Autor: Dr. Frank Meyer-Wildhagen, LL.M.

Unentrinnbare Falle: BGH kontra Große Beschwerdekammer!?

Der BGH hat in der Entscheidung „Winkelmesseinrichtung“ (Xa ZB 14/09) über die Frage entschieden, wie nach deutschem Recht mit der sogenannten „unentrinnbaren Falle“ (Art. 123 (2), (3) EPÜ bzw. PatG & 21 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ) umzugehen ist.

Kurz gesagt lässt es der BGH zu, dass ein nicht ursprünglich offenbartes Merkmal im Patentanspruch verbleibt, wenn es zu einer Einschränkung des Patentanspruches führt – vorausgesetzt, der derart beanspruchte Gegenstand ist nicht auf ein Aliud gerichtet. Laut BGH muss in diesem Fall nicht einmal ein Disclaimer aufgenommen werden, der klarstellt, dass aus dem ursprünglich nicht offenbarten Merkmale keine Rechte abgeleitet werden können.

Damit stellt sich der BGH in gewissem Sinne gegen die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer, die in derartigen Fällen (bis auf wenigen Ausnahmen) nur den vollständigen Widerruf vorsieht (s. auch G93/0001).

Leitsätze der Entscheidung:

PatG § 21 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2

  1. Ein Merkmal, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist und dessen Streichung oder Ersetzung durch ein von der ursprünglichen Offenbarung gedecktes Merkmal zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen würde, kann im Patentanspruch verbleiben, wenn seine Einfügung zu einer Einschränkung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung führt.
  2. Eine Einschränkung in diesem Sinne liegt vor, wenn das hinzugefügte Merkmal eine Anweisung zum technischen Handeln konkretisiert, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist.
  3. Um in solchen Fällen sicherzustellen, dass aus der Einfügung des Merkmals Rechte nicht hergeleitet werden, bedarf es grundsätzlich nicht der Aufnahme eines entsprechenden Hinweises („disclaimer“) in die Patentschrift.

Aus den Gründen:

Weder aus § 21 Abs. 1 Nr. 4 noch aus § 22 Abs. 1 PatG kann abgeleitet werden, dass ein Patent stets zu widerrufen ist, wenn sein Gegenstand gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen durch Aufnahme eines darin nicht offenbarten Merkmals eingeschränkt worden ist. Aus den genannten Vorschriften ergibt sich zwar, dass das Gesetz dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gegenüber der Öffentlichkeit hohes Gewicht einräumt. Gemäß § 21 Abs. 2 PatG ist diesem Interesse aber schon dann hinreichend Rechnung getragen, wenn ein Verstoß gegen eines dieser Verbote durch entsprechende Beschränkung des Patents rückgängig gemacht wird. In der hier zu beurteilenden Situation kann dies dadurch geschehen, dass das nicht offenbarte einschränkende Merkmal im Anspruch verbleibt, bei der Prüfung der Patentfähigkeit aber jedenfalls insoweit außer Betracht zu lassen ist, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf. Schon damit ist sichergestellt, dass das Merkmal für die Bestimmung des Schutzbereichs maßgeblich bleibt, der Rechtsbestand des Patents aber nicht auf technische Anweisungen gestützt wird, die in der Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörend offenbart sind. Eines Widerrufs des Patents bedarf es in dieser Konstellation folglich nicht.

