BPatG – 7 W (pat) 306/11: Beteiligtenwechsel im Einspruchsverfahren
Amtlicher Leitsatz:
Zum rügelosen Einlassen eines in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen Verfahrensbeteiligten zum Beteiligtenwechsel auf der Gegenseite.
Aus der Beschlussbegründung:
Zwar ist ein solcher Beteiligtenwechsel nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach § 99 PatG i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur mit Zustimmung der übrigen Verfahrensbeteiligten zulässig (vgl. BGH GRUR 2008, 87, 89 – Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren), welche von den Einsprechenden bislang nicht ausdrücklich erklärt wurde; es entspricht einhelliger Meinung im Schrifttum, dass auch dann, wenn die erforderliche Zustimmung i.S.d. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht ausdrücklich erklärt wurde, diese nach § 267 ZPO zu vermuten ist, wenn der Beteiligte, von dessen Zustimmung der Beteiligtenwechsel abhängig ist, sich in der mündlichen Verhandlung auf die Sache eingelassen hat, ohne dem Beteiligtenwechsel zu widersprechen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 265 Rn. 17; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 265, Rn. 7).
Dies ist vorliegend nicht nur für die Einsprechende zu 1), welche an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, sondern auch für die nicht erschienene Einsprechende zu 2) der Fall, da für Letztere das Fernbleiben im Termin einer rügelosen Einlassung auf die Sache gleichsteht.
Dem steht nicht entgegen, dass im Zivilverfahren für den Fall der Säumnis eine vermutete Einwilligung nach § 267 ZPO ausgeschlossen ist (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 267 Rn. 1; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 267 Rn. 1). Denn hiermit wird lediglich den Besonderheiten des zivilgerichtlichen Säumnisverfahrens Rechnung getragen, das insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass die nicht erschienene Partei so behandelt wird, als habe sie zur Klage nicht ordnungsgemäss vorgetragen, was wiederum entweder zur Klageabweisung bei Säumnis des Klägers (vgl. § 330 ZPO) oder zum Zugeständnis des klägerischen tatsächlichen Vorbringens durch den säumigen Beklagten (vgl. § 331 ZPO) führt.
Eine solche Verfahrenssituation ist im Einspruchsverfahren aber ausgeschlossen; vielmehr führt im Einspruchsverfahren das Nichterscheinen im Termin aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 59 Abs. 4 i.V.m. § 46 PatG; § 87 Abs. 1 ZPO), des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG, §§ 42, 48, 93 PatG) und des im Gegensatz zum Zivilprozess nicht-obligatorischen Charakters der mündlichen Verhandlung, die nur ausnahmesweise stattfindet (§§ 59 Abs. 3, 78 PatG), lediglich dazu, dass der nicht erschienene Beteiligte so zu behandeln ist, als hätte er in der mündlichen Verhandlung sein bisheriges schriftliches Vorbringen wiederholt, so dass dieses der Entscheidung zugrunde zu legen ist; damit sind die Vorschriften der ZPO über das Säumnisverfahren, zu denen auch die Unanwendbarkeit des § 267 ZPO gehört, im Einspruchsverfahren nicht anwendbar. Dies führt aber für die hier in Rede stehende Frage der Zustimmung zum Beteiligtenwechsel dazu, dass in Anwendung des § 99 PatG i.V.m. § 267 ZPO davon auszugehen ist, dass sich nicht nur die Einsprechende zu 1), sondern auch die Einsprechende zu 2), obwohl sie zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, ohne Beanstandung des Beteiligtenwechsels auf das Vorbringen der in das Einspruchsverfahren eingetretenen neuen Patentinhaberin i.S.d. § 267 ZPO eingelassen hat, so dass ihre Zustimmung zum Beteiligtenwechsel nach dieser Vorschrift zu vermuten ist.