BPatG, Beschl. v. 25. Juli 2013 – Nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung und Wiedereinsetzung bei Rechtsirrtum
BPatG, Beschl. v. 25. Juli 2013 – Nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung
Amtlicher Leitsatz:
Ist das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt i. S. d. Art. III § 4 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG, richtet sich die Höhe der nationalen Gebühr, die der Anmelder eines Patents nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. den Vorschriften des Patentkostengesetzes zu entrichten hat, nach der Anzahl der Patentansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung der internationalen Anmeldung.
Aus den Entscheidungsgründen:
Zur nationalen Gebühr einer internationalen Anmeldung:
Die Einreichung der Unterlagen für die Einleitung der nationalen Phase stellt dagegen – anders als die Anmelderin meint – keinen die Fälligkeit von Gebühren auslösenden Tatbestand nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG dar. Sie kann weder als Antrag noch als sonstige Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG angesehen werden mit der Folge, dass die nationale Gebühr erst zu diesem Zeitpunkt fällig und nach der Zahl der mit diesen Unterlagen eingereichten Ansprüche zu bemessen wäre.
Ebenso wenig gebieten Sinn und Zweck der mit Art. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) eingeführten anspruchsabhängigen Anmeldegebühr, die Höhe der nationalen Gebühr nach der Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt der Einleitung der nationalen Phase zu bemes-sen. Es trifft zwar zu, dass nach der Begründung zur Änderung des Patentkostengesetzes (BT-Drucks. 16/11339, S. 17) mit der Bemessung der Höhe der Anmeldegebühr nach der Zahl der Patentansprüche dem Anmelder ein Anreiz für eine Begrenzung der Patentansprüche gegeben werden sollte, um so die Arbeitsbelastung des DPMA zu reduzieren. Wie bereits dargelegt, hat die internationale Anmeldung nach Art. 11 Abs. 3 PCT mit dem internationalen Anmeldedatum und mit der zu diesem Zeitpunkt eingereichten Zahl der Ansprüche im Bestimmungsstaat die Wirkung einer nationalen Anmeldung. Will der Anmelder eine geringere Gebühr bezahlen, muss er die Zahl seiner Ansprüche schon bei Einreichung der internationalen Anmeldung entsprechend begrenzen.
Im Übrigen erhielte auch ein Anmelder im nationalen Verfahren, wenn er ursprünglich mehr als zehn Ansprüche eingereicht hat, und die Anmeldung im Laufe des Verfahrens auf zehn oder weniger Ansprüche reduziert, die für den elften und jeden weiteren Anspruch entrichtete Gebühr nicht zurück, auch wenn sich durch die Einschränkung die Arbeitslast des DPMA verringert haben mag.
Im Falle der Reduzierung der Ansprüche beim Eintritt in die europäische Phase ist die Regelung in der AusfOEPÜ für den Anmelder günstiger als die für die Praxis des DPMA gültige Rechtslage. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass das DPMA als Bestimmungsamt bei der Bemessung der Gebühren gleich zu verfahren hätte wie das EPA. Da die Regelungen des PCT eine Bemessung der nationalen Gebühr nach der Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt der internationalen Anmeldung zulassen, besteht für den deutschen Gesetzgeber keine Verpflichtung, eine analoge Regelung zu Regel 162 AusfOEPÜ vorzusehen, die eine Reduzierung der Zahl der Ansprüche beim Eintritt in die nationale Phase bei der Bemessung der Gebühren berücksichtigt. Der Europäischen Patentorganisation steht es wie jedem anderen Vertragsstaat des PCT frei, insoweit eine für den Anmelder gegenüber dem PCT günstigere Regelung vorzusehen: Dies verpflichtet die übrigen Vertragsstaaten des PCT jedoch nicht dazu, eine gleichermaßen günstige Regelung zu schaffen oder zu praktizieren.
Zur Wiedereinsetzung bei Rechtsirrtum:
Eine falsche Gesetzesauslegung ist zwar grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund. Jeder Verfahrensbeteiligte ist grundsätzlich verpflichtet, sich die Kenntnis über das geltende Recht zu verschaffen, das für das ihn betreffende Verfahren gilt. Insbesondere ein Anwalt muss das jeweils geltende Recht vollinhaltlich ken-nen (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 136).
Nach der Rechtsprechung kann jedoch ausnahmsweise Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Rechtsirrtum auch bei zumutbarer Sorgfalt nicht zu vermeiden war (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 137). Dies kann dann anzunehmen sein, wenn durch eine Rechtsänderung die Rechtslage unübersichtlich geworden ist, so dass eine irrtümliche Auslegung entschuldbar erscheint (vgl. BPatG, Beschl. v. 4. Oktober 1990 – 18 W (pat) 40/90, BPatGE 31, 266, 269).
So liegt der Fall hier. Durch Art. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung und Moderni-sierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) wurde die Bemessung der Höhe der Anspruchsgebühr nach der Zahl der Ansprüche eingeführt. Dabei wurde durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes das Gebührenverzeichnis in der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG dahingehend geändert, dass sich für eine Anmeldung mit 11 und mehr Ansprüchen die Anmeldegebühr bei einer elektronischen Anmeldung um 20 Euro und bei einer Anmeldung in Papierform um jeweils 30 Euro pro Anspruch erhöht. Die Überschrift zu den insoweit einschlägigen Gebührennummern 311 000, 311 050 und 311 100 lautet: „Anmeldeverfahren (§ 34 PatG, Artikel III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜbkG)“. Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG wurde durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts dagegen nicht geändert. Aus der Auflistung im Gebührenverzeichnis lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, dass sich die Gebühr im Falle einer internationalen Anmeldung, deren Überleitung in die nationale Phase ansteht, nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet. Die gleichrangige Nennung von § 34 PatG und Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG unter der Überschrift „Anmeldeverfahren“ im Gebührenverzeichnis lässt es auch denkbar erscheinen, dass für die Höhe der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG die Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt des Eintritts in die nationale Phase maßgeblich sein solle. Schließlich hat auch das DPMA der Anmelderin nach Einreichung der deutschen Übersetzung und Zahlung der nach der Zahl der vor dem DPMA noch beanspruchten Ansprüche bemessenen Gebühr mit Bescheid vom 11. August 2011 zunächst mitgeteilt, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei. Vor diesem Hintergrund ist es auch einem Anwalt nicht vorzuwerfen, wenn er die gesetzlichen Vorschriften in diesem Sinne interpretiert hat, dass die Zahlung einer Gebühr entsprechend der Zahl der bei Einleitung der nationalen Phase noch verfolgten Ansprüche den gesetzlichen Vorgaben ent-spricht. Dass die Rechtslage als unübersichtlich gelten kann, lässt sich auch dar-aus entnehmen, dass sich der Gesetzgeber veranlasst sieht, durch eine abermalige Änderung des Gebührenverzeichnisses des § 2 Abs. 1 PatKostG und durch eine Änderung des Art. III § 4 IntPatÜG klarzustellen, dass sich die nationale Ge-bühr im Fall einer internationalen Anmeldung nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet (vgl. Art. 4 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes, BT-Drucks. 17/10308).