Der Senat verkennt nicht, dass diese Lösung jedenfalls im theoretischen Ansatz nicht mit der Auffassung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in Einklang steht und in Fällen, in denen die Einfügung des Merkmals nicht zur Patentierung eines „Aliud“ geführt hat, zu abweichenden Ergebnissen führen kann. Er vermag der Auffassung der Großen Beschwerdekammer aber jedenfalls für den Anwendungsbereich von §§ 21 und 22 PatG nicht beizutreten. Die Große Beschwerdekammer hat gesehen, dass die von ihr vertretene Auffassung zu harten Folgen für den Anmelder führen kann (aaO ABl. EPA 1994, 541 = GRUR Int. 1994, 842 Rn. 13 – Beschränkendes Merkmal/Advanced Semiconductor Products). Sie sieht sich an einer abweichenden Lösung durch den verbindlichen Charakter von Art. 123 Abs. 1 und 2 EPÜ gehindert. Diesem Gesichtspunkt kommt nach Auffassung des Senats jedenfalls für das deutsche Recht keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Der Wortlaut des Patentgesetzes sieht für den Fall, dass die zur Ausräumung eines Widerrufs- oder Nichtigkeitsgrunds an sich erforderliche Streichung eines Merkmals aus dem Patentanspruch einen neuen Nichtigkeitsgrund entstehen ließe, weder in die eine noch in die andere Richtung eine ausdrückliche Regelung vor. Deshalb ist unter Rückgriff auf allgemeine Auslegungskriterien zu ermitteln, ob die unzulässige Einfügung des Merkmals gemäß § 21 Abs. 1 PatG zwingend zum vollständigen Widerruf führt oder ob den berechtigten Belangen der Öffentlichkeit nicht dadurch Genüge getan ist, dass – wie sich aus § 38 Abs. 2 PatG ergibt – aus der Änderung Rechte nicht hergeleitet werden können. Diese Frage ist aus den bereits angeführten Gründen im zuletzt genannten Sinne zu entscheiden. Auch die Große Beschwerdekammer hält die Belassung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig. Dies bestätigt nach Auffassung des Senats, dass Art. 123 Abs. 1 und 2 EPÜ diesen Lösungsweg nicht kategorisch ausschließen.

BGH: Bildunterstützung bei Katheternavigation fällt nicht unter § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG

Bei der BGH-Entscheidung „Bildunterstützung bei Katheternavigation“ hattte der BGH zu untersuchen inwieweit ein Verfahren zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten medizinischen Instruments als Katheter an einen pathologischen Ort im Hohlraumorgan unter das Patentierungsverbot nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 PatG fällt.

Aus den Leitsätzen:

PatG §§ 14, 34 Abs. 3 Nr. 3; EPÜ Art. 69 Abs. 1, Art. 78 Abs. 1 lit. c

In einem Patentanspruch enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben müssen sich nicht zwangsläufig auf den Gegenstand des Anspruchs oder auf dessen einzelne Merkmale beziehen. Sie können den Erfindungsgegenstand auch sprachlich zu solchen Gegenständen oder Verfahren in Beziehung setzen, die zur beanspruchten Lehre nur in einem bestimmten Sachzusammenhang stehen und deren Erwähnung dem Fachmann eine Orientierungshilfe bei der technisch-gegenständlichen Erfassung und Einordnung des Gegenstands der Lehre sein kann (hier: Bezeichnung eines Verfahrens als Verfahren bei der gezielten Navigation eines Katheters an einen pathologischen Ort in einem menschlichen oder tierischen Hohlraumorgan).

PatG § 2a Abs. 1 Nr. 2, § 5; EPÜ 2000 Art. 53 lit. c, Art. 57

Ein Verfahren zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten Katheters an einen pathologischen Ort im Hohlraumorgan unterfällt nicht dem Patentierungsausschluss für Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers, weil dieser nicht die Patentierung von Verfahren einschließt, die im Zusammenhang mit der Durchführung eines chirurgischen Verfahrens verwendet werden können (vgl. EPA, Große Beschwerdekammer, Entscheidung vom 15. Februar 2010 – G 1/07, Gliederungspunkt 5).

Ein solches Verfahren ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Gewerblichkeit von der Patentierung ausgeschlossen.

Aus den Gründen:

In dem im Erteilungsverfahren zuletzt formulierten Patentanspruch 1 (Gliederungspunkte M1 bis M6 des Bundespatentgerichts in eckigen Klammern) wurde ein Verfahren zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten medizinischen Instruments als Katheter an einen pathologischen Ort im Hohlraumorgan [M1] vorgeschlagen, bei welchem

  1. anhand einer vorab mittels einer nicht-invasiven Untersuchungsmodalität aufgenommenen ersten Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans die Position eines oder mehrerer pathologischer Orte manuell durch den Benutzer oder automatisch unter Verwendung eines Bildanalysesystems
    a) lokalisiert [M2, M5],
    b) markiert [M4, M5], und
    c) hervorgehoben dargestellt werden [M4, M5] und
  2. die Bilddarstellung während der nachfolgenden Navigation des Instruments zusammen mit einer zweiten kontinuierlichen angiografisch aufgenommenen Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans, in dem sich die Spitze des Instruments befindet, wiedergegeben wird [M3],
  3. wobei die Angiografiebilder derart aufgenommen werden, dass sie die Katheterspitze des Instruments zeigen [M6].

