BGH, X ZR 124/22: Bremsanlage
BGH, Urteil vom 14. November 2024 – X ZR 124/22 – Bremsanlage
Leitsätze des Urteils:
Das Schiedsgericht kann über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung auch insoweit entscheiden, als seine Befugnis zur Beurteilung des Bestands eines Patents in Rede steht.
Verteidigt der Beklagte erst nach der Zustellung des qualifizierten Hinweises [§ 83 PatG → Gerichtlicher Hinweis im Nichtigkeitsverfahren] das Streitpatent hilfsweise in einer geänderten Fassung, die technische Aspekte betrifft, die in den bisher gestellten Hilfsanträgen nicht berührt waren, kann es nicht ohne Weiteres als nachlässig angesehen
werden, wenn der Kläger Entgegenhaltungen hierzu noch nicht in der ersten Instanz vorlegt.
Aus der Urteilsbegründung:
Die Frage, ob die Entscheidung über den Rechtbestand eines Patents Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein kann, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. In der Literatur wird sie unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien die Auffassung vertreten, Streitigkeiten über die Nichtigerklärung oder Zurücknahme von Patenten könnten nicht wirksam zum Gegenstand einer Schiedsvereinbarung gemacht werden.1) Die in Bezug genommenen Materialien führen hierzu aus, solche Verfahren beträfen Rechte, die kraft Verwaltungsakt erteilt worden seien und die deshalb nicht der Disposition der Beteiligten im Wege von Vereinbarungen unterlägen. Über diese Rechte sei deshalb durch richterliches Gestaltungsurteil zu entscheiden, das nicht nur zwischen den Parteien, sondern gegenüber jedermann wirke.2)
Nach einer Gegenansicht, der die Beklagte beitritt, können die Parteien auch die Entscheidung über den Rechtsbestand eines Patents zum Gegenstand einer Schiedsvereinbarung machen.3) Komme das Schiedsgericht zu dem Ergebnis, dass das Patent keinen Bestand habe, habe diese Entscheidung zwar nicht unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung, wie sie der Nichtigerklärung eines Patents durch ein staatliches Gericht zukomme, die im Patentregister vermerkt werde (§ 30 Abs. 1 PatG), sondern wirke nur inter partes. Die Schiedsvereinbarung könne jedoch weitergehend vorsehen, dass der Patentinhaber für diesen Fall verpflichtet sei, gegenüber dem Patentamt auf das betreffende Patent zu verzichten, wodurch das Patent seine Wirkung auch erga omnes verliere.4)