Negatives Gutachten des Gerichtshof der EU zum Entwurf für ein Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems

Der Gerichtshof der EU hat nunmehr das lange erwartete Gutachten zum Entwurf für ein Übereinkommen eines Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente veröffentlicht. Der Gerichtshof ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass das geplante Übereinkommen zur Schaffung eines Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Die entsprechende Pressemeldung des Gerichtshofs ist hier verfügbar.

Der Entwurf für das Übereinkommen sieht eine ausschließliche Zuständigkeit eines neu geschaffenen internationalen Patentgerichts vor, das außerhalb des institutionellen und gerichtlichen Rahmens der Union stehen würde (Rz. 71 des Gutachtens). Dieses habe nach dem Entwurf für das Übereinkommen auch Unionsrecht anzuwenden und auszulegen. Das internationale Patentgericht könnte sogar die Gültigkeit eines Rechtsakts der Union zu überprüfen haben (Rz. 78 des Gutachtens). Dies unterscheide den Entwurf für das Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patengerichtssystems von Übereinkommen, die früher Gegenstand von Gutachten des EuGH waren und die nicht die Zuständigkeit der nationalen Gerichte und des EuGH bei der Anwendung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts berührten (Rz. 77 des Gutachtens).

Da das neue internationale Gericht im Rahmen seiner ausschließlichen Zuständigkeit an die Stelle der nationalen Gerichte treten würde, würde es diesen die Möglichkeit nehmen, dem Gerichtshof Ersuchen um Vorabentscheidungen in diesem Bereich vorzulegen (Rz. 79 des Gutachtens) – auch wenn das neue internationale Patentgericht selbst die Möglichkeit der Vorlage hätte (Rz. 81 des Gutachtens). Darüber hinaus könnte eine das Unionsrecht verletzende Entscheidung des Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente weder Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens sein noch zu irgendeiner vermögensrechtlichen Haftung eines oder mehrerer Mitgliedstaaten führen (Rz. 86 des Gutachtens).

Das geplante Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems würde somit den Gerichten der Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeiten zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts nehmen, da es einem außerhalb des institutionellen und gerichtlichen Rahmens der Union stehenden internationalen Gericht eine ausschließliche Zuständigkeit für die Entscheidung über eine beträchtliche Zahl von Klagen Einzelner im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftspatent und zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts in diesem Bereich übertragen würde. Das Übereinkommen hätte außerdem eine Auswirkung auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs, auf die von den nationalen Gerichten zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zu antworten. Somit würde das Übereinkommen die den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten zugewiesenen Zuständigkeiten verfälschen, die für die Wahrung der Natur des Unionsrechts wesentlich sind (Rz. 89 des Gutachtens).

Abzuwarten ist, ob das Gutachten die Bemühungen um ein Gemeinschaftspatent und/oder ein einheitliches Patentgerichtssystem auf absehbare Zeit bremsen wird oder einer Verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 20 EUV Vorschub leisten wird. Selbst eine Renaissance des EPLA scheint denkbar. So wird unter Rz. 62 des Gutachtens ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Art. 262 AEUV kein Monopol des Gerichtshofs auf dem Gebiet europäischer Rechtstitel für das geistige Eigentum schafft und auch nicht die Wahl eines gerichtlichen Rahmens für Rechtsstreitigkeiten zwischen Einzelnen im Zusammenhang mit derartigen Rechtstiteln präjudiziert. Auch in Rz. 82 des Gutachtens scheint anzuklingen, dass die Zuständigkeit von Gerichten, die in das Gerichtssystem der Union eingebunden sind, für Entscheidungen über Patentverletzungen im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit nicht zu beanstanden wäre.

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