Das Patentgericht hat das beanspruchte Verfahren als ein solches zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers eingeordnet, das nach § 5 Abs. 2 PatG a.F. als nicht gewerblich gelte bzw. das nach dem Patentierungsausschluss in § 2a Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 PatG nicht patentierbar sei. Zu dem beanspruchten Verfahren gehöre als ein Verfahrensschritt, dass chirurgisch zur Untersuchung eines Organs bzw. zum Auffinden von pathologischen Orten in den lebenden Körper eines Menschen oder eines Tieres eingegriffen und ein Katheter in ein Hohlraumorgan invasiv eingeführt und gezielt an einen pathologischen Ort navigiert werde. Beim Legen eines Katheters handle es sich um eine als Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers einzustufende Intensivtechnik.

Dieser Ansicht des Patentgerichts, dass die gezielte Navigation eines invasiv an einen pathologischen Ort in einem menschlichen Hohlraumorgan geführten Katheters mit zum Gegenstand der Anmeldung gehören und dieser das Gepräge einer von der Patentierung auszuschließenden chirurgischen Behandlung geben soll, folgt der BGH nicht, da diese Ansicht auf einer unzutreffenden Auslegung von Patentanspruch 1 beruht.

Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt laut BGH nicht, dass alle sprachlichen Elemente eines formulierten Patentanspruchs Merkmale des Gegenstands beschreiben, der mit dem Anspruch unter Schutz gestellt werden soll. So können Sach- bzw. Vorrichtungsansprüche Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben enthalten, die nur unter besonderen Voraussetzungen als Bestandteile des Patentanspruchs an dessen Aufgabe teilnehmen, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen etwa im Hinblick auf dessen vorausgesetzte Eignung. Im Allgemeinen wird die Sache oder Vorrichtung aber unabhängig von dem Zweck, zu dem sie nach den Angaben im Patentanspruch verwendet werden soll, durch räumlich-körperlich umschriebene Merkmale als Schutzgegenstand definiert (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2006 – X ZR 105/04, GRUR 2006, 923 Rn. 15; Urteil vom 28. Mai 2009 – Xa ZR 140/05, GRUR 2009, 837 Rn. 15 – Bauschalungsstütze). In solchen Fällen benennen Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben keine Merkmale des unter Schutz gestellten Gegenstands. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für gegebenenfalls in Verfahrensansprüchen enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben (vgl. Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 14 Rn. 52). Zweck-, Wirkungs- bzw. Funktionsangaben müssen sich des Weiteren nicht zwangsläufig auf den Gegenstand des Anspruchs bzw. einzelne seiner Merkmale beziehen. Es ist einem Anmelder vielmehr unbenommen, den Erfindungsgegenstand im Patentanspruch sprachlich auch zu solchen Erzeugnissen oder Verfahren in Beziehung zu setzen, die zur beanspruchten Lehre in einem bestimmten Sachzusammenhang stehen und deren Erwähnung dem Fachmann eine Orientierungshilfe bei der technisch-gegenständlichen Erfassung und Einordnung des Gegenstands der Lehre sein kann.

Daher kommt der BGH zum Schluss, dass hiernach im vorliegenden Fall die gezielte Navigation des invasiv eingeführten medizinischen Elements als Katheter an einen pathologischen Ort in einem menschlichen Hohlraumorgan nicht zu den Merkmalen der beanspruchten Lehre gehört.

Entscheidend ist dabei, dass der Patentanspruch gezielt zwischen dem Bildgebungsverfahren und der Katheternavigation unterscheidet und auch die Patentanmeldung nur eine Lehre zum technischen Handeln für das Bildgebungsvefahren gibt.

