Teilanmeldungen beim EPA – immer noch Unsicherheit mit R. 36(1) EPÜ
Die Diskussion um den Zeitraum, in dem nach R. 36(1) a) und b) EPÜ eine Teilanmeldung eingereicht werden kann, wurde nunmehr um eine weitere Facette bereichert: Das EPA hat in der Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 nunmehr erläutert, dass eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ die Frist der Regel 36(1) a) EPÜ dann nicht auslöst, wenn sie von einem Formalsachbearbeiter unter Verwendung des Formulars 2001A erlassen wurde. Derartige Formalbescheide, die auf die in der Stellungnahme zum Europäischen Recherchenbericht erhobenen Einwände Bezug nehmen, wurden zwischen 2005 und 2012 in Fällen versandt, in denen der Anmelder auf eine vor dem 1.4.2010 erstellte Stellungnahme zum Recherchenbericht nicht (freiwillig) geantwortet hatte.
Kurz gesagt läuft die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 darauf hinaus, dass nicht jede Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ als Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Artikel 94(3) EPÜ im Sinne der R. 36(1) EPÜ zu verstehen ist. Dies nämlich dann nicht, wenn die Mitteilung unter Verwendung eines Formblatts von einem Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung erlassen wurde.
Zum besseren Verständnis der Historie dieser Mitteilung, sei zur Historie der Regel 36(1) EPÜ an Folgendes erinnert:
– Der Verwaltungsrat hatte mit Beschluss vom 25. März 2009 Fristen zur Einreichung von Teilanmeldungen eingeführt, um einem angeblichen Missbrauch durch Ketten von Teilanmeldungen entgegenzuwirken. Die Fristen wurden nach der ursprünglich beschlossenen Fassung der R. 36(1)a) und b) EPÜ ausgelöst durch „Bescheide“ (deutschsprachige Fassung) bzw. „communications“ (englischsprachige Fassung) der Prüfungsabteilung.
– Diese Regelung führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit, die sich in umfangreicher Kritik im Schrifttum widerspiegelt. Beispielsweise war unklar, ob auch die Mitteilung nach R 161/162 EPÜ, die auch von der Prüfungsabteilung erlassen wird, die Frist der Regel 36(1) EPÜ a.F. auslöst.
– Das EPA war in der Folge sehr darum bemüht, hier Klarheit zu schaffen. Dies gipfelte in fast humoristisch anmutenden Klarstellungsversuchen, dass eben nicht jede Mitteilung der Prüfungsabteilung eine Mitteilung nach R. 36(1) EPÜ sei (siehe Mitteilung des EPA vom 20.8.2009, Buchst. a): „The Examining Division’s first communication is a communication under Article 94(3) and Rule 71(1), (2) EPC or, where appropriate, Rule 71(3) EPC.„) Für einen Überblick über die geäußerte Kritik siehe etwa Frischknecht und Kley in epi Information 3/2009 oder epi Information 1/2010.
– Erst durch einen weiteren Beschluss des Verwaltungsrates vom 26.10.2010 wurde die Situation durch eine klarere Fassung von R. 36(1) EPÜ verbessert. In der neuen (und derzeit geltenden Fassung) nimmt beispielsweise R. 36(1) a) EPÜ Bezug auf „the Examinin Division’s first communication under Article 94, paragraph 3, and Rule 71, paragraph 1 and 2, or Rule 71, paragraph 3„.
– Die oben genannte Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 führt nun aus, dass – trotz des Wortlauts der R. 36(1) EPÜ – eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ, die vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde, vom EPA nicht als fristauslösend für die Teilungsfrist der R. 36(1) EPÜ angesehen wird.
Auslöser für die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 war die Entscheidung J 9/10, in der sich die Juristische Beschwerdekammer damit zu befassen hatte, was der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Sachprüfung durch die Prüfungsabteilung für die Frage der Gebührenrückerstattung nach Art. 11 b) GebO ist. In dieser Entscheidung führt die Juristische Beschwerdekammer beispielsweise aus (J 9/10, r. 2.9): „It follows from the previous considerations that the communication of 28 May 2009 on EPO Form 2001A did not constitute an act of the examining division pertaining to the examination in accordance with Article 94(3) EPC.“
Die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 hat mehrere für die Praxis bedeutsame Konsequenzen:
a) Der Angabe im Register, wann der erste Bescheid ergangen ist, ist für die Berechnung der Frist nach R. 36(1) EPÜ keine zuverlässige Grundlage mehr. Im Register wird (derzeit) nicht differenziert zwischen Bescheiden nach Artikel 94(3) EPÜ, die von der Prüfungsabteilung selbst erlassen wurden, und solchen, die von einem Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde.
b) Bei bereits notierten Fristen nach R. 36(1) EPÜ wird immer im Einzelfall geprüft werden müssen, ob die Frist nach der in der Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 dargelegten Praxis bereits abgelaufen ist oder sich verlängert, weil eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde.
c) Wird eine Teilanmeldung innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach der ersten Mitteilung der Prüfungsabteilung, aber später als zwei Jahre nach der vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassenen Mitteilung eingereicht, werden trotz allem Rechtsunsicherheiten bestehen, inwieweit sich diese Anmeldung oder ein darauf erteiltes Patent als rechtsbeständig erweist. Denn selbst wenn eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ unter Verwendung des Formblatts 2001A nicht bedeutet, dass die Prüfungsabteilung mit der Sachprüfung begonnen hat (so J 9/10), bedeutet dies nicht, dass es sich dabei nicht doch um eine fristauslösende Mitteilung im Sinne der R. 36(1) EPÜ handeln kann. Klärung wird allenfalls durch die Rechtsprechung der Beschwerdekammern herbeigeführt werden können.