Eingeschränkte Klarheitsprüfung im DE-Verfahren
In der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband, deren Leitsätze bereits früher in diesem Blog berichtet wurden, befasste sich der X. Senat unter anderem mit der Frage, ob in einem Rechtsbestandsverfahren geänderte Patentansprüche auf Klarheit zu prüfen sind. Zum Leitsatz erhebt der X. Senat, dass eine Klarheitsprüfung jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (Leitsatz a).
Der X. Senat begründet dies damit, dass eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen sei. Der Patentinhaber habe mit dem erteilten oder dem im Einspruchsverfahren geänderten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (§§ 21, 22 PatG, Art. II § 6 IntPatÜG, Art. 100 EPÜ, Artt. 138, 139 EPÜ) ganz oder teilweise aberkannt werden kann, wobei mangelnde Klarheit nicht zu den Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründen gehört. Nach Auffassung des X. Senats folge daraus, „dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. EPA, Entsch. vom 24. März 2015 G 3/14.)“
Soweit der X. Senat in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband ausdrücklich auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 Bezug nimmt, sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die rechtlichen Grundlagen der Klarheitsprüfung im deutschen nationalen Patentverfahrensrecht und EPÜ unterschiedlich sind. So stützt sich die Argumentation in G 3/14 maßgeblich darauf, dass zwar Artikel 84 EPÜ, nach dem die Patentansprüche deutlich abgefasst sein müssen, im Erteilungsverfahren vor dem EPA eine wichtige Rolle spielt und eine Zurückweisung unklarer Ansprüche im Erteilungsverfahren ermöglicht, mangelnde Klarheit jedoch nicht als Widerrufs- oder Nichtigkeitsgrund vorgesehen ist (G 3/14, Ziffern 55, 66-72).
Im Gegensatz zum EPÜ-Verfahrensrecht wird für das deutsche Verfahrensrecht derzeit von mehreren BPatG-Senaten die Auffassung vertreten, dass mangelnde Klarheit eines Anspruchs selbst im Erteilungsverfahren kein Zurückweisungsgrund ist (vgl. BPatG, Beschluss v. 24. Juni 2015, 15 W (pat) 9/13 – Polyurethanschaum). Die Präsidentin des DPMA, die dem Verfahren BPatG 15 W (pat) 9/13 – Polyurethanschaum beigetreten war, hatte die zugelassene Rechtsbeschwerde nicht eingelegt, obwohl der erkennende BPatG-Senat ihrer Auffassung, dass eine Zurückweisung einer Anmeldung wegen unklarer Patentansprüche im Erteilungsverfahren statthaft sei, nicht gefolgt war. Nach Auffassung von Schneider (Mitt. 2016, 49, 52) impliziert dieses Verhalten der dem Verfahren beigetretenen DPMA-Präsidentin eine Bindung der DPMA-Prüfungsstellen dahingehend, dass jedenfalls bis zu einer etwaigen anderweitigen Entscheidung des BGH die mangelnde Klarheit von Patentansprüche kein Zurückweisungsgrund im DPMA-Erteilungsverfahren sein kann.
Zusammenfassend führt die Argumentation des X. Senats in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband zu der etwas misslichen Situation, dass im Rechtsbestandsverfahren nationaler deutscher Patente eine bereits in den erteilten Ansprüchen enthaltene Unklarheit der Aufrechterhaltung nicht entgegenstehen kann, obwohl die Unklarheit – anders als im Verfahrensrecht für das Erteilungsverfahren nach dem EPÜ – nach derzeitiger Praxis kein Zurückweisungsgrund im DPMA-Erteilungsverfahren ist.
Offen gelassen hat der BGH in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband, ob eine Änderung von Ansprüchen im Rechtsbestandsverfahren, die zu einer in den erteilten Ansprüchen noch nicht enthaltenen neuen Unklarheit führt (z.B. aufgrund einer Einschränkung auf Basis der Beschreibung des Patents), der beschränkten Aufrechterhaltung entgegenstehen kann.