In diesem Punkt unterscheidet sich das vorgeschlagene Ver-ahren auch von demjenigen, auf das sich Leitsatz 1 der Entscheidung G 1/07 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 15. Februar 2010 bezieht. Dort ging es um ein Bildgebungsverfahren zur Magnetresonanzdarstellung der Lungen- und/oder Herzgefäße, bei dem polarisiertes Xenon, das eine gelöste Bildgebungsphase umfasst, verabreicht wird, und zwar unter anderem durch Injektion in eine Herzregion. Diese Maßnahme, in der die Große Beschwerdekammer ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers gesehen hat, war konstitutiver Bestandteil des dort beanspruchten Bildgebungsverfahrens, und nicht, wie vorliegend, ein außerhalb eines solchen Verfahrens liegender Vorgang.

Im Übrigen schließt der BGH auch aus, dass es sich bei dem beanspruchten Verfahren um ein Diagnostizierverfahren handelt, das unter den mit Art. 52 Abs. 4 EPÜ 2000 sachlich übereinstimmenden Patentierungsausschluss für diagnostische Verfahren in § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG fallen könnte. Es mag zwar mit der ersten Bilddarstellung (Merkmalsgruppe 1) aufgrund einer am menschlichen Körper vorgenommenen Untersuchung Bilddaten liefern, die der Lokalisierung, Markierung und hervorgehobenen Darstellung pathologischer Orte eines Hohlraumorgans dienen und damit für die spätere Erstellung einer Diagnose hilfreich sein. Damit stellt dieser Verfahrensschritt aber allenfalls ein für eine Krankheitsbestimmung relevantes Zwischenverfahren dar, was für sich den Patentierungsausschluss indes nicht begründet (vgl. Busse/Keukenschrijver aaO § 5 Rn. 35 mwN in Fn. 138; Schulte/Moufang, Patentgesetz, 8. Aufl., § 2a Rn. 85). Denn der weitere beanspruchte Verfahrensgang macht deutlich, dass es nicht um eine Diagnose geht. Das zweite Bildgebungsverfahren dient räumlich allein der kontinuierlichen Aufnahme der Katheterspitze; die für die Befunderhebung maßgeblichen Daten dürften nach dem gesamten Inhalt der Anmeldungsunterlagen maßgeblich über den Katheter selbst geliefert werden, dessen Führung, wie ausgeführt, aber nicht Bestandteil des beanspruchten Verfahrens ist.

EPA: Änderung von R. 36 – Teilanmeldung

Der Verwaltungsrat hat am 26. Oktober 2010 folgende geänderte R. 36 EPÜ beschlossen, die am gleichen Tag in Kraft getreten ist und in der der „erste Bescheid“, der die 24-monatige Frist für die Teilanmeldung auslöst, konkretisiert ist  (die zugehörige EPA-Mitteilung finden Sie hier):

Artikel 1

1. Regel 36 Absatz 1 der Ausführungsordnung zum EPÜ erhält folgende Fassung:

„(1) Der Anmelder kann eine Teilanmeldung zu jeder anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung einreichen, sofern:

a) die Teilanmeldung vor Ablauf einer Frist von vierundzwanzig Monaten nach dem ersten Bescheid der Prüfungsabteilung nach Artikel 94 Absatz 3 und Regel 71 Absätze 1 und 2, oder Regel 71 Absatz 3 zu der frühesten Anmeldung eingereicht wird, zu der ein Bescheid ergangen ist, oder

b) die Teilanmeldung vor Ablauf einer Frist von vierundzwanzig Monaten nach einem Bescheid eingereicht wird, in dem die Prüfungsabteilung eingewandt hat, dass die frühere Anmeldung nicht den Erfordernissen des Artikels 82 genügt, vorausgesetzt, sie hat diesen konkreten Einwand zum ersten Mal erhoben.

Artikel 2

(1) Dieser Beschluss tritt am 26. Oktober 2010 in Kraft.

(2) Unbeschadet des Artikels 3 des Beschlusses CA/D 2/09 des Verwaltungsrats gilt die mit Artikel 1 dieses Beschlusses neu gefasste Regel 36 Absatz 1 für ab dem 1. April 2010 eingereichte Teilanmeldungen.

BGH Windenergiekonverter – nur noch von historischem Interesse!?

Der Bundesgerichtshof hat sich in der Entscheidung Windenergiekonverter mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung des Schutzbereiches (§ 22 Abs. 1 PatG) auch auf ein Wirtschaftspatent anzuwenden ist.

Da die Wirtschaftspatente inzwischen alle älter als 20 Jahre und damit ausgelaufen sind, ist diese Entscheidung wohl in erster Linie nur noch von historischem Interesse. Lesenswert ist sie aber allemal.

Bundespatengericht: Post II

Der 26. Senat hat sich wieder einmal mit einem Löschungsantrag gegen die Marke „Post“ auseinandersetzen dürfen. Die Schwierigkeit bei Dienstleistungsmarken, die insbesondere noch identlisch mit der Firma sind, liegt oftmals bei der rechtserhaltenden Benutzung.

Aus den Leitsätzen:

  1. Für den Nachweis der markenmäßigen Benutzung einer Dienstleistungsmarke kann die Verwendung einer Wortmarke am und im Geschäftslokal ausreichen.
  2. Die Anbringung des Wortes „POST“ am Eingang des Geschäftslokals und an den darin befindlichen Verkaufschaltern stellt für die dort angebotenen Beförderungs- und Zustelldienstleistungen nicht nur eine firmenmäßige, sondern zugleich auch eine markenmäßige Benutzung dar.
  3. Ein durch eine Verkehrsumfrage für Beförderungs- und Zustelldienstleistungen nachgewiesener Grad der Zuordnung von mehr als 75 % zum Unternehmen der Markeninhaberin reicht bei dem von Haus aus zur Beschreibung geeigneten Begriff „POST“ unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2009, 669 ff., Nr. 28 – POST II) für eine Verkehrsdurchsetzung i.S.d. § 8 Abs. 3 MarkenG aus.
  4. Bestehen zur Überzeugung des Senats keine rechtlichen oder tatsächlichen Zweifel an der methodischen und inhaltlichen Richtigkeit eines vom Markeninhaber in Auftrag gegebenen Verkehrsgutachtens, so ist auch dieses als Beweismittel für die Durchsetzung einer Marke im Verkehr geeignet. In einem solchen Fall bedarf es im Löschungsverfahren – auch im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes – nicht der Einholung eines weiteren Verkehrsgutachtens von Amts wegen. Vielmehr hat in einem solchen Fall der Löschungsantragsteller den (Gegen-)Beweis der Unrichtigkeit des Verkehrsgutachtens zu erbringen und ggf. selbst ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben und vorzulegen.

Erfreulich an dieser Entscheidung ist, dass die Hürde für die markenmäßige Benutzung einer Dienstleistungsmarke weiter gesenkt wurde und auch eine firmenmäßige Benutzung gleichzeitig als eine markenmäßige Benutzung anerkannt werden kann.

EPA: Erleichterung in Sicht?

Insbesondere die kurze 1-Monatsfrist für die Beantwortung einer Mitteilung nach R. 161 I/II EPÜ hat für einigen Unmut gesorgt. Möglicherweise wird diese Frist aber auf 6 Monate verlängert.

Das EPA hat in einer Mitteilung vom 29.9.10 mitgeteilt:

Der Ausschuss „Patentrecht“ (ein nachgeordnetes Organ des Verwaltungsrates des EPAs) gab einstimmig während seiner 39. Sitzung am 27. September 2010 eine positive Stellungnahme zu den Vorschlägen zur Änderung der Ausführungsordnung ab. Die Vorschläge werden dem Verwaltungsrat des EPAs zur Beschlussfassung in dessen Sitzung Ende Oktober unterbreitet.

Die Vorschläge beinhalten folgendes:

  • Vorschlag für die Änderung der Regel 36 (1) a) EPÜ durch explizite Auflistung der substanziellen Bescheide der Prüfungsabteilung, welche die 24-Monatsfrist für die Einreichung freiwilliger Teilanmeldungen auslösen, nämlich Mitteilungen nach Artikel 94 (3) und Regel 71 (1), (2) oder (3) EPÜ
  • Vorschlag über die Verlängerung der in Regel 161 (1) und (2) EPÜ sowie in der Regel 162 EPÜ genannten Fristen von einem auf sechs Monate
  • Vorschlag für die Änderung der Regel 71 und Einfügung einer neuen Regel 71a EPÜ zur Verbesserung der letzten Phase der Erteilungsverfahren durch Einführung eines zweiten Schritts für Fälle, in denen der Anmelder auf die Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin Änderungen oder Berichtigungen beantragt. Das derzeitige rationalisierte Verfahren wird für alle anderen Fälle beibehalten.

Bundespatentgericht: Igel Plus / Igel

In einer Leitsatzentscheidung 33 W (pat) 9/09 hat das Bundespatentgericht sich insbesondere mit der Billigkeit von Kostenentscheidungen und deren Anfechtung auseinandergesetzt. Aus den Leitsätzen

  1. Die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vor dem Bundespatentgericht zulässig.
  2. Das Vorliegen von Gründen der Billigkeit gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ist als gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens vom Bundespatentgericht im Beschwerdeverfahren zu überprüfen.
  3. Für eine Kostenentscheidung zu Lasten eines Beteiligten gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aus Gründen der Billigkeit bedarf es besonderer Umstände. Erforderlich ist regelmäßig ein schuldhafter Verstoß gegen die jedem Beteiligten obliegende allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht. Dieser kann vorliegen, wenn ein Beteiligter versucht, in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein eigenes rechtliches Interesse durchzusetzen.Von einer aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation kann nicht ausgegangen werden, wenn zur Zeit der Verfahrenseinleitung keine einheitliche Rechtsprechung existiert oder wenn es Entscheidungen zugunsten des unterliegenden Beteiligten gibt, mögen diese auch erst während des Verfahrens getroffen worden sein.

    Im vorliegenden Verfahren ist die Rechtslage komplex und es gibt Entscheidungen zugunsten der Widersprechenden, so dass es unbillig wäre, dieser die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

  4. Die Entscheidung über eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG darf nicht pauschal erfolgen. Deshalb sind auch bei erfolgreichen isolierten Kostenbeschwerden sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen.Wenn der in der Hauptsache obsiegende Beteiligte lediglich im Hinblick auf die isolierte Kostenbeschwerde unterliegt, kann eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG unbillig sein, so dass gemäß § 71 Abs. 1 Satz 3 MarkenG jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat.
  5. Bei einer erfolgreichen isolierten Kostenbeschwerde kann es gerechtfertigt sein, die Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG zurückzuzahlen.

Urheberrecht: Gema vs YouTube

Sowohl sueddeutsche.de also auch heise.de berichten über den Streit zwischen dem Musikrechteverwerter GEMA und YouTube. Hintergrund ist, dass sich die GEMA und YouTube bzw. der Inhaber Google nicht auf ein Vergütungsmodell einigen können. Leidtragende dabei sind dabei die Künstler, deren Werke bei YouTube veröffentlicht werden und die momentan keine einzigen Cent an Vergütung für die Nutzung ihrer Werke erhalten.

In dem schwelenden Rechtsstreit zwischen YouTube und GEMA hat die GEMA versucht, ihre Position durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stärken, womit sie allerdings gescheitert ist. Außerdem hat sich das französische Pendant zur GEMA, Sacem genannt, mit YouTube über ein Vergütungsmodell geinigt. Allerdings nur für Frankreich und nicht für Deutschland, weswegen Sacem an der deutschen gerichtlichen Auseinandersetzung ebenfalls beteiligt ist.

Es bleibt abzuwarten, wer am Ende als Gewinner aus dieser Auseinandersetzung hervorgeht – auf die Künstler würde ich dabei allerdings nicht wetten.

Anhängigkeit einer EP-Anmeldung – G 1/09

In der noch nicht veröffentlichten Entscheidung G 1/09 (hier verfügbar), hat die große Beschwerdekammer entschieden, dass eine in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesene EP-Anmeldung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist anhängig ist. Damit kann auch eine Teilanmeldung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist der zurückgewiesenen Anmeldung eingereicht werden – ohne, dass es einer Einlegung einer Beschwerde bedarf.

In Kürze folgt hier eine genauere Analyse der Entscheidung.

Schokolade in Weinrankenform – 3D-Marke

Das Bundespatentgericht hatte kürzlich die Aufgabe, über die Unterscheidungskraft einer 3-D-Marke für Schokoladenwaren – eine Art Weinrankenform aus Schokolade in der unten abgebildeten Form – zu urteilen (25 W (pat) 8/09).

Das DPMA hatte aufgrund der ungewöhnlichen Form die Marke als 3D-Marke mit der Begründung eingetragen, dass auf dem Gebiet der Schokoladenwaren neben der klassischen „Riegelform“ nur Gestaltungen, die einen ohne weiteres erkennbaren realen Bezug hätten und außerdem von einem gewissen Wert seien gebe; es gebe daher u. a. Schokoladenhandys, -armbanduhren, -autos, -CDs und Tiere aller Art. Dies träfe aber auf die oben gezeigte Form nicht zu.

Dagegen richtet sich ein Löschungsantrag, in dem die Unterscheidungskraft der Marke angezweifelt wird, da das Zeichen rein beschreibend sei – eine Schokoladenwellenform mit Schokostreuseln.

Interessant an diesem Verfahren ist, dass das Bundespatentgericht von Amts wegen bemängelt hat, dass die Marke nach dem der Eintragung zugrundeliegenden Bild nicht hinreichend eindeutig bestimmt und definiert sei und damit nicht den Anforderungen an eine grafische Darstellbarkeit i. S. des § 8 Abs. 1 MarkenG genüge.

Die Markeninhaberin hat dieses Vorgehen des BPatG mit der Begründung gerügt, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren um ein Löschungsverfahren handelt, das kontraditkorischer Natur ist, und folglich nur die von der Löschungsantragstellerin vorgebrachten Löschungsgründe zu beachten seien.

Für das Bundespatentgericht ergeben sich aus diesem Verfahren zwei Rechtsfragen, die nicht höchstrichterlich geklärt sind.

So erscheint z. B. nicht geklärt, ob eine (komplexe) dreidimensionale Gestaltung, die unter Schutz gestellt
werden soll, durch die grafische Darstellung im Sinne des Art. 2 der Markenrechtsrichtlinie bzw. nach § 8 Abs. 1 MarkenG von allen Seiten dargestellt und insoweit (vollständig) definiert sein muss oder ob die Ansicht von
nur einer Seite ausreicht und quasi Teilschutz für eine Seitenansicht einer dreidimensionalen Gestaltung gewährt werden kann. Es erscheint denkbar, dass solche „3D Teilansichtsschutzgegenstände“ keine dreidimensionalen
Gestaltungen sind, sondern als sonstige Markenformen zu werten sind.

Obergerichtlich ist ferner nicht geklärt, ob die eindeutige grafische Darstellung des Zeichens, für das Markenschutz begehrt bzw. im Falle der Eintragung Schutz beansprucht wird, und die sich daraus ergebende eindeutige
Festlegung dessen, was geschützt werden soll, Bestandteil des deutschen und auch des europäischen ordre-public im Sinne von Art. 6 quinquies B Nr. 3 PVÜ ist und ob ein entsprechender Mangel eine Löschung nach § 50
Abs. 1 MarkenG bzw. Schutzentziehung nach §§ 50 Abs. 1, 107 Abs. 1, 115 Abs. 1 MarkenG rechtfertigt.

Während die zweite Frage in erster Linie für Juristen interessant ist, ist die erste Frage auch für potentielle Markenanmelder bzw. Markeninhaber relevant. Sollte der Bundesgerichtshof nämlich zu dem Schluss kommen, dass eine einzelne Ansicht für eine (komplexe) 3D-Marke nicht ausreichend ist, wären alle (komplexen) 3D-Marken, die nur mit einer Ansicht angemeldet bzw. eingetragen wurden, quasi auf einen Schlag löschungsreif.