätigkeit und den Erfindungsreichtum ihrer Mitarbeiter. Es gibt nicht nur die Patent-Trolle und großen Monopolisten, die in dem Buch ausführlich beschrieben werden, sondern auch die innovativen Mittelständler. Und zum Gebiet des Patentrechts gehört eben nicht nur der vermögensrechtliche Teil (Ausschließungsrecht) des Monopolrechts, sondern auch das Erfinderpersönlichkeitsrecht. Solche Aspekte haben zwar vielleicht in der rein wirtschaftlichen Betrachtung von Boldrin und Levine keinen Platz, sollten aber nicht vergessen werden, wenn Sinn oder Unsinn von Patenten diskutiert